Valkenburg Mein erster Weihnachtsmarkt in Holland

Valkenburg · Jedes Jahr besuchen Niederländer die deutschen Weihnachtsmärkte. Dabei haben sie sogar eigene. Unser Autor hat den berühmtesten besucht - und weiß jetzt, warum so viele lieber nach Düsseldorf oder Köln fahren.

Ich mag das Land, das wir am liebsten Holland nennen, für so viele Dinge. Die Stroopwafels. Die durch Mittelstreifen getrennten Fahrradwege. Das Bedürfnis, sogar Eier zu frittieren. So vieles mag ich an Holland, dass ich bis vor wenigen Tagen nicht wusste, was ich nicht mögen sollte.

Dann besuchte ich einen holländischen Weihnachtsmarkt.

Es ist den Nachbarn ein liebes Ritual geworden, jeden Samstag im Dezember in einen Reisebus zu klettern und die Innenstädte von Aachen, Düsseldorf und Köln zu besuchen. Vor allem die Weihnachtsmärkte verleiben sie vorübergehend dem Königreich ein. Stets wunderte ich mich: Haben die keine eigenen? Es wurde Zeit für einen Gegenbesuch. Am ersten Samstag im Dezember brach ich auf.

Die Zahl der niederländischen Weihnachtsmärkte ist übersichtlich. Doch eine Stadt im hügeligen Süden gibt sich in der Weihnachtszeit sogar einen zusätzlichen Namen: Kerststad Valkenburg - Weihnachtsstadt Valkenburg. 16.500 Einwohner. Ferienort vor den Toren Maastrichts.

Schon früh ahnte ich, dass der Tag auf eine Weise verlaufen sollte, die zwar dem Touristen nicht gefällt, sehr wohl aber dem Journalisten. Am Bahnhof sah mich ein gigantischer goldener Teddybär im roten Pullover mit toten Augen an. Es war halb eins, die Temperatur lag um den Gefrierpunkt, ich spazierte in die Weihnachtsstadt. Doch was ich sah, war ein öffentliches Stehpissoir aus Plastik mit vier Becken, in eines hatte jemand eine Bierflasche gestellt.

Ein paar Mal bog ich ab, dann stand ich vor ihm: meinem ersten holländischen Weihnachtsmarkt. Er trug den Namen Santa's Village. Ein paar Dutzend Leute, ein paar Dutzend Holzhütten. Ich drehte eine Runde. Handyschalen, Puzzles, Mützen, immer wieder Mützen, ein Riesenquietsche-Entchen mit Geweih, pelzige Schlüsselanhänger, französische Salamis, ein batteriebetriebenes Spielzeugauto, das auf einer Plastikstraße im Kreis fuhr, ein Fischstand, ein Waffelstand, eine Pommesbude ("Santa's Frites") und eine Glühweinbude. Die Holländer haben kein eigenes Wort für Glühwein. Musik war nur schwach zu vernehmen.

Noch glaubte ich daran, dass die Holländer in der Lage waren, einen anständigen Weihnachtsmarkt zu organisieren. Denn die beiden Höhepunkte, der Grund, warum dieser Ort weit über seine Grenzen hinaus bekannt war, lag noch vor mir. Ich verließ Santa's Village, ging durch eine Gasse von voll besetzten Cafés und Gaststätten. Dann sah ich etwas, das mich völlig umhaute: eine Warteschlange. Die Schlange war so lang, dass ein Mann den Wartenden Glühwein verkaufte. Auf seinem Pullover stand "Chef Frikandel".

Die Menschen standen an, weil sie in die Fluweelengrotte wollten, in der Jahrhunderte lang Steine abgebaut worden waren und die seit 20 Jahren Schauplatz eines Spektakels ist. Die Menschen zahlten sieben Euro Eintritt, um einen unterirdischen Weihnachtsmarkt zu besuchen. Durch den Höhlenausgang kamen Menschen mit gar nicht überglücklichen Gesichtern.

Es ging zwei Uhr entgegen, als ich die Grotte betrat und die holländische Version der Weihnachtselfe erblickte. Schaufensterpuppen sehr ähnliche Gestalten mit Stulpen und Weihnachtsbommelmützen und Flügeln in einem Birkenwald mit Fliegenpilzen. Danach kamen die Riesenbüstenhalter. Darauf wies ein riesiger Pappaufsteller hin, auf dem eine Frau einen Riesenbüstenhalter trug. Ich stellte mir vor, wie gleich reihenweise weihnachtlich gestimmte Frauen hier ausriefen: Juchheißa!

Ich folgte dem Gang und war schon froh, wenn ich einmal aus Holz geschnitzte Schachfiguren oder Schalen aus Olivenholz sah. Meist sah ich aber Schneide-Apparaturen für die Küche, Fußmatten fürs Auto, einen Infostand für Treppenrenovierungen, eine "ergonomische Lendenstütze", man konnte gleich probesitzen, Kerzen, deren Flamme mit Strom betrieben wurde. Als wäre ein Frachtschiff mit chinesischem Plastikschrott verunglückt. Ich hätte mir auch Enthaarungstechnik oder eine elektrische Zahnbürste kaufen können oder das batteriebetriebene Spielzeugauto, das endlos im Kreis fuhr. Zwischendurch saßen Leute an kleinen, runden Tischen und tranken Glühwein.

Eine Dreiviertelstunde später verließ ich die Höhle mit demselben Gesichtsausdruck wie alle vor mir und stellte mich sogleich in die nächste Schlange. Denn nicht erst vor 20 Jahren, sondern bereits 1986 hatten die Valkenburger ihren ersten Weihnachtsmarkt unter die Erde verlegt, in die Gemeentegrot, ebenfalls ein Stollen, eine Minute entfernt. Ein Deutscher sagte hoffnungsvoll zu seiner Frau: "In einer Stunde läuft das Parkticket ab."

Mit dem ersten puscheligen Schlüsselanhänger verlor ich jede Resthoffnung. Live-Schminken für Erwachsene (nach ägyptischer Art), E-Zigaretten, ein Eisbärenkopf aus Stoff zum An-Die-Wand-Hängen, bunt bemalte mexikanische Totenköpfe. Und diese Babypuppe, die einen Kinderanzug mit Preisschild trug, auf dem Kopf eine Weihnachtsmütze. Die Puppe schaute auf eine Art, dass ich dachte, sie würde nachts zum Leben erweckt und die Weihnachtsmänner essen.

Als ich wieder Tageslicht erblickte, war ich bloß von der Musik nicht genervt - mal wieder hatte ich sie kaum gehört. Auf dem Weg zum Bahnhof sah ich, dass im Plastikpissoir keine Bierflasche mehr stand. Immerhin.

In meiner Stadt ging ich noch über den Weihnachtsmarkt. Kein schöner Weihnachtsmarkt, bloß ein paar Hütten, eine Eislauffläche. Ich ging nicht gerade bequem über den Rindenmulch. Vor der Musik war kein Entkommen. Um die Glühweinbude drängten sich die Menschen. Mir wurde warm. Es hatte begonnen zu weihnachten.

(seda)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort