Opfer können Behörde als Gangster-Unternehmen verklagen Los Angeles: Polizeiskandal erreicht ungeahnte Dimensionen

Los Angeles (dpa). Der schlimmste Polizeiskandal in der Geschichte von Los Angeles hat ungeahnte Dimensionen erreicht. Nachdem Polizeioffiziere im Problemdistrikt Rampart in der Nähe der Innenstadt jahrelang Gangmitglieder schwer misshandelten, ihnen Drogen und Waffen unterschoben und selbst mit Rauschgift gehandelt hatten, können Opfer das Los Angeles Police Department (LAPD) jetzt in einem einmaligen Vorgang als erpresserisches Gangster-Unternehmen verklagen - so urteilte ein Bundesrichter in einem am Dienstag in der "Los Angeles Times" veröffentlichten Urteil.

Ein Jahr, nachdem der Skandal ins Rollen kam, sind die finanziellen Folgen überhaupt noch nicht abzuschätzen. Die Staatsanwaltschaft von Los Angeles erwartet etwa 250 bis 275 Klagen von mutmaßlichen Opfern. Bisher war von Entschädigungssummen bis zu 100 Millionen Mark die Rede, die die Stadt insgesamt aufbringen muss. Wird aber das Bundesgesetz gegen erpresserische und kriminelle Organisationen (RICO) angewandt, könnten sich dieser Finanzrahmen verdreifachen.

Angefangen hatte alles vor zwei Jahren, als der frühere Polizist Rafael Perez verhaftet wurde - er hatte mehrere Kilo Kokain aus einem Polizeidepot gestohlen. Als Kronzeuge im Prozess vor einem Jahr packte Perez dann aus: Er und ein Kollege fesselten laut seiner Aussage in dem ärmlichen Rampart-Distrikt, in dem viele Immigranten aus Lateinamerika leben, ein 19 Jahre altes Gangmitglied mit Handschellen, schossen auf den wehrlosen Mann und schoben ihm eine Waffe unter. Der Mann, ein illegaler Einwanderer aus Honduras, war 1996 auf Grund der Falschaussage von Perez zu einer Haftstrafe von 23 Jahren verurteilt worden.

Seit dem Angriff im Rollstuhl

Erst drei Jahre später, nach dem Geständnis von Perez, kam der Mann aus der Haft frei - seit dem Angriff sitzt er im Rollstuhl. Ein extremer Fall, aber das skrupellose Vorgehen hatte Methode: Mehr als 50 Verurteilte sind seit Bekanntwerden des Skandals aus dem Gefängnis entlassen worden. Etwa 100 Gerichtsurteile, die auf offenbar falschen Aussagen von Polizisten beruhten, wurden aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft will weitere 3 000 Fälle überprüfen. Gegen 70 Rampart-Polizisten wird ermittelt, Dutzende sind aus dem Dienst entlassen oder suspendiert worden, drei Polizisten sitzen im Gefängnis, darunter auch der mutmaßliche Hauptkomplize von Perez.

Stephen Yagman, Anwalt von Dutzenden von Klägern, jubelt bereits: "Das LAPD ist eine kriminelle Organisation. Das können wir ohne jeden vernünftigen Zweifel beweisen." Ob die Polizei von Los Angeles tatsächlich als Verbrecherbande auf der Anklagebank landet, bleibt abzuwarten. Im Justizministerium gibt es unterdessen auch Überlegungen, eine Sammelklage gegen das LAPD anzustreben, und zwar mit der Begründung, dem Department lege in der Praxis ein "Muster von Verletzungen der Bürgerrechte" an den Tag.

Seit Jahren versucht die Polizei von Los Angeles, ihr Image als brutale, korrupte Schlägertruppe loszuwerden. Während des Wahlparteitages der Demokraten vor zwei Wochen in der Stadt gelang es den Ordnungshütern zumindest, die Demonstranten im Zaum zu halten und ohne größere Übergriffe ein Chaos zu verhindern. Doch bis das LAPD bei den eigenen Bürgern wieder Vertrauen genießt, werden noch Jahre vergehen - und zwar nicht nicht nur wegen der Brutalität, sondern vor allem wegen der Steuermittel, die wegen des Skandals vergeudet werden.

(RPO Archiv)
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