Auch Kontakt zum NSU-Umfeld aufgenommen Das rechte Netzwerk in den Gefängnissen

Frankfurt · Sie wollten es als Hilfsorganisation tarnen und schrieben sich eifrig Briefe: Neonazis haben von Hessen aus versucht, Netzwerke in deutschen Gefängnissen zu bilden. Doch damit nicht genug: Wenige Tage vor Beginn des NSU-Prozesses kommt auch heraus, dass die Neonazis versucht haben, zu der Terrorzelle Kontakt aufzunehmen.

Chronologie: Was nach dem NSU-Desaster geschah
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Foto: dpa, fpt fdt

Anfangs berichteten sowohl die "Süddeutsche Zeitung" als auch die "Bild"-Zeitung, das rechtsextreme Netzwerk in deutschen Gefängnissen sei durch Zellendurchsuchungen und Post-Kontrollen in Hessen aufgeflogen.

Am Vormittag bestätigte die hessische Justiz. Das Nazi-Netzwerk suchte demnach auch Kontakt zu der NSU-Angeklagten Beate Zschäpe. Ihr Name und die Anschrift in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf standen auf einer Liste, die in der Zelle eines Neonazis im Gefängnis Hünfeld in Osthessen gefunden wurde.

Das berichteten Justizminister Jörg-Uwe Hahn und sein Staatssekretär Rudolf Kriszeleit (beide FDP) am Mittwoch im Justizausschuss des hessischen Landtags in Wiesbaden. Es gab zunächst keine Angaben, ob tatsächlich Post an Zschäpe gegangen sei.

Nach all den Pannen rund um die Ermittlungsarbeit bei der NSU sind es so kurz vor Beginn des Prozesses gegen Beate Zschäpe und Co. nicht gerade die beruhigensten Nachrichten. Und das sieht auch Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) so. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Wir wollen Fehler der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den Straftaten der NSU nicht im Strafvollzug wiederholen." Man werde verhindern, dass rechte Straftäter versuchten, aus den Vollzugsanstalten heraus, neue Organisationsstrukturen aufzubauen.

Unter dem Deckmantel einer Hilfsorganisation

Das gab es schon einmal. Wie beide Zeitungen schreiben, hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bereits vor anderthalb Jahren die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige" verboten. Und genau eine solche Organisation habe man nun versucht, wieder aufzubauen — allerdings eher getarnt als eine, die Verurteilten und ihren Familien während und nach der Haftzeit helfen wolle.

So schreibt die "Süddeutsche Zeitung", dass die Neonazis aus den hessischen Gefängnissen heraus ein bundesweites Netzwerk aufbauen wollten. Für die Vollzugsbeamten seien solche Unternehmungen allerdings schwer zu erkennen, weil sich viele Rechtsextremisten in Haft zunächst angepasst aufträten und wenig Probleme bereiteten.

Im Falle des nun aufgedeckten Netzwerkes sollen die Neonazis laut "Bild" über Briefe und versteckte Botschaften im Kleinanzeigenteil scheinbar unverdächtiger Magazine kommuniziert haben. Sie hätten Symbole und Codes verwendet, die selbst für Experten schwer als "rechtsradikal" zu erkennen gewesen seien. So hätten sie monatelang Insassen von Haftanstalten mehrerer Bundesländer kontaktiert. Innerhalb der Gefängnisse selbst hätten sie strenge hierarchische Strukturen aufgebaut.

Ein bekannter Name aus den NSU-Ermittlungen

Laut "Süddeutsche Zeitung" habe den Behörden zuletzt auch Sorge bereitet, dass der im NSU-Prozess angeklagte Ralf Wohlleben die Postkontrolle während der Untersuchungshaft umgangen haben soll — er wurde vorzeitig nach München verlegt, wo der Prozess gegen die Terrororganisation ab 17. April stattfinden wird.

Zumal im Zusammenhang mit dem aufgeflogenen Neonazi-Netzwerk auch ein Name auftaucht, der bereits bei den Ermittlungen rund um die NSU eine Rolle gespielt hatte. Es geht um einen 38-jährigen, mehrmals vorbestraften Neonazi, der im Dezember 2011, nach Auffliegen der Terrorzelle, angeboten haben soll, "Informationen über diverse Netzwerke" zu beschaffen. Als Gegenleistung, so die "Süddeutsche Zeitung" weiter, habe er um Unterstützung für eine schnelle Haftentlassung gebeten.

Jener Neonazis hatte damals auch behauptet, Kontakt zu den NSU-Mitgliedern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehabt zu haben, sie in Kassel und auch in Zwickau getroffen zu haben. Zudem habe er eine seltsame Vorliebe für das "Paulchen Panther"-Motiv gehabt, welches die NSU in ihrem Bekenner-Video verwendet hatte. Allerdings waren im Dezember 2011 Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Mannes gewachsen. Es habe Anzeichen gegeben, dass er wissentlich falsche Aussagen gemacht habe. Doch nun wird er bei den neuen Ermittlungen wohl wieder eine Rolle spielen.

Erste Konsequenzen nach dem Auffliegen des Netzwerkes soll es nach den Medienberichten bereits geben. Laut "Süddeutsche Zeitung" seien verdächtige Gefangene verlegt bzw. voneinander getrennt worden. Zudem seien die Kontrollen in den hessischen Gefängnissen verschärft worden und die Vollzugsbeamten sollen stärker fortgebildet werden, um rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Gefängnismauern schneller zu erkennen.

(das)
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