Mordkommission in Dresden ermittelt Neonazis sollen Kind gequält und ertränkt haben

Dresden/Sebnitz (AP). Der Fall eines 1997 im Freibad ertrunkenen Sechsjährigen hat eine dramatische Wende genommen und ist wahrscheinlich ein ausländerfeindlich motiviertes Verbrechen. Nach neuen Zeugenaussagen sollen Neonazis den Sohn deutsch-iranischer Eltern im sächsischen Sebnitz in einer Menge von Badegästen mit einem Elektroschocker gequält und ertränkt haben. Wie der Dresdner Oberstaatsanwalt Claus Bogner am Donnerstag sagte, sind die Ermittlungen wieder aufgerollt worden. Unter Mordverdacht wurden zwei Männer und eine Frau im Alter von 20 bis 25 Jahren in den vergangenen zwei Tagen festgenommen.

Die Mordkommission Dresden ermittelt. Ein ausländerfeindlicher Hintergrund könne bei der Tat nicht ausgeschlossen werden, sagte Bogner. Die drei Festgenommenen stammen aus Sebnitz. Zwei von ihnen seien in Braunschweig verhaftet worden, sagte der Oberstaatsanwalt. Sie sind auf Grund eines Haftbefehls des Amtsgerichtes Dresden vom 22. November in Untersuchungshaft.

Das Verbrechen geschah am 13. Juni 1997. Eine Gruppe junger Neonazis sollen den sechsjährigen Joseph im Freibad geschlagen haben. Anschließend hätten sie dem Jungen eine Flüssigkeit eingeflößt und mit einem Elektroschocker gequält. Der Junge wurde dann offenbar zum Schwimmbecken gezerrt und ins Wasser geworfen. Danach seien die Täter gezielt auf den Körper des Kleinen gesprungen. Wenig später sei das Kind tot auf dem Boden des Schwimmbeckens gefunden worden, sagte Bogner.

Mutter hatte von Anfang an Verdacht

Die "Bild"-Zeitung berichtete, bei den Tatverdächtigen handele es sich um eine Gruppe von rund 50 Neonazis. Josephs Mutter, die für die SPD im Sebnitzer Stadtrat sitzt, sagte dem ARD-Magazin "Brisant", eine Kundin der Apotheke ihres Mannes habe ihm anvertraut, dass ihr Sohn Zeuge des Verbrechens gewesen sei. Dies habe der Sohn bei der polizeilichen Vernehmung bestätigt.

Die Staatsanwaltschaft Pirna hatte im Jahre 1998 das Verfahren mangels Anfangsverdachts eingestellt. Der Sprecher des Innenministeriums, Thomas Uslaub, sagte, dass geprüft werde, ob die Kriminalpolizei in Pirna nachlässig gearbeitet habe. Wenn sich das herausstellen sollte, werde es disziplinarische Maßnahmen geben.

Zum Zeitpunkt der Tat seien 300 Badegäste in dem Freibad gewesen, schrieb die "Bild"-Zeitung. Einige der mutmaßlichen Täter hätten Tätowierungen gehabt und Springerstiefel getragen.

Die Mutter des Opfers, Renate Kantelberg-Abdulla, sagte der AP, es sei seltsam gewesen, dass die Kriminalpolizei in Pirna ihre Aussagen gar nicht habe anhören wollen. Sie habe aber nicht lockergelassen, da sie den Verdacht gehabt habe, dass ihr Sohn durch eine Straftat getötet worden sei. Sie selbst habe zahlreiche Blutergüsse am Körper ihres getöteten Kindes entdeckt.

"Ich habe Zeugen gesucht und auch an das Bundesjustizministerium geschrieben", sagte die Mutter. Mittlerweile lägen ihr 15 eidesstaatliche Erklärungen von Personen vor, die gesehen hätten, dass es sich bei denjenigen, die ihren Sohn töteten, um Rechtsextremisten gehandelt habe. Daraufhin habe die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden den Fall neu aufgerollt.

Bogner wies darauf hin, dass alle Zeugen vernommen würden. Der Oberbürgermeister der Stadt Sebnitz, Mike Ruckh, sagte, dass man noch bis Mittwoch davon ausgegangen sei, dass es sich bei den Vorkommnissen im Jahre 1997 um einen ganz normalen Badeunfall gehandelt habe. "Wir sind bestürzt." Rechte Gewalt dürfe nicht akzeptiert werden.

Der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Hans Weller, zeigte sich erschüttert. "Wir verlangen rückhaltlose Aufklärung des Falles." Die PDS will über einen Berichtsantrag im Parlament die Staatsregierung dazu bringen, Stellungnahme zu dem Fall zu beziehen.

(RPO Archiv)
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