"Parallelgesellschaften" auf Platz zwei "Hartz IV" ist Wort des Jahres 2004

Wiesbaden (rpo). Das "Wort des Jahres" 2004 heißt "Hartz IV". Das gab die Gesellschaft für deutsche Sprache am Freitag in Wiesbaden bekannt. Ganz oben mit dabei: "Parallelgesellschaften" und "Pisa-gebeutelte Nation".

"Es gab kaum einen Begriff, der so oft gebraucht wurde, zumindest in der Politik", sagte Rudolf Hoberg, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), am Freitag in Wiesbaden zum neuen Wort des Jahres. Eine neunköpfige Jury der Gesellschaft hatte das Schlagwort für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe aus insgesamt 3.500 Vorschlägen ausgewählt.

"Auch wer nicht weiß, wer Herr Hartz ist, hat eine Vorstellung davon, was Hartz IV bedeutet", sagte Hoberg. Der Ausdruck Hartz IV werde zweifellos auch in mehreren Jahren noch Teil des Sprachgebrauchs sein. Sprachlich betrachtet sei der Begriff zudem interessant, da im Deutschen nur selten ein Eigenname zu einem Hauptwort werde. Die nach dem Konzept des VW-Managers Peter Hartz benannte Reform tritt zum 1. Januar 2005 in Kraft.

Auf Platz zwei der Wörter des Jahres kam "Parallelgesellschaften" (richtig), in Anlehnung an die Diskussion um die Integration von zumeist muslimischen Ausländern. An dritter Stelle folgte "PISA-gebeutelte Nation", ein sprachlicher Reflex auf das schlechte Abschneiden Deutschlands bei den Bildungstests PISA I und PISA II.

Auf Platz vier setzten die Juroren die Wendung "gefühlte Armut", ein Ausdruck, der die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Wohlstand breiter Kreise und dem subjektiven Empfinden beschreibt. An fünfter Stelle folgte der Begriff "Ekelfernsehen", ein von den Medien geprägter Begriff für neue TV-Formate wie die umstrittene Dschungel-Show.

Die nachfolgenden Jahreswörter sind "Praxisgebühr" (Platz sechs), "Ein-Euro-Job" (Platz sieben), "aufgestellt" (Platz acht), "Rehakles" (Platz neun) sowie die Wendung "...& mehr" (Platz zehn).

"Klassisch-heroisch klingende Wortschöpfung"

"Praxisgebühr" und "Ein-Euro-Job" verweisen auf die Reformen im Gesundheitswesen und auf dem Arbeitsmarkt. Aber auch in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens stünden Veränderungen an, erklärt Lutz Kuntzsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter der GfdS. Diese führten dazu, dass man sich in Politik und Wirtschaft als neu "aufgestellt" präsentiere.

"Rehakles" lobten die Wiesbadener Sprachhüter als "klassisch-heroisch klingende Wortschöpfung". Der Begriff "Rehakles", der an den antiken Helden Herakles erinnert, wurde von Journalisten als Spitzname für Otto Rehhagel ersonnen, der als Trainer die griechische Nationalelf bei der Europameisterschaft 2004 überraschend zum Titelgewinn führte.

Die Wendung "...& mehr" stammt dagegen aus der Werbesprache. In Analogie zum englischen "miles & more" tauchten in jüngster Zeit auch im Deutschen immer wieder Formulierungen auf wie "Computer & mehr" oder "Erholung & mehr", erklärte die Gesellschaft für deutsche Sprache.

Ein Wort müsse nicht neu sein, um zum Wort des Jahres gekürt zu werden, sagte GfdS-Chef Hoberg. Die Sprachgesellschaft beobachte vielmehr ein Jahr lang die deutschsprachige Presse und wähle diejenigen Begriffe als Kandidaten aus, die den Sprachgebrauch eines Jahres geprägt hätten. Rund 500 Wörter seien der GfdS zudem von interessierten Bürgern oder Mitgliedern der Sprachgesellschaft zugesandt worden: "Das hat mit Wissenschaft nichts zu tun", betonte der GfdS-Präsident: "Das sind ernste Spiele." Er hoffe, dass die gekürten Wörter auch noch in zehn Jahren Bestand haben werden.

Die Rangliste:

1. Hartz IV

2. Parallelgesellschaften

3. PISA-gebeutelte Nation

4. gefühlte Armut

5. Ekelfernsehen

7. Ein-Euro-Job

8. aufgestellt

9. Rehakles

10. ... & mehr

(afp)
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