Zu unterschiedliche Geschichten Prozess gegen Boateng dauert länger als geplant

München · Zwei Verhandlungstage hatte das Landgericht München I für den Berufungsprozess gegen Jérôme Boateng angesetzt. Doch an Tag zwei ist klar: Das wird nicht reichen. Zu unterschiedlich sind die Geschichten.

Fotos aus dem Gericht: Jerome Boateng schweigt zu Prozessbeginn
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Jérôme Boateng schweigt zu Prozessbeginn

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Foto: dpa/Peter Kneffel

Zu Beginn der Verhandlung fragt Richter Andreas Forstner noch einmal vorsichtig nach: Ob Jérôme Boateng vielleicht noch einmal über seinen Vorschlag geschlafen und nachgedacht habe, will er wissen. „Nur geschlafen“, sagt sein Anwalt. Eine Einigung kommt für Boateng auch am zweiten Tag seines Prozesses wegen Körperverletzung nicht infrage.

Und so steigt das Landgericht München I am Freitag ein in die Details jener Karibiknacht im Juli 2018, über die es zwei Versionen gibt - mindestens. In einer dieser Versionen hat der Fußball-Weltmeister von 2014 seine damalige Freundin und Mutter seiner Zwillingsmädchen beleidigt, geschlagen und verletzt. Für diese Version wurde Boateng vom Amtsgericht in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt. In einer zweiten Version hat er seine damalige Freundin höchstens angeschrien.

„Komm schnell, Jérôme schlägt Sandra (Name geändert)“, will die Freundin der Ex-Partnerin, die die Familie in die Karibik begleitet hatte, gesagt haben. „Komm schnell, die beiden streiten sich“, will Boatengs Freund, den er mit in den Urlaub gebracht hat, gehört haben.

Von einer Attacke seines Kumpels auf dessen Freundin habe er nichts mitbekommen und er kenne ihn so lange, dass er sagen könne, ein solches Verhalten passe nicht zu ihm: „Ich kann's mir nicht vorstellen, dass er so was macht.“ Er habe lediglich mitbekommen, dass Boateng nach einem Kartenspiel „mit seinen langen Haxen“ an einen Tisch gestoßen sei und darum ein Windlicht zerbrach und dass er später heftig mit seiner Freundin stritt und die beiden sich gegenseitig anbrüllten.

In der Version, von der die Zeugin berichtet, zerbrach das Windlicht, weil Boateng es in die Richtung ihrer Freundin trat. Sie erzählt von „mehreren Faustschlägen“, mit denen der heute 34-Jährige die Mutter seiner Kinder traktiert haben soll, von heftigen Beleidigungen und davon, dass sie der Frau beistand. „Sie war komplett aufgelöst, hat geweint, hat gezittert am ganzen Körper.“ Sie habe ihr dann Schmerzmittel gegeben und ihr geholfen, das Auge zu kühlen.

Die Schilderung, die von Erinnerungslücken unterbrochen wird, deckt sich in Teilen durchaus mit der, die Boatengs Ex-Freundin vor Gericht auch geschildert hat.

Die Frau ist sichtlich nervös und aufgewühlt an diesem Tag und berichtet von einem Vorfall vor dem Gerichtsgebäude: Männer, die sich später als Mitarbeiter eines von Boateng engagierten Sicherheitsdienstes herausstellten, hätten sie beim Hereingehen gefilmt. Dadurch habe sie sich bedroht gefühlt. „Da hat man einfach Angst“, sagte sie - „dass man bedroht wird oder seine Familie bedroht wird“.

Die Staatsanwältin beantragt die Feststellung der Personalien mit der Begründung, es könne eine Straftat oder die Vorbereitung einer Straftat vorliegen. Wachtmeister stellten die Personalien daraufhin fest.

Boatengs Anwälte betonten nach der Feststellung der Personalien, dass ein „Sicherheitsdienst, der Herrn Boateng gestern auch schon betreut hat“, lediglich „das Umfeld eruiert“ habe, um „die Sicherheitslage Boatengs“ bewerten zu können. Es habe sich um eine reine „Objektabklärung“ gehandelt und die Zeugin sei nicht gezielt und auch nur von hinten gefilmt worden.

Boatengs langjähriger Freund, von dem sowohl das mutmaßliche Opfer als auch deren Freundin sagen, er sei bei dem Windlicht-Vorfall gar nicht dabei gewesen, weil er geschlafen habe, erzählt dagegen weitgehend die gleiche Version, die der Fußball-Star selbst in seinem ersten Prozess am Amtsgericht vor rund einem Jahr dargelegt hatte.

Die Vernehmung der beiden Urlaubsbegleitungen zieht sich hin am zweiten Prozesstag. So sehr, dass sich das Gericht spätestens zur Mittagspause von der Hoffnung, das Verfahren an zwei Tagen abzuschließen, endgültig verabschieden muss.

Es gibt aber noch etwas, das Richter Forstner hoffnungsvoll stimmt an diesem Tag. Manchmal gebe es doch Übereinstimmungen in den Zeugenaussagen, sagt er. Die Höhe des Windlichts hätten alle Zeugen gleich beschrieben.

(mzu/dpa)
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