Ihr Talk lebte von Gefühlen Oprah Winfrey sagt unter Tränen "goodbye"

Chicago (RP). Mit ihrer nachmittäglichen Talkshow ist die 57-Jährige zur Milliardärin, Präsidentenvertrauten und erfolgreichsten Medienfrau der USA geworden. An diesem Mittwoch plaudert sie letztmals nach mehr als 25 Jahren mit Prominenten.

Oprah Winfrey verlässt die TV-Bühne
8 Bilder

Oprah Winfrey verlässt die TV-Bühne

8 Bilder

Natürlich, bei Oprah Winfrey gibt es zum Abschluss Tränen, das ist sicher. Vor 13.000 Zuschauern in einer Arena, die vielen Millionen an den Bildschirmen nicht mitgerechnet, sagt Oprah Winfrey heute ihrer Talkshow "goodbye". Voller Emotionen, wie es zu so einem Abschied dazugehört, nur noch melodramatischer als bei Larry King, dem Altmeister der Zunft, der im Dezember seinen Hut nahm.

Ihr Talk lebte von Gefühlen — "eine Fernsehshow als Gruppentherapie", schrieb einmal das Magazin "Time". Bei Oprah gaben Filmstars und Popgrößen Geheimnisse preis, als wäre ihr Sofa ein Beichtstuhl und sie die Seelsorgerin. Der tragische Michael Jackson erzählte von Vitiligo, der Krankheit, die seiner Haut die Pigmente raubte. Whitney Houston sprach über Drogen, der Erfolgsautor James Frey über Memoirenfälschung. Dann die Glücksmomente. Tom Cruise hüpfte auf der Couch wie auf einem Trampolin, um kundzutun, wie verliebt er sei in Katie Holmes, die Schauspielerin.

Prinzip schonungslos

Was die Oprah-Winfrey-Show vom Talk-Rauschen der Konkurrenz unterschied, war die schonungslose Offenheit, mit der die Gastgeberin eigene Probleme, eigene Erlebnisse zur Sprache brachte. Im Premierenjahr 1986 saß Laurie im Studio, eine Frau, die als Kind von ihrem Vater sexuell missbraucht worden war. Lauries Geschichte sei auch ihre Geschichte, ließ die Winfrey ihr verblüfftes Publikum wissen. Mit neun sei sie zum ersten Mal vergewaltigt worden von einem 19-jährigen Cousin. Der Enthüllung folgten Lobeshymnen auf ihre Ehrlichkeit, es war der Durchbruch zum Ruhm.

Zu wenig Information, zu viel Seichtes, zu viel Vermarktung, bemängelten die Kritiker. Das Hochglanzmagazin "Vanity Fair" dagegen attestierte ihr einen "größeren Einfluss auf die Kultur, als jeder Uni-Rektor sie hat, jeder Politiker, jeder Geistliche — vielleicht mit Ausnahme des Papstes".

Oprah Winfrey ist ein Milliarden-Unternehmen

Allein Oprahs Biografie, stand sie nicht symbolisch für den Wandel Amerikas? Geboren wurde Oprah Gail Winfrey 1954 im tiefen Süden, in Mississippi, dem rassistischsten aller Bundesstaaten. Ihre Teenager-Eltern trennen sich, bevor sie zur Welt kommt. Sie ist vier, da zieht ihre Mutter ohne sie in den Norden, nach Milwaukee. Oprah bleibt bei der Großmutter, die sie durch Prügel bestraft. Später folgt sie ihrer Mutter nach Milwaukee, rennt in der Pubertät von zu Hause weg und lebt auf der Straße, bevor sie zu ihrem Vater, einem Friseur, nach Nashville geht. Mit 14 wird sie schwanger, das Baby, eine Frühgeburt, stirbt kurz nach der Entbindung. Sie rappelt sich auf, studiert und moderiert bei einem Radiosender. Auf Nashville folgt das Frühstücksfernsehen in Baltimore, auf Baltimore folgt Chicago, wo sie einen seriöseren, steiferen Konkurrenten namens Phil Donahue rasch vom Spitzenplatz verdrängt.

Heute wird ihr Privatvermögen auf 2,7 Milliarden Dollar geschätzt. Die "Queen of Talk" gibt eine eigene Zeitschrift heraus, empfiehlt oder verdammt Abmagerungskuren, und preist sie in ihrem Buchclub eine Neuerscheinung an, kann die aus dem Nichts den Sprung auf die Bestsellerlisten schaffen. Aus tiefstem Elend zur reichsten Schwarzen der USA, es ist eine Erfolgsstory, wie Amerikaner sie zu feiern wissen.

Der Abschied ist kein Ende

Das allein ist nicht das Phänomen. Das Phänomen Oprah erklärt sich vielmehr daraus, dass es einer Afroamerikanerin gelang, die weiße Mittelschicht für sich einzunehmen, speziell die Hausfrauen. Als Michelle Obama in der Hitze des Wahlduells 2008 mangelnder Patriotismus unterstellt wurde, war es Oprah, die "Middle America" vom Gegenteil überzeugte.

Und nun? Der Mühle täglicher Auftritte überdrüssig, will die 57-Jährige kürzertreten, sich nur noch ihrem eigenen Sender widmen. OWN, gegründet im Januar, durchläuft eine Krise, die Einschaltquoten sind schlecht, zwei Topleute wurden bereits entlassen. Ziemlich bald, auch das scheint sicher, wird Oprah Winfrey wieder im Talkshow-Studio sitzen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort