Zum Tod von John McAfee Software-Pionier, Lebemann, Verbrecher

Washington · Der Software-Entwickler John McAfee schafft ein Programm, mit dem er Computerviren bekämpft - damit wird er reich, doch bis zum Lebensende soll das nicht ausreichen. Nun ist er überraschend im Gefängnis verstorben.

 John McAfee verkündet seine Präsidentschaftskandidatur (Archivbild 2015).

John McAfee verkündet seine Präsidentschaftskandidatur (Archivbild 2015).

Foto: AP/Todd J. Van Emst

Es ist erst ein paar Jahre her, da strebte John McAfee nach dem höchsten Staatsamt seines Landes. Echte Hoffnungen dürfte er sich nicht gemacht haben, als er seine Bewerbung fürs Weiße Haus verkündete. Eher war es der Versuch eines Mannes, der sich in Szene zu setzen wusste, noch einmal für Aufsehen zu sorgen. Erst kündigte er an, für die seinerzeit neu gegründete Cyber-Partei ins Rennen zu gehen. Dann wechselte er zu den Libertären, in deren Augen staatliches Wirken bis auf wenige Ausnahmen die Rechte des Einzelnen auf inakzeptable Weise einschränkt. Die Libertarian Party hat damals, im Wahljahr 2016, letztlich andere Spitzenleute erkoren. Doch McAfee bekam nicht nur seine sprichwörtlichen fünf Minuten des Ruhms, sondern auch eine Bühne, auf der er sein Programm skizzieren konnte.

In einem Interview mit dem Talkshow-Moderator Larry King sprach er von der persönlichen Freiheit und vom Schutz der Privatsphäre. Beides stehe bei ihm an erster Stelle, „das habe ich gelernt, nachdem ich mehrfach eingesperrt war“. „Ich bin eine Person des zivilen Ungehorsams.“ Am Mittwoch wurde er tot in einem Gefängnis in der Nähe von Barcelona aufgefunden. Die Lokalbehörden gehen von Suizid aus. Kurz zuvor hatte ein spanisches Gericht die Auslieferung des Software-Pioniers an die USA angeordnet, wo den 75-Jährigen ein Gerichtsprozess wegen Steuerhinterziehung erwartete.

McAfee, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf einem Militärstützpunkt in Großbritannien geboren, wuchs in Roanoke auf, einer mittelgroßen Stadt in Virginia. Der alkoholsüchtige Vater, der ihn immer wieder verprügelt, nimmt sich das Leben, als der Heranwachsende 15 Jahre alt ist. McAfee studiert Mathematik und wird Programmierer. 1987 entdeckt er, formell noch beim Luft- und Raumfahrtkonzern Lockheed angestellt, den aus Pakistan stammenden Computervirus „Brain“. In seinem Haus im kalifornischen Santa Clara habe er innerhalb von nur anderthalb Tagen ein Programm geschrieben, das den Schädling entfernte, wird er später erzählen. „Brain“ habe ihn an die Art denken lassen, wie sein Vater ihn plötzlich, aus einer Laune heraus, attackierte.

Die Software wird zum Renner, McAfee verdient viel Geld mit Lizenzgebühren, die er von Unternehmen kassiert, die sie verwenden. 1994 zieht er sich aus der von ihm geschaffenen Firma zurück. Die wird 2010 für 7,7 Milliarden Dollar an den Chip-Hersteller Intel verkauft, während McAfee zu der Zeit den größten Teil seines Vermögens eingebüßt hat.

Als die Immobilienpreisblase platzt und die Finanzkrise die Aktienkurse einbrechen lässt, gehört er, nachdem er zuvor im Südwesten der USA stattliche Anwesen erworben hatte, zu den großen Verlierern. Von einstmals 100 Millionen Dollar sind Medienberichten zufolge nur noch vier Millionen übrig. Der zum Exzentrischen neigende Lebemann siedelt sich in Belize an, wo er auf einer Insel vor der Küste des kleinen Karibikstaats wilde Partys feiert. 2012 flieht er aus dem Steuerparadies: Ein Nachbar wird erschossen, er gerät unter Verdacht, angeklagt wird er allerdings nie. McAfee kehrt zurück in die Vereinigten Staaten, versucht mit einer Kandidatur fürs Oval Office sein Renommee aufzupolieren, 2019 sucht er erneut das Weite.

„Ich habe acht Jahre lang keine Steuern gezahlt. Ich werde auch keine Steuern mehr zahlen, denn das verstößt gegen die Verfassung und ist rechtswidrig“, sagt er der französischen Nachrichtenagentur AFP. Bald darauf wird er mit internationalem Haftbefehl gesucht. Im vergangenen Oktober kommt er in Spanien hinter Gitter, im Dezember stellt das Justizministerium in Washington einen Auslieferungsantrag. Der Flüchtige, heißt es darin, habe Millionen verdient, ohne Steuern zu zahlen, indem er für Kryptowährungen warb, Beraterdienste leistete und die Rechte an seiner Lebensstory an einen Filmproduzenten verkaufte. Als sich McAfee dagegen wehrt, bringt er sein Alter ins Spiel: Angesichts seiner 75 Jahre sei so gut wie sicher, dass er den Rest seines Lebens in einem Gefängnis verbringen müsse. Vorige Woche war das, kurz vor dem Richterspruch.

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