"Joseph ist nicht ertrunken." Neues Gutachten: Joseph aus Sebnitz Opfer von "Badetod"

Dresden (dpa). Der kleine Joseph aus Sebnitz ist laut dem dritten medizinischen Gutachten Opfer des so genannten Badetods geworden. Das sagte der Dresdner Staatsanwalt Claus Bogner am Mittwoch der dpa. Ein Ertränken des Sechsjährigen hätten die Gutachter ausgeschlossen.

"Der Badetod kann allein dadurch ausgelöst werden, dass jemand ins Wasser gerät", erläuterte Bogner und fügte hinzu: "Joseph ist nicht ertrunken." Dem Gutachten zufolge sei kein Wasser in Magen und Lunge festgestellt worden. Es habe auch keine Anzeichen für einen Kampf gegeben.

Den Badetod könnten auch gesunde Menschen erleiden, sagte Bogner weiter. Besonders anfällig seien jedoch Personen mit Herzerkrankungen. Die Gutachter hätten bei Joseph eine von außen nicht erkennbare degenerative Herzmuskelerkrankung festgestellt.

Der sechs Jahre alte Joseph war im Juni 1997 im Sebnitzer Freibad ums Leben gekommen. Im vergangenen November machte der Fall Schlagzeilen, weil Josephs Familie seinen Tod als eine Tat von Rechtsradikalen dargestellt hatte. Josephs Mutter und der aus dem Irak stammende Vater hatten nicht an einen Badeunfall geglaubt und eigene Untersuchungen angestellt.

Die von der Familie präsentierten Zeugen hatten sich später als unglaubwürdig herausgestellt und ihre angeblich Rechtsradikale belastenden Aussagen widerrufen. Drei zunächst der Tat verdächtigte Jugendliche wurden wenige Tage nach ihrer Festnahme wieder auf freien Fuß gesetzt.

Wie Bogner betonte, konnten die Gutachter in Josephs Körper auch keine Spuren des Psychopharmakons Ritalin feststellen. In einem vorherigen Gutachten war das nicht ausgeschlossen worden. Der Wirkstoff Methylphenidat-HCI, der in Ritalin enthalten ist, sei nicht gefunden worden. Nach Darstellung von Josephs Familie sollten Rechtsradikale dem Jungen vor seinem Tod das Mittel eingeflößt haben.

Das Gutachten sei außerhalb Sachsens erstellt worden, betonte Bogner. Den Namen des Instituts wollte er nicht nennen. Die neue Expertise sei auf der Grundlage von Gewebeproben erarbeitet worden, die auch den vorherigen Gutachtern in Gießen zur Verfügung standen. Das neue Gutachten werde der Familie jetzt über deren Rechtsanwalt zugestellt.

Ein erstes Gutachten war nach der Obduktion des Jungen von der Dresdner Uni-Klinik vorgelegt worden. Später hatte Josephs Familie das Gießener Institut für Rechtsmedizin nach der Exhumierung der Leiche mit einem zweiten Gutachten beauftragt. Bereits das Gießener Gutachten hatte angedeutet, dass der Junge an einer chronischen Herzmuskelentzündung gelitten habe.

Vor der Stellungnahme der Dresdner Staatsanwaltschaft hatte Josephs Mutter, Renate Kantelberg-Abdulla, am Vormittag der dpa gesagt, sie habe noch keine Kenntnis von den Ergebnissen des dritten Gutachtens. "Mein Sohn war kerngesund", sagte die Apothekerin. Dies habe auch die erste Obduktion ergeben.

Nach Veröffentlichung der ersten Medienberichte über den angeblichen Mord, bei dem Hunderte Badegäste weggeschaut haben sollten, sah sich die Stadt Sebnitz im Gästebuch ihrer Homepage einer regelrechten Hetzkampagne ausgesetzt.

Gegen die Eltern des toten Jungen laufen derzeit Ermittlungen wegen des Straftatbestands der Anstiftung zur falschen Verdächtigung. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten die Eltern für Zeugenaussagen auch Geld gezahlt. Sie werden voraussichtlich Anfang Februar vernommen.

(RPO Archiv)
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