NSU-Prozess Zschäpes Altverteidiger fordern sofortige Haftentlassung

München · Die ursprünglichen drei Verteidiger der NSU-Hauptangeklagten Beate Zschäpe haben eine sofortige Freilassung ihrer Mandantin gefordert.

 Die Angeklagte Beate Zschäpe steht neben  ihrem Anwalt Mathias Grasel im Gerichtssaal.

Die Angeklagte Beate Zschäpe steht neben ihrem Anwalt Mathias Grasel im Gerichtssaal.

Foto: dpa/Matthias Schrader

Die Plätze der Hinterbliebenen der zehn NSU-Mordopfer bleiben an diesem 428. Verhandlungstag im Oberlandesgericht München allesamt leer. Es ist wohl besser für die noch immer in tiefer Trauer lebenden Angehörigen - denn der Verteidiger von Beate Zschäpe, Wolfgang Heer, stellt eine für sie vermutlich schwer erträgliche Forderung auf: Er hält die "sofortige Haftentlassung" Zschäpes für geboten.

Wird die 43-Jährige also schon in diesem Sommer Eis essend durch München flanieren? Eine Stadt, von der sie seit sechs Jahren und sieben Monaten vor allem die Gefängnismauern der Justizvollzugsanstalt Stadelheim kennt. Oder wird sie doch wie von der Bundesanwaltschaft gefordert viele, viele Jahre im Gefängnis bleiben?

Die Antwort steht nun auf einmal kurz bevor. Denn mit dem Beginn des Plädoyers von Heer und seinen Mitverteidigern Wolfgang Stahl und Anja Sturm ist das Ende des NSU-Prozesses greifbar. Voraussichtlich am Donnerstag werden sie ihr Plädoyer abschließen und damit den Reigen der Plädoyers von Bundesanwaltschaft, Nebenklägern und der insgesamt fünf Angeklagten beschließen. Dann könnte Richter Manfred Götzl einen Termin für sein Urteil bekannt geben - womöglich noch in diesem Monat.

Verteidiger Heer, der Zschäpe schon seit kurz nach ihrer Festnahme im November 2011 kennt, nutzt seinen Plädoyerbeginn zum Rundumschlag gegen die Bundesanwaltschaft und alle Ermittlungsbehörden. Eine "monströse Anklage" habe der Bundesanwalt formuliert, kritisiert er.

Die Bundesanwaltschaft habe eine Maximalanklage formuliert, obwohl die darin behauptete Mittäterschaft Zschäpes an den von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Taten nicht zu belegen sei. "Frau Zschäpe hat keine Morde geplant, sie hat keine Waffen beschafft, sie hat an den Taten insgesamt nicht mitgewirkt", sagt Heer. Sie sei nicht mal in der Nähe eines Tatorts gewesen und habe die von Mundlos und Böhnhardt begangenen Gewaltverbrechen auch nicht am Küchentisch geplant.

Schon nach wenigen Minuten kommt Heer zum Höhepunkt des Plädoyers, das ja immerhin bis Donnerstag die Verhandlungstage füllen soll. "Beate Zschäpe ist keine Terroristin, sie ist keine Mörderin und keine Attentäterin - sie ist wegen aller angeklagter Staatsschutzdelikte freizusprechen und unverzüglich freizulassen", sagt er. Nur wegen Brandstiftung dürfe sie verurteilt werden - das aber auch nur in einem zeitlich so begrenzten Maß, dass sie wegen ihrer langen Untersuchungshaft freizulassen sei.

Heer spricht an vielen Stellen forsch und furios. Mit vielen Spitzen greift er etwa den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl an - "Sie haben uns vorsätzlich hintergangen" - oder hält dem psychiatrischen Sachverständigen "Kaffeesatzleserei" vor.

Zschäpe folgt dem Plädoyer mal konzentriert zuhörend, mal eher desinteressiert wirkend. Abgesprochen ist der Schlussvortrag jedenfalls nicht, weil sie schon seit dem Sommer 2015 nicht mehr mit ihren drei ursprünglichen Verteidigern spricht. Seit damals wird sie von zwei neuen Verteidigern vertreten.

Ob dieser damalige Verteidigerwechsel sinnvoll war, wird sich wohl erst mit dem Urteil zeigen. Während die ursprünglichen Verteidiger Zschäpe zum konsequenten Schweigen geraten hatten, gab sie nach dem Wechsel auf Anraten ihrer neuen Verteidiger eine Erklärung ab und beantwortete Fragen des Gerichts.

In der Summe kamen allerdings die zerstrittenen Verteidigergruppen zu demselben Ergebnis: Beide fordern einen Freispruch Zschäpes von den Vorwürfen, eine Mörderin oder Mitglied in einer terroristischen Vereinigung zu sein. Bei beiden bleibt als schwerster Vorwurf nur die Brandstiftung im letzten Versteck des NSU-Trios in Zwickau übrig, bei beiden eine Strafe von höchstens zehn Jahren Haft.

(felt/csr/AFP)
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