Entertainer wechselt zu RTL Gottschalks Selbstbetrug mit dem "Supertalent"

Berlin · Mit dem Jury-Job in der RTL-Sendung "Das Supertalent" kehrt Thomas Gottschalk an den Punkt zurück, an dem er vor einem Jahr bei "Wetten, dass..?" ausgestiegen ist: der Gefährdung von Kandidaten zu Unterhaltungszwecken. Auch Kollegen wie Markus Lanz äußern Unverständnis – Gottschalks Schritt habe jeden in der Branche überrascht.

TV-Titanen gemeinsam beim "Supertalent": Gottschalk und Bohlen im Check
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Mit dem Jury-Job in der RTL-Sendung "Das Supertalent" kehrt Thomas Gottschalk an den Punkt zurück, an dem er vor einem Jahr bei "Wetten, dass..?" ausgestiegen ist: der Gefährdung von Kandidaten zu Unterhaltungszwecken. Auch Kollegen wie Markus Lanz äußern Unverständnis — Gottschalks Schritt habe jeden in der Branche überrascht.

Mit 44.000 Bewerbungen für die sechste Staffel der Castingshow "Das Supertalent" verzeichnet RTL eine neuen Rekord. Bei den Teilnehmern. Zuschauer muss RTL, wie jetzt bekannt wurde, mit einer Prämie von 30 Euro ins Berliner Tempodrom locken — dort werden zwölf Shows vor Publikum aufgezeichnet. Der neue Juror Thomas Gottschalk scheint doch nicht so zu ziehen wie erwartet. Mit dem Start der Castings muss sich Gottschalk zudem mit einer Sorte Fernsehen befassen, von der er sich nach dem Unfall von Samuel Koch bei der Düsseldorfer "Wetten, dass..?"-Sendung vom Dezember 2010 für immer verabschieden wollte.

In der Show "Das Supertalent" bewegen sich Kandidaten ohne Schutzkleidung auf BMX-Rädern, hantieren mit scharfen Schwertern oder turnen ohne Netz am Trapez. Das Risiko liegt allein bei den Kandidaten. Die Produktionsfirma Grundy Light Entertainment lässt sich von den Bewerbern "gefährlicher Darbietungen (z.B. artistischer Natur)" unterschreiben, dass sie auf eigenes Risiko teilnehmen, Sicherheitsvorkehrungen "eigenverantwortlich selbst vor Ort" treffen und dass ihre Krankenversicherung die Gesundheitsrisiken abdeckt.

RTL sendet nicht live

Das Einzige, was Gottschalk beim "Supertalent" vor einer weiteren Tragödie vor laufender Kamera schützt, ist, dass RTL nicht live sendet. Zwar gewinnen am Ende immer Sänger, Hunde-Dompteure sowie Mundharmonika- und Harfenspieler die 100.000 Euro Siegprämie. Doch RTL braucht das Spektakel, um bis zum Finale für Spannung zu sorgen. Dass es sich bei den Darstellern zum Teil nicht um gecastete Kandidaten aus den 44.000 Bewerbern, sondern um eingekaufte Akrobaten handelt, ist für das Publikum nicht zu erkennen.

Als der kalifornische Entertainer Richard Sean Wilson, der sich einen Kleiderbügelhaken durch die Nase gezogen hatte, 2010 trotz einstimmigen Jury-Votings nicht im Halbfinale erschien, machte sein Management den Grund öffentlich. Die Produktionsfirma sei nicht bereit gewesen, Wilsons Gage zu erhöhen, hieß es. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung bestätigte RTL die Praxis. Gezahlt werde aber höchstens in Einzelfällen "eine Aufwandsentschädigung".

Als die vierte Staffel im Winter 2010 lief, berichtete die "Welt" über eine merkwürdige Notfall-Häufung am Klinikum Trier von Kindern, die irgendwelche Gegenstände verschluckt hatten. Statt fünf Fälle pro Jahr seien plötzlich elf Kinder in 14 Tagen behandelt worden, die unter anderem große Magnete, einen Bleistift und auch Geldstücke verschluckt hätten, berichteten Ärzte. Vorgemacht hatte ihnen das der Schotte Stevie Starr, der Billardkugeln, Münzen, Glühlampen und einen Ring von Sylvie van der Vaart verschluckte und wieder hervor würgte. RTL reagierte auf seine Weise: Der Sender setzte die bis dahin gültige Regel außer Kraft, dass ein Finalteilnehmer keine zweite Chance bekommt — und ließ ihn 2011 wieder auftreten.

Unverständnis für Gottschalks Schritt zeigt auch sein Nachfolger bei "Wetten, dass..?", Markus Lanz. "Das hat jeden in der Branche überrascht", sagte Lanz der "Hörzu". "Bis dahin hatte ich das Gefühl, dass es für ihn bestimmte Leitplanken gab, zwischen denen er sich bewegte. Aber irgendwie haben wir da offenbar alle eine Ausfahrt übersehen." Die Leute hätten bei Gottschalk immer gespürt, dass er für eine Form der Unterhaltung gestanden habe, "die völlig frei war von Sarkasmus oder gar Zynismus. Bei ihm wusstest du: Egal wie dusselig du dich anstellst — hinterher gibt's immer ein Gummibärchen."

(RP/felt/das/rm)
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