Anklage vor dem OLG München Beate Zschäpe wird wegen Mordes angeklagt

München · Knapp 15 Monate nach der Festnahme von Beate Zschäpe hat das Oberlandesgericht München die Anklage gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin in vollem Umfang zugelassen. Damit muss sich die 38-Jährige wegen des Verdachts der Mittäterschaft an den zehn Morden des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vor Gericht verantworten.

Das ist Beate Zschäpe
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Das ist Beate Zschäpe

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Foto: dapd, -

Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl bestätigte am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in München, dass die Entscheidung des Senats über die Eröffnung der Hauptverhandlung der Verteidigung vorab zugefaxt worden sei. "Inhaltlich möchte mich dazu nicht äußern, weil noch nicht alle anderen Verfahrensbeteiligten die Entscheidung vorliegt." Der Berliner "Tagesspiegel", "Süddeutschen Zeitung" und "Spiegel Online" hatten als erste über die Eröffnung berichtet.

Damit muss sich die 38-Jährige wegen des Verdachts der Mittäterschaft an den zehn Morden des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vor Gericht verantworten. Eine Sprecherin des Oberlandesgerichts wollte die Berichte nicht kommentieren. Das Verfahren soll voraussichtlich im April beginnen.

Das Gericht ließ demnach auch die Anklage gegen vier mutmaßliche Unterstützer und Helfer der Gruppe zu, und zwar bis auf wenige Details unverändert. Im Eröffnungsbeschluss des 6. Strafsenats heißt es nach Angaben des "Tagesspiegel", die Angeklagten seien der ihnen vorgeworfen Straftaten hinreichend verdächtig. Nach vorläufiger Wertung bestehe die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung.

Die Richter ordneten zudem die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen Zschäpe und den Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben an. Neben Zschäpe gehörten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos dem Terror-Trio an, beide sind inzwischen tot.

Neue Vorwürfe gegen Thüringens Verfassungsschutz

Unterdessen sind vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu den Neonazi-Morden schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden in Thüringen erhoben worden. Das Landesamt für Verfassungsschutz habe die Polizei gebeten, nicht im rechtsradikalen Umfeld zu ermitteln, "um keine Unruhe in die Szene zu bringen", berichtete der Thüringer Zielfahnder Sven Wunderlich am Donnerstag vor dem Ausschuss. Aber auch polizeiliche Informationen sind demnach nicht an die zuständigen Fahnder gelangt.

Dabei geht es um den Zeitraum Anfang 1998, als das mutmaßliche Terroristentrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe erst wenige Wochen untergetaucht war. Eine in einer Garage in Jena zusammen mit Sprengsätzen gefundene Adressenliste hätte die Fahnder auf die Spur des Trios bringen können, wurde aber nicht weitergegeben, sagte Wunderlich. Auch in den Akten tauchte diese "Garagenliste" später nicht auf. Erst Anfang 2013 habe er sie in den Unterlagen plötzlich entdeckt, sagte der Kriminalhauptkommissar. Zur Frage, ob die Akten eindeutig manipuliert worden seien, wollte sich der Fahnder nicht äußern.

Die Linken-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Petra Pau, zeigte sich "entsetzt" darüber, dass sich die Polizei vom Verfassungsschutz habe sagen lassen, wo sie ermitteln dürfe. Der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland urteilte: "Die Polizei in Thüringen hat versagt." Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy sagte mit Bezug auf frühere Aussagen von Verfassungsschützern, wonach alle Informationen weitergegeben worden seien: "Entweder der Verfassungsschutz hat gelogen, oder der Zielfahnder."

Der Zeuge Wunderlich bestätigte auch, dass es schon 1997/1998 den Verdacht gegeben habe, dass Beate Zschäpe eine Quelle des Verfassungsschutzes gewesen sei. Belege dafür gibt es bisher nicht.
Wunderlich hatte die mutmaßliche spätere Rechtsterroristin Zschäpe bereits 1997 vorübergehend festgenommen. Eine spezielle Zielfahndung nach dem Neonazi-Trio habe es aber nicht gegeben, sagte Wunderlich. Dies sei in Rücksprache mit dem Bundeskriminalamt BKA geschehen.
Hinweisen, wonach das Trio in den Rechtsterrorismus abzugleiten drohte, sei nicht nachgegangen worden.

Befragt werden sollte am Donnerstag auch der ehemalige Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Sippel. Er war 2012 im Zusammenhang mit den Ermittlungsfehlern abgelöst worden. Der NSU wird für zehn Morde verantwortlich gemacht. Der Untersuchungsausschuss will nach Angaben des FDP-Obmanns Hartfrid Wolff seine Erkenntnisse noch vor der Bundestagswahl dem Plenum des Parlaments vorlegen. Es wird aber davon ausgegangen, dass er seine Arbeit in der nächsten Legislaturperiode fortsetzt.

(dpa/felt/sap)
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