Bisher 12 Millionen Mark aufgewendet Marc Wallert: Regierung arbeitet an Freilassung

Göttingen/Berlin/Manila/Jolo (dpa). Nach der Heimkehr von Werner Wallert aus der Geiselhaft auf der süd-philippinischen Insel Jolo will die Bundesregierung nun alle Energien auf die Befreiung des Sohnes Marc Wallert konzentrieren.

Es müsse nun alles getan werden, um ihn und die anderen Entführungsopfer frei zu bekommen, sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer am Mittwoch vor dem Kabinett in Berlin. Für die Rückhol- Aktionen des Ehepaars Wallert hat die Bundesregierung nach inoffiziellen Angaben aus Regierungskreisen bislang zwölf Millionen Mark aufgewendet.

In Göttingen ist der 57-jährige Werner Wallert nach sechs Wochen erzwungener Trennung wieder mit seiner Frau Renate zusammengekommen. Das Paar hofft auf eine schnelle Freilassung des 27-jährigen Sohnes Marc. Werner und Renate Wallert halten sich an einem unbekannten Ort auf, wobei der Studiendirektor angekündigt hat, dass er möglichst schnell wieder am Theodor-Heuss-Gymnasium unterrichten wolle.

Auch die Vermittler in Manila hoffen ungeachtet der Entführung eines US-Bürgers durch Moslemrebellen auf die Insel Jolo auf ein baldiges Ende der Gefangenschaft von Marc Wallert und sechs weiteren Geiseln. Nach einem Treffen mit dem Anführer der Kidnapper, Galib Andang alias „Commander Robot“, sagte ein Abgesandter, die neue Geiselnahme verzögere nicht die Freilassung der anderen Entführten. „Es ist alles eine abgemachte Sache“, erklärte Mittelsmann Salim Jumaani.

Sichtlich erschöpft war Wallert um 22.08 Uhr einem Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes entstiegen und hatte sich kurz an die Journalisten gewandt: „Die große bittere Pille ist, dass mein Sohn Marc noch ausharren muss. Wir sind sehr zuversichtlich, dass er bald freikommt.“ Es könne keine Rede davon sein, dass er ein Familienmitglied im Stich gelassen habe. Vorher hätten die Geiseln untereinander vereinbart, wer „rausgehen kann, muss rausgehen“.

Bundesaußenminister Fischer sagte, die Freilassung von Werner Wallert und den anderen fünf westlichen Geiseln sei eine Bestätigung des geduldigen aber beharrlichen Vorgehens der Bundesregierung. Der Außenminister und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel (SPD), hatten dem Kabinett ausführlich über weitere Bemühungen und die aktuelle Lage berichtet.

Zöpel rechnet nun mit einer schnellen Freilassung von Marc Wallert. Sein Besuch in Libyen, um Vater Werner Wallert abzuholen, sei dazu genutzt worden, weitere Gespräche mit den Unterhändlern zu führen, betonte Zöpel am Mittwoch im Deutschlandfunk. Er gehe davon aus, dass diese schnell wieder auf die Insel Jolo zurückkehrten. Auch habe er keinen Grund, an der Wirksamkeit der bisher von Libyen eingesetzten Methoden zu zweifeln.

In der Gewalt der militanten Moslemgruppe Abu Sayyaf befinden sich neben Marc Wallert noch zwei Finnen, drei Franzosen und ein Philippiner. Bis auf zwei französische Fernsehreporter waren alle vor über vier Monaten von der malaysischen Taucherinsel Sipadan verschleppt worden.

Die philippinische Regierung kündigte derweil an, auch über das Schicksal des am Montag verschleppten 24 Jahre alten US-Amerikaners Jeffrey Schilling mit den Kidnappern verhandeln zu wollen. Die USA hatten zuvor direkte Verhandlungen mit den Entführern abgelehnt. „Wir verhandeln nicht mit Terroristen“, sagte ein Regierungssprecher.

Frankreich hat angekündigt, seine wegen zahlreicher terroristischer Attentate getrübten Beziehungen zu Libyen normalisieren zu wollen. Dies habe jedoch nichts mit der von Tripolis vermittelten Freilassung von drei französischen Geiseln auf den Philippinen zu tun, betonte der französische Außenminister Hubert Vedrine in Paris.

Der psychologische Kampf mit der durchgestandenen Geiselhaft ist anch Ansicht des Psychiaters Hinderk Emrich aus Hannover noch lange nicht vorbei. „Nach den Erkenntnissen aus der Trauma-Forschung ist auch Werner Wallert mit Sicherheit traumatisiert“, sagte er. „Der Kampf ist für ihn noch nicht zu Ende“.

(RPO Archiv)
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