Zum Tod von Michail Gorbatschow Der letzte sowjetische Staatschef - ein Jahrhundertleben in Zitaten
Am 30. August 2022 starb der letzte sowjetische Staatschef und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow im Alter von 91 Jahren. In einer Bildergalerie zeigen wir Zitate von ihm und über ihn, die sein Werden und Wirken veranschaulichen. (Textquelle: KNA)
„Die erste Begegnung mit der U-Bahn war interessant und komisch, weil ich zunächst nicht wusste, wie ich auf diese Treppe treten sollte, ohne hinzufallen.“
Michail Gorbatschow in seiner Autobiografie „Alles zu seiner Zeit“ über seine Ankunft in Moskau, wo er 1950 sein Studium begann. Der damals 19-Jährige hatte bis dahin laut eigenem Bekunden noch nie seine Heimatregion verlassen. (Archivfoto, 1986)
„Das alles war sehr prosaisch. Nicht so, wie es heute in den Palästen der Eheschließungen üblich ist. Aber es hat nicht ein einziges Jahr gegeben, in dem wir diesen Tag nicht gefeiert hätten.“
Gorbatschow erinnert sich in seiner Autobiografie an seine Hochzeit mit Raissa Titarenko am 25. September 1953. Bis zu Raissas Tod 1999 blieben die beiden ein Paar. (Archivfoto, 1989)
„Keine Repressalien oder Verfolgungen können jedoch den Willen eines Kommunisten brechen, der mit seinem Volk verbunden ist, der auf den Positionen des proletarischen Internationalismus steht und sich auf die großen Lehren von Marx, Engels und Lenin stützt.“
Aus Gorbatschows erster Rede in der Bundesrepublik Deutschland - am 7. Mai 1975 bei einer Veranstaltung der Deutschen Kommunistischen Partei in Nürnberg. (Archivfoto, 2008)
„Ich begann über die Perestroika zu sprechen, auch über die Diskussionen darüber in der sowjetischen Führung. Ich sagte, dass dort, wo wir zu spät gekommen sind, wir auch verloren haben. Deshalb: Wer zu spät kommt, der verliert.“
Gorbatschow zur Genese des angeblich von ihm stammenden Zitats „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Die Äußerungen fielen bei einem Empfang am 7. Oktober 1989 in Ostberlin zum 40-jährigen Bestehen der DDR. Obwohl eigentlich auf die Lage der Sowjetunion bezogen, deuteten viele Zeitgenossen Gorbatschows Aussagen als Vorwegnahme des Zusammenbruchs der SED-Regierung von Erich Honecker. (Archivfoto, 7. Oktober 1989)
„Die Gesellschaft hat die Freiheit bekommen, wurde aus dem politischen und geistigen Joch herausgeführt. Das ist die allerwichtigste Errungenschaft.“
Gorbatschow in seiner Abschiedsrede als sowjetischer Präsident am 25. Dezember 1991. Die Sowjetunion war Geschichte. (Archivfoto, 1991)
„Ich verspüre keine Nostalgie, wenn es um den Kalten Krieg geht - und wünsche niemandem, dass diese Zeiten zurückkehren.“
Gorbatschow in einem „Spiegel“-Interview im November 2019 (Archivfoto, 2018)
„Das 21. Jahrhundert wird ein Jahrhundert der totalen Krise oder der moralischen und spirituellen Heilung sein, die die Menschheit neu beleben wird. Ich bin der Überzeugung, dass wir alle - alle vernünftigen politischen Führer, alle spirituellen und ideologischen Bewegungen, alle Glaubensrichtungen - bei diesem Übergang zu einem Triumph des Humanismus und der Gerechtigkeit helfen müssen, um das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert einer neuen menschlichen Renaissance zu machen.“
Gorbatschow auf der Homepage seiner Stiftung zu sozioökonomischen und politischen Studien
Zitate von Weggefährten, Freunden und Politiker über Gorbatschow
„Eigentlich müssten wir uns jetzt besaufen.“
Bundeskanzler Helmut Kohl zu Außenminister Hans-Dietrich Genscher kurz vor Auftakt einer Pressekonferenz in Moskau; die Mikrofone waren bereits offen. Am späten Abend des 10. Februar 1990 hatte der Kanzler eine Sensation zu verkünden. Gorbatschow und er, so Kohl, „stimmen darin überein, dass es das alleinige Recht des deutschen Volkes ist, die Entscheidung zu treffen, ob es in einem Staat zusammenleben will“. (Archivfoto, 1990)
„Er konnte gut singen und Balalaika spielen.“
Jugendfreund Iwan Budjakow über die gemeinsame Kindheit und Jugend in Priwolnoje, Gorbatschows Geburtsort. (Archivfoto, 1999)
„Perestroika bedeutet vor allem eines: wie man aus diesem System aussteigen kann.“
Papst Johannes Paul II. (Foto) im Gespräch mit dem polnisch-italienischen Journalisten Jas Gawronski im Oktober 1988. Das Interview wurde erst 2005 von der Zeitung „La Stampa“ veröffentlicht. (Archivfoto, 1989)
„Seit 1918, als Woodrow Wilson sein 14-Punkte-Programm verkündete, und 1941, als Franklin Roosevelt und Winston Churchill ihre Atlantik-Charta darlegten, zeigte wohl keine weltpolitische Persönlichkeit eine solche Weitsicht wie Michail Gorbatschow.“ (Archivfoto, 2003)
Die „New York Times“ kommentiert Gorbatschows umjubelte Rede vor der UNO-Vollversammlung im Dezember 1988. Darin kündigte er weitreichende Abrüstungsinitiativen an, warnte vor den Folgen der Umweltverschmutzung und warb für eine Entideologisierung der internationalen Beziehungen.
„Die Vereinigten Staaten befürworten eindeutig die Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands in der Nato; falls es sich anders entscheidet, so werden wir das jedoch nicht anfechten, wir werden es respektieren.“
Vorschlag von US-Präsident George Bush senior (Foto) beim US-amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffen am 31. Mai 1990 in Washington. Gorbatschow willigt überraschend ein. Damit ist eine Schlüsselfrage auf dem Weg zur Deutschen Einheit gelöst. (Archivfoto, 2012)
„Er ist ein moderner kommunistischer Führer, der sich auf Public Relations versteht. Goebbels, einer von jenen, die für die Verbrechen der Hitler-Ära verantwortlich waren, war auch ein Experte für Public Relations.“
Der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl am 15. Oktober 1986 in einem Interview des US-Magazins „Newsweek“ über Gorbatschow. (Archivfoto, 2005)
„Es ist für uns eine unantastbare Wahrheit, dass jeder einzelne Mensch ein einzigartiges Geschöpf Gottes ist, ausgestattet mit seinen oder ihren besonderen Begabungen, Hoffnungen und Träumen.“
Zum ersten Mal richtete sich mit Ronald Reagan ein US-Präsident per TV-Neujahrsansprache am 1. Januar 1986 an die sowjetische Bevölkerung; Gorbatschow tat dasselbe im US-Fernsehen. (Archivfoto, 1986)
„Mit Jelzin wird man nur Unheil ernten.“
Gorbatschows politischer Vertrauter Nikolaj Ryschkow kommentiert dessen Überlegungen nach dem Amtsantritt, Boris Jelzin nach Moskau zu holen. Jelzin sollte wenig später Gorbatschows erbittertster Widersacher werden. (Archivfoto, 1991)