Thema wird für britischen Premier zum Politikum Nimmt Tony Blair Erziehungsurlaub?

London (dpa). Die Zeiten, als die Nachricht von der Geburt eines Politiker-Sprösslings den zuständigen Vater bei Unterhaus-Debatten ereilte und umgehend mit einer Runde Applaus honoriert wurde, sind auch in Großbritannien vorbei. Für den modernen Premierminister und Familienvater Tony Blair (46) wird die Frage, ob er sich zur Geburt seines vierten Kindes einen kurzen Erziehungsurlaub gönnen soll, immer mehr zum Politikum..

Seine eigene Frau, die Juristin Cherie Blair, hat diskret aber öffentlich gedrängt. Frauengruppen fordern, Blair solle für "alle Männer und Arbeitgeber" ein gutes Beispiel setzen.

Das Blair-Baby soll, wenn die Gynäkologen richtig voraussagen, am 24. Mai zur Welt kommen. Die noch voll arbeitende 45-jährige Kronanwältin Cherie machte in dieser Woche überdeutlich, dass sie sich ihren Mann in diesen Tagen zu Hause wünscht. Politisch durchaus clever bezog sie sich dabei auf das "gute Beispiel", das der sozialdemokratische finnische Ministerpräsident Paavo Lipponen mit gleich zweimaligem Erziehungsurlaub gesetzt hatte. Für den Sozialdemokraten von "New Labour" wächst seitdem täglich das Dilemma. "Wird der Ehemann dieser Frau Vaterschaftsurlaub machen?" überschrieb der "Guardian" am Freitag eine ganze Sonderseite zu dem Thema.

"Ich gestehe, ich habe darüber noch nicht entschieden. Aber ich habe auch ein Land zu führen, und die Leute erwarten von mir, dass ich meinen Job gut mache", sagte ein eher verlegener Blair im BBC- Fernsehen. "Natürlich will ich auch bei dem Baby sein, wenn er oder sie kommt. Aber ganz ehrlich weiß ich noch nicht, was ich mache. Ich muss hier einen dritten Weg finden."

Viel Zeit hat der Premier nicht mehr. Die Presse hat Lunte gerochen und lässt das Thema nicht aus dem Griff. Downing Street schoss mit der Warnung zurück, die Medien seien von der Frage "völlig besessen." Sie überschatte in den Veröffentlichungen sogar den EU- Sondergipfel in Lissabon und andere wichtige Themen.

Hinter der Debatte verbergen sich ernsthafte politische Fragen. Nicht nur Cherie Blair, sondern auch viele Frauen und Männer in der Labour-Partei erwarten von Blair ein Signal des gesellschaftlichen Fortschritts. Ein gesetzlich verankertes Recht auf Vaterschaftsurlaub gibt es in Großbritannien nicht. Labour-Frauen kämpfen seit langem für einen Elternurlaub, der beiden Partnern 13 Wochen lang die bezahlte Abwesenheit vom Arbeitsplatz erlaubt.

Die Regierung will sich bisher nur auf die vage Formel einlassen, dass freie Tage in "familiären Notfällen" auch die Geburt eines Kindes einschließen sollen. Als "Amtsinhaber der Krone" hat der Premierminister allerdings große Privilegien: Er kann freimachen wann er will. Gehalt und Abgeordneten-Diäten laufen weiter.

(RPO Archiv)
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