Zweifel an Antisemitismus-Vorwürfen Der Fall Ofarim und die Folgen

Meinung | Düsseldorf · Nach den Antisemitismus-Vorwürfen des Sängers Gil Ofarim gegen Mitarbeiter eines Leipziger Hotels wecken Auszüge aus Überwachungsvideos Zweifel an den Schilderungen des Künstlers. Sollten sich diese erhärten, wäre der Schaden enorm. Schon jetzt gibt es hämische Kommentare in den Netzwerken.

 Der Sänger Gil Ofarim. (Archiv)

Der Sänger Gil Ofarim. (Archiv)

Foto: dpa/ProSieben

Menschen, denen Unrecht widerfahren ist, nicht zu glauben, ist ein schwerer Fehler, denn es macht Betroffene erneut zu Opfern. Es ist also verständlich, dass Bestürzung und Anteilnahme groß waren, als der Sänger Gil Ofarim in einem aufwühlenden Video von antisemitischen Anfeindungen in einem Leipziger Hotel berichtete. Klarheit über den genauen Verlauf des Vorfalls war zunächst nicht zu gewinnen, das Hotel selbst erklärte damals, es nehme die Vorwürfe „extrem ernst“.

 Nun legen Überwachungsvideos nahe, dass sich der Vorfall mindestens deutlich anders abgespielt haben könnte, als Ofarim dies schildert. Auslöser für die  Anfeindungen soll nach Ofarims Angaben eine Kette mit dem Davidstern gewesen sein, die er in seinem eigenen Videostatement an jenem Abend um den Hals trug, doch auf den Überwachungsbildern ist diese Kette nicht zu sehen. Sollte sich bewahrheiten, dass ein Kernelement in Ofarims Schilderung nicht der Wahrheit entspricht, wäre der Schaden enorm – für die möglicherweise fälschlich beschuldigten Hotelmitarbeiter, für das Hotel, für die Stadt Leipzig, vor allem aber für all jene Menschen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind oder waren. Und für jene, die sich gegen Antisemitismus engagieren.

 Denn natürlich kursieren in digitalen Netzwerken nun Kommentare, in denen Schilderungen antisemitischer Übergriffe generell in Zweifel gezogen werden. Und Pandemie und Klimawandel gleich mit. Was kann jenen, die Feindschaft gegen Juden und Alltagsdiskriminierung in Deutschland abstreiten, Besseres passieren, als dass sich auch nur ein solcher Fall als übertrieben oder konstruiert herausstellt? Opfern nicht zu glauben, ist ein schwerer Fehler. Antisemitismus vorzutäuschen unverzeihlich. Die Polizei ermittelt weiter. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.

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