Neuerung in Schönheitswettbewerb Miss America will sozialer werden

Washington · Seit 1921 treten junge Frauen bei dem Schönheitswettbewerb an. Doch statt nur auf das perfekte Aussehen zu achten, zählten beim diesjährigen Wettbewerb ohne Bikini-Schaulaufen auch soziales und politisches Engagement.

 Miss New York Nia Franklin betritt bei der Wahl zur Miss America 2019 die Bühne in Atlantic City.

Miss New York Nia Franklin betritt bei der Wahl zur Miss America 2019 die Bühne in Atlantic City.

Foto: dpa/Noah K. Murray

Nia Imani Franklin hat Musik studiert, sie singt Opernarien, und als sie sich den Juroren der Miss-America-Show vorstellen sollte, sprach sie von Härte. „Als New Yorkerin weiß ich, was es heißt, hart zu arbeiten.“ Das klang zwar einstudiert – aber Nia Franklin hat Geschichte geschrieben.

Die 25-jährige Afroamerikanerin ist die erste Miss America, die zur Schönheitskönigin gekrönt wurde, ohne viel nackte Haut gezeigt zu haben. Die erste, die nicht im Bikini über eine Bühne zu laufen brauchte. Das Schaulaufen in Badeanzügen war das Markenzeichen der Show, als sie 1921 Premiere feierte. Das ist seit dem vergangenen Wochenende passé, und um schon von den Etiketten her deutlich zu machen, was für ein Kulturwandel sich da gerade vollzieht, reden die Organisatorinnen nur noch von Miss America 2.0.

Was sich nicht geändert hat, ist der Schauplatz: Atlantic City, die Casinostadt an der Küste New Jerseys, der man auf den ersten Blick ansieht, dass sie schon bessere Zeiten erlebt hat. Ansonsten hat die MeToo-Bewegung tiefe Spuren hinterlassen. Statt in erster Linie die Figur zu bewerten, wurden die Kandidatinnen zu sozialem Engagement und politischen Interessen befragt. Die Kulisse schmückten Stichwörter, die das unterstreichen sollten. Furchtlos. Intelligent. Stark.

Der Wandel hat mit Gretchen Carlson zu tun, der Miss America des Jahres 1989. Einst Moderatorin des konservativen Senders Fox News, sorgte sie für Furore, als sie dessen Roger Ailes wegen sexueller Belästigung verklagte. Ailes musste zurücktreten, Carlson wurde zum Aushängeschild des Miss-America-Wettstreits, dessen Organisation nunmehr komplett in weiblichen Händen liegt. Frühere Manager mussten ihren Hut nehmen, nachdem publik geworden war, wie abfällig sie sich in E-Mails über den Intellekt und das Sexualleben mancher Kandidatinnen geäußert hatten. „Wir sind kein Schönheitswettbewerb mehr“, hatte Carlson bereits im Juni das neue Konzept umrissen. „Wir erleben in unserem Land eine kulturelle Revolution, bei der Frauen den Mut finden, aufzustehen und sich zu vielen Themen Gehör zu verschaffen.“ Miss America sei stolz darauf, sich in diese Bewegung einreihen zu können.

Da war Emily Sioma, Miss Michigan, die das bleivergiftete Trinkwasser der Autostadt Flint zum Thema machte. Sie komme aus einem Bundesstaat, der zwar über 84 Prozent der Süßwasserreserven der Vereinigten Staaten verfüge, nicht aber über Wasser, das seine Bewohner trinken könnten. Da war Madison Fuller, eine Kindergärtnerin aus Texas. Sie hatte die Proteste von Football-Spielern zu kommentieren, die sich, um Polizeigewalt gegen schwarze Amerikaner anzuprangern, die amerikanische Hymne kniend anhören, statt strammzustehen und die Hand aufs Herz zu legen. „Wenn sie niederknien, stehen sie auf für etwas, woran sie glauben“, sagte Miss Texas. Miss New Jersey sprach über Lebensmittelallergien, Miss South Dakota über eine Initiative, die Teenagern hilft, umsichtig mit Geld umzugehen.

Nur ist manches eben beim Alten geblieben – etwa das Zahnpasta-Lächeln, das die Anwärterinnen auf die Krone im Scheinwerferlicht wie auf Kommando anknipsen müssen. „Ein wirklich revolutionärer Akt“, kommentierte denn auch die Journalistin Monica Hesse, „wäre nicht der Verzicht auf die Bikinis, sondern der Verzicht auf dieses erzwungene Dauerlächeln.“ Und noch immer müssen die Frauen unterschreiben, dass sie weder verheiratet waren noch schwanger sind und in den zwölf Monaten, in denen sie eventuell als aktuelle Miss America durchs Land reisen, nicht die Absicht haben, schwanger zu werden. Immerhin, bis vor vier Jahren hatten sie noch vertraglich zuzusichern, niemals schwanger gewesen zu sein.

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