Anfrage im NRW-Landtag Neues Gesetz schützt Prostituierte nicht

Düsseldorf · Ein knappes halbes Jahr nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes haben sich nach Angaben der Landesregierung in NRW erst rund 650 Sexarbeiter bei den Behörden angemeldet. Dafür gibt es wohl verschiedene Gründe.

Straßenstrich Krefeld: Neue Ritterstraße bei Tag
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Neue Ritterstraße: Der Straßenstrich in Krefeld bei Tag

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Foto: Bastian Königs

Das neue Gesetz zum Schutz von Prostituierten droht seine Wirkung zu verfehlen. Bis Mitte Oktober hatten in Nordrhein-Westfalen nach Angaben der Landesregierung erst 525 Frauen und zwölf Männer eine Tätigkeit als Prostituierte angemeldet. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Josefine Paul hervor. Gut einen Monat später waren es nach Angaben des NRW-Gleichstellungsministeriums rund 650. Allein die Zahl der weiblichen Prostituierten in NRW wird aber auf 25.000 bis 45.000 geschätzt.

Das Prostituiertenschutzgesetz ist bundesweit gültig und trat am 1. Juli 2017 gegen die Stimmen der Opposition im Bundestag in Kraft. Es verlangt eine Anmeldepflicht für Prostituierte und eine alljährliche gesundheitliche Beratung. Die Sexarbeiter erhalten dann eine Anmeldebescheinigung mit Lichtbild. Zudem schreibt das Gesetz die Benutzung von Kondomen vor. Dabei gilt in NRW für Frauen und Männer, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes als Prostituierte gearbeitet haben, eine Übergangsfrist für die Anmeldung bis zum Jahresende.

Demonstration in Berlin

Die bisher schwache Resonanz deutet daraufhin, dass die Befürchtungen von Verbänden und Beratungsstellen berechtigt sein könnten. Sie sehen in der Registrierung ein Zwangs-Outing, das viele vermeiden wollen, weil der Beruf stigmatisiert sei und sie ihn ohne Wissen ihrer Familien ausübten. In Berlin findet am Freitag erneut eine Demonstration gegen das Gesetz statt.

"Aus meiner Sicht bewahrheitet sich durch die Zahlen der kleinen Anfrage, dass das Prostituiertenschutzgesetz eben diesen Anspruch nicht einlöst", sagte die Grünen-Abgeordnete Paul. Es müsse stattdessen vor allem um die Stärkung der Rechte in der Sexarbeit gehen. NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) hält dem entgegen, dass wegen der noch laufenden Übergangsfrist aussagekräftigere Zahlen erst 2018 zu erwarten seien: "In welcher Form der Anmeldeprozess verläuft, muss nach einer gewissen Anlaufphase mit der nötigen Sorgfalt evaluiert werden."

Viel Kritik am Gesetz

Das Gesetz stieß von Anfang an auf Kritik. "Es geht an der Lebenswirklichkeit der Sexarbeiterinnen vorbei und wird als repressiv empfunden", sagte Astrid Gubb, Leiterin der vom Land mitfinanzierten Beratungsstelle Madonna. Anders als es der Name des Gesetzes vermuten lasse, biete es keinen Schutz, sondern Kontrolle durch den Staat, und es löse Ängste aus. So drohten Prostituierten, die sich nicht anmelden, vom kommenden Jahr an Geldstrafen. "Viele Frauen sagen uns, dass sie jetzt abtauchen wollen", sagte Gubb. Damit würden sie unter schwierigeren Bedingungen in schlechten Bordellen arbeiten.

Der Handlungsbedarf ist groß: Bei einer Anhörung zum Prostituiertenschutzgesetz hatten Experten die Lage insbesondere ausländischer Sexarbeiterinnen als katastrophal bezeichnet. Viele Frauen seien traumatisiert und auf Drogen angewiesen, um ihre Situation aushalten zu können. Mehrere Sachverständige hatten eine Verrohung unter Freiern festgestellt und sich erschüttert über die extremen Sexualpraktiken geäußert, die diese selbstverständlich einforderten.

Gerade aber die Gruppe der Migrantinnen, zu denen über 90 Prozent der Prostituierten zählen, werde durch das neue Gesetz nicht erreicht, meint Silvia Vorhauer von der Beratungsstelle Mitternachtsmission. Viele fürchteten, durch den Lichtbildausweis erpressbar zu werden, weil in den meisten Fällen die Familien von der Tätigkeit nichts wüssten. Menschenhändler könnten sich dies leicht zunutze machen.

Fehlen Anmeldestellen?

Dass sich bisher so wenige Prostituierte gemeldet haben, könnte aber auch noch einen anderen Grund haben. Einige Kommunen hätten die Anlaufstellen in den Behörden noch nicht so weit ausgebaut, dass Anmeldungen reibungslos möglich seien, sagte Oliver Schubert, stellvertretender Landesgeschäftsführer der Aidshilfe NRW. Zwar habe NRW mehrere Millionen Euro für die Umsetzung des Gesetzes in die Hand genommen, dabei aber die freien Beratungsstellen vergessen.

Die Landesregierung beziffert die Zahl derjenigen, die sich vergeblich um eine Anmeldung bemühten, hingegen lediglich auf 37. "Dies lag unter anderem daran, dass die technischen Voraussetzungen zum Ausdruck der Anmeldebescheinigungen noch nicht gegeben waren", hieß es in der Antwort der Gleichstellungsministerin.

(RP)
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