Sozialverband: "Größte humane Katastrophe" Mangelversorgung: Tausende sterben in deutschen Heimen

Berlin/Essen (rpo). Von Besorgnis erregenden Zuständen in deutschen Pflegeheimen berichtet der Sozialverband Deutschland (SoVD). Tausende von alten Menschen fänden den Tod auf Grund von Druckgeschwüren und Ernährungsmangel. Ein Qualitätsgutachten der Pflegeheime will der Medizinische Dienst noch in diesem Jahr erstellen.

 <P>Mediziner schlagen Alarm: Viele Senioren sterben in Heimen oder Krankenhäusern, weil sie nicht ausreichend ernährt werden.

<P>Mediziner schlagen Alarm: Viele Senioren sterben in Heimen oder Krankenhäusern, weil sie nicht ausreichend ernährt werden.

Foto: AP

Nach Angaben der SoVD-Pflegeexpertin Gabriele Hesseken handelt es sich "um die größte soziale und humane Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg". Jährlich würden allein 10.000 Heimbewohner an Druckgeschwüren vom falschen Liegen sterben. Dies wurde von den Krankenkassen am Freitag angezweifelt. "Ich will nichts beschönigen, aber die Zahl erscheint mir extrem hoch", sagte Jürgen Brüggemann vom Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) in Essen.

Der SoVD (ehemals Reichsbund) stützt sich bei seiner Schätzung auf eine Studie des Rechtsmedizinischen Instituts der Universität Hamburg von 1999 sowie Untersuchungen eines Rechtsmediziners der Medizinischen Hochschule Hannover von 2002. Es sei davon auszugehen, "dass sich die Situation keineswegs durchgreifend verbessert hat", erklärte Hesseken in Berlin. Ein Sprecher der Medizinischen Hochschule Hannover sagte auf Anfrage, die Untersuchung sei eine private Erhebung gewesen und "noch nicht wissenschaftlich ausgewertet". Von daher könne die Hochschule die Zahlen nicht bestätigen.

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen will noch in diesem Jahr erstmals einen Bericht über die Qualitätsprüfungen in Heimen vorlegen. Bereits im Sommer 2003 hatte der MDS über erhebliche Ernährungsmängel bei zahlreichen Heimbewohnern berichtet. Auch mit Druckgeschwüren gebe es Probleme, bestätigte Brüggemann, ebenso bei Inkontinenz und Altersverwirrtheit. In den Heimen fehle es oft an klaren Zuständigkeiten für die Gesundheitskontrolle der einzelnen Heimbewohner oder häufig beispielsweise auch schlicht an einer ausreichenden Zahl von Waagen. Der SoVD forderte schärfere Kontrollen. "Die Gesellschaft darf sich nicht mit der überaus bedenklichen Situation pflegebedürftiger Menschen in Deutschland abfinden."

(afp)
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