Martinshorn auf dem freien Markt Moskau unterbindet Blaulicht-Orgien

Moskau (rpo). So sind sie, die Russen: Wo bei uns ein dickes Auto als Statussymbol ausreichen mag, muss in Moskau noch ein Blaulicht drauf. Das daraus resultierende Verkehrschaos kann man sich ausmalen. Endlich handelt nun die russische Regierung und unterbindet die Blaulichtorgien auf Moskaus Straßen.

Blaulicht hat auf den Straßen der russischen Hauptstadt Moskau zweierlei Wirkung. Blinkt es auf dem Dach eines schwarz lackierten Luxuswagens mit dunkel verspiegelten Scheiben, werden Verkehrspolizisten plötzlich wach und schaffen dem vermeintlichen Privilegierten umgehend freie Bahn. Müht sich jedoch ein Feuerwehrfahrzeug oder ein Krankenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht und Sirene durch den Verkehr, wenden sich die Polizisten meist ab, während Moskaus rücksichtslose Autofahrer den Noteinsatz sogar noch behindern. Ohnehin sind auf den Straßen der russischen Hauptstadt blinkende Blaulichter und Sirenen-Konzerte allgegenwärtig, denn jeder, der etwas auf sich hält, legt sich entsprechende Anlagen auf einem der Märkte zu.

Das soll jetzt nach dem Willen der russischen Regierung anders werden, zumindest was die Zahl der offiziell zugelassenen Fahrzeuge - neben Polizei, Rettung und Feuerwehr - mit Blaulicht, Sirene und Spezial-Kennzeichen betrifft. Ab dem 1. April sind statt der bisher über 4000 Wagen mit "Migalki" (Blaulicht) nur noch 1200 genehmigt, wie Regierungschef Michail Kasjanow erklärte. "Die Verkehrssituation ist ohnehin angespannt genug", begründete er seine Entscheidung.

"Die Regierung schaltet die Blaulichter aus", begrüßte die Zeitung "Iswestija" die Maßnahme. "Auf den Spezialspuren im Zentrum der Stadt sieht Moskau ohnehin schon wie ein hell erleuchteter Weihnachtsbaum aus", kommentierte das Blatt die Blaulicht-Inflation. Der einfache Autofahrer kümmere sich kaum noch um die Lichtzeichen, meinte der stellvertretende Regierungssprecher Alexej Wolin.

Damit die neue Vorschrift nicht für einen Aprilscherz gehalten wird, wurde die zuständige Sonderkommission angewiesen, alle Blaulicht-Genehmigungen zurückzunehmen. Eine detaillierte Liste legt fest, wer künftig zu den "Privilegierten" gehört - von den Ministern über die Fraktionschefs im Parlament bis hin zu den Vorsitzenden der höheren Gerichte und deren Stellvertretern. Der Fuhrpark des russischen Präsidenten Wladimir Putin bleibt unberührt.

Um die "inoffiziellen Blaulicht-Fahrer" abzuschrecken, sieht die neue Regierungs-Anordnung für Verstöße Geldstrafen zwischen 200 und 600 Rubel (7,50 bis 22 Euro) samt Beschlagnahme der Anlagen vor. Dies dürfte jedoch kaum abschreckende Wirkung haben: die Besitzer dieser Fahrzeuge - meist "Noworusskije" (Neureiche Russen), "Bisnismeni" (Geschäftsleute) oder "normale" Angehörige der Unterwelt - pflegen "Probleme" mit der Verkehrspolizei ohnehin mit einer großzügigen Bargeld-Abfindung zu regeln. Für die chronisch unterbezahlte Polizei würde diese Anordnung lediglich eine bessere Verdienstmöglichkeit bieten.

(RPO Archiv)
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