Wundersame Auftritte eines Stars Wie sich Johnny allmählich zum Depp macht

Tokio · Bis zu seinem Blockbuster-Durchbruch mit der "Fluch der Karibik"-Reihe war Johnny Depp (51) ein Antistar. Genau das machte seinen Reiz aus. Inzwischen ist er zu einer verkleideten Witzfigur verkommen. Auch sein neuer Film ist ein schmerzhafter Flop.

Johnny Depp: Wie sich Johnny allmählich zum Depp macht
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Die Fans in Tokio warteten vergeblich. Der Superstar aus Amerika, der gekommen war, um seinen neuen Film "Mortdecai" vorzustellen, ließ sich kurzfristig entschuldigen. Angeblich sei ihm nicht gut, doch das glaubten nur die besonders Gutmeinenden. Dass eine andere Vermutung im Raum lag, hat sich Johnny Depp selbst eingebrockt. Zu oft war er in den vergangenen Wochen sturzbetrunken über rote Teppiche gestolpert oder hatte Unverständliches in Mikrofone gelallt. Der einstige "Sexiest Man Alive" und Topverdiener Hollywoods befindet sich derzeit in einer ganz schlechten Phase.

Dass er Drogen und besonders Alkohol nicht ganz abgeneigt ist ("Es beruhigt mich"), ist schon lange bekannt, aber so derangiert wie in jüngster Zeit hat sich der zweifache Vater bislang nicht gezeigt. Im Jahr 2012 hat er sich nach 14 Jahren Beziehung von der französischen Schauspielerin Vanessa Paradis getrennt, der Mutter seiner Tochter Lily-Rose (15) und seines Sohnes Jack (12). Die Familie lebte lange auf einem abgelegenen Anwesen in Frankreich. Inzwischen ist er mit der 28-jährigen Kollegin Amber Heard verlobt und zieht durch die Clubs von Los Angeles. Das wiederentdeckte Partyleben bekommt dem 51-Jährigen nicht, aber das ist nur eines seiner Probleme.

Depp, der in den vergangenen Jahren mindestens 70 Millionen Euro pro Jahr verdiente und bei einer Gage von unter 20 Millionen Euro nicht mal eine Augenbraue hebt, entwickelt sich langsam aber sicher zum Kassengift. Seit dem Monumental-Flop "Lone Ranger" (2013), einer von Disney+ produzierten Western-Komödie, die gerade eben die Kosten von 250 Millionen Euro wieder einspielte, gehen seine Filme reihenweise unter. Der SciFi-Thriller "Transcendence" verschwand schnell wieder aus den Kinos, und Depps neuem Film, der Gaunerkomödie "Mortdecai", dürfte es ähnlich ergehen. Die Kritiken sind verheerend, und an seinem ersten Wochenende spielte der 60-Millionen-Dollar-Streifen gerade mal 9,3 Millionen ein.

Große Karriere trotz eigenwilliger Rollen

Zusammen mit Depps alkoholbedingten Stammelauftritten ("Ich äh...... freue mich......äh.....äh......hier zu sein") ergibt sich ein trauriges Bild von einem Mann, der es schaffte, trotz eigensinniger Rollenauswahl eine große Hollywood-Karriere hinzulegen. Die Schauspielerei hatte ihn lange kaum interessiert, seine ersten Jobs nahm er an, um seine Band zu finanzieren. Doch spätestens seit seinem Auftritt im Antikriegsfilm "Platoon" (1986), der zu seinem Ärger weitgehend der Schere zum Opfer fiel, hatte er das künstlerische Potenzial dieses Berufs erkannt. "Ich wollte etwas erschaffen", sagte er damals. Depp ging es nicht um Blitzlichtgewitter und Publicity, es ging ihm darum, sich selbst zu entdecken, seine Grenzen auszuloten.

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Berühmt wurde er dann aber doch mit klassischer Mainstream-Ware, der Teenie-Krimiserie "21 Jump Street", in der er von 1987 bis 1990 einen smarten Undercover-Polizisten verkörperte. Der sanfte Typ mit den hohen Wangenknochen und dem leicht melancholischen Blick verdrehte Mädchen rund um die Welt den Kopf, seine rebellische Aura hob ihn ab von all den hübschen Posterboys in Hollywood. Regelrecht angewidert schmiss er die Rolle schließlich und gierte nach abseitigen Geschichten, nach kantigen Drehbüchern. Er wählte den eindeutig schwierigeren Weg. Die Angebote für romantische Komödien dürften sich gestapelt haben, für sichere Erfolge an der Kinokasse dank zahlender weiblicher Kundschaft.

Doch Depp interessierten die Sonderlinge, die Außenseiter. Bis zu seinem 15. Lebensjahr war er bis zu 20 Mal umgezogen, seine Eltern verstanden sich nicht, er hatte sich oft überflüssig gefühlt. Sein erster großer Kinohit war das Porträt eines Ausgestoßenen, der sich erst mühsam das Vertrauen seiner Mitmenschen erkämpfen muss, "Edward mit den Scherenhänden" (1990). Es war die erste Zusammenarbeit mit dem ebenfalls an abseitigen Stoffen interessierten Regisseur Tim Burton, acht weitere sollten folgen.

Ihn umgab etwas Stures

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Obwohl Depp sein Publikum durchaus forderte mit Filmen wie der Tragikomödie "Benny und Joon" (1993), der psychedelischen Drogen-Farce "Fear And Loathing in Las Vegas" (1998), der blutigen Horror-Komödie "Sleepy Hollow" (1999) oder dem einfühlsamen Biopic "Blow" (2001), folgten ihm Millionen von Zuschauern und machten ihn zu einem der größten Stars seiner Generation. Ihn umgab etwas Geheimnisvolles, fast Stures. Er hatte kein Blingbling-Lächeln wie Tom Cruise oder Brad Pitt, er war ein Antistar. Auf roten Teppichen erschien er gern mit fettiger Zauselfrisur und Kippe im Mund. Er war einer, der ausstrahlte: Ich mache all das hier für mich, guckt es an, oder lasst es.

Vom Super- zum Megastar wurde er 2003 dank der Piratensause "Fluch der Karibik", in der er genial linkisch den dauerbeschwippsten Captain Jack Sparrow verkörperte. Depp erhielt eine Oscar-Nominierung als bester Hauptdarsteller und stieg zum Großverdiener Hollywoods auf. Weil die "Karibik"-Produzenten nur noch mit Dollarzeichen in den Augen herumliefen angesichts des globalen Hypes um den Film, gab es inzwischen drei Fortsetzungen. Finanziell haben sie sich gelohnt, künstlerisch eher nicht.

Johnny Depp, der sich selbst nie als Vorturner des kommerziellen Hollywoods sah und sehen wollte, war nun genau das. Der Mann mit der lustigen Verkleidung, der immer etwas schräg guckt. Sei es aus Bequemlichkeit oder Geldgier, Depp richtete ich in dieser Nische ein. In "Alice im Wunderland" (2010) gab er den verrückten Hutmacher (lustige Verkleidung, schräger Blick), in "Lone Ranger" gab er einen Indianer (lustige Verkleidung, schräger Blick), in seinem neuen Film "Mortdecai" gibt er einen Gauner (lustiger Zwirbelbart, schräger Blick). Wenn er zwischendurch dann doch mal "normale" Charaktere spielte, stimmte die Kasse nicht, siehe "The Tourist" (2010) oder "Transcendence".

In einer mehr als 30 Jahre währenden Filmkarriere kann es mal ein paar Knicke geben. Depp ist noch jung genug, um sich aus diesem Karrieretief herauszuarbeiten. Dazu würde es allerdings helfen, häufiger mal nüchtern zu sein. Und endlich die angefilzten Kostüme abzulegen. Der Antistar stand ihm eindeutig besser.

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