US-Professor entwickelt Bewertungssystem für Stangenbrot Geschmacks-Papst: Rettet das Baguette!

Paris (rpo). Beim Essen verstehen die Franzosen keinen Spaß. Schon gar nicht beim Baguette. Baguette ist nicht gleich Baguette. Deswegen hat US-Professor Steven L. Kaplan Qualitätskriterien für das Vorzeige-Brot entwickelt.

In seinem Buch "Cherchez le Pain" (in etwa: "Brotsuche") gibt Kaplan nicht nur Hinweise auf die besten Bäckereien der Hauptstadt Paris, sondern will dem Leser vor allem Kriterien und ein entsprechendes Vokabular an die Hand geben, um selbst die Qualität des Brotes einzuschätzen. Er sei kein Neuling in der Brotkunde, betont der 60-jährige Professor für europäische Geschichte. "Ich habe mich vierzig Jahre lang nicht nur mit dem Brot an sich, sondern auch mit seiner Rolle in der französischen Geschichte befasst", betont der drahtige Mann, dessen Gestalt kaum vermuten läßt, dass er sich gewerbsmäßig den Magen mit Weißbrot vollschlägt.

"Brot gehört zur französischen Identität", sagtder US-Professor, der allerdings bei französischen Gastwirten eher für Unmut sorgen dürfte: Aus lauter Sorge, das im Restaurant servierte Brot könnte seinen strengen Anforderungen nicht genügen, bringt der Feinschmecker sein Baguette lieber gleich mit, wenn er essen geht. "Die Leute erwarten gutes Essen und guten Wein im Restaurant, wie also kann ein ordentlicher Gastwirt schlechtes Brot servieren?", ereifert sich der Professor.

"Brot ist nicht gleich Brot, und es ist jeden Tag anders", sagt Kaplan mit Blick auf die rund 600 Bäckereien, die in der französischen Hauptstadt allmorgendlich ihr Backwerk feilbieten. Und das, obwohl die Regierung schon 1993 Qualitätskriterien festlegte, die aus der Bezeichnung "französisches Traditionsbrot" eine geschützte Marke mit klaren Anforderungen machte: Nur Mehl, Wasser, Salz und Hefe oder Sauerteig dürfen in einem handwerklich hergestellten Brot enthalten sein. Ein erheblicher Unterschied zu den industriell hergestellten Produkten, die in Frankreich größtenteils Vitamin-C-Zusätze und Konservierungsstoffe enthalten.

Aber die gesetzliche Qualitätssicherung allein genügt nach Auffassung des Brotprofessors noch lange nicht: Er erfand ein Bewertungssystem, nach dem ein Baguette mit bis zu drei "Ähren" ausgezeichnet werden kann. "Lang, massiv, schön gebräunt mit fünf perfekten Kerben, die zu betrachten Freude macht", lautet zum Beispiel die Bewertung eines Brotes, das schließlich nur eine Ähre bekommt - denn es hatte "kein spezifisches Aroma". Drei Ähren gibt es dagegen für "intensiven Getreideduft mit einem Hauch Haselnuss".

Ob sich die Franzosen die Ratschläge aus Übersee zu Herzen nehmen, bleibt abzuwarten. Im Vergleich zu 1900 spielen die knusprigen Knüppel längst keine bedeutende Rolle mehr im Speiseplan unserer Nachbarn: 900 Gramm Brot aß jeder Franzose vor gut hundert Jahren noch täglich, 1920 waren es noch 630 Gramm - um heute bei gerade mal 165 Gramm pro Nase zu landen. Wohl doch zu wenig, um es zu beschnuppern, zu beklopfen, durchzukauen, wieder auszuspucken und mit blumigen Worten zu beschreiben.

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