Elizabeth II. wird 85 Ein Leben für die Krone

(RP). Am Donnerstag feierte Queen Elizabeth II. ihren 85. Geburtstag. Ihre Familie bezeichnet sie als "Firma", das Haus Windsor führt sie mit Fleiß, Kalkül und Pflichtbewusstsein. Die Anerkennung ihrer Untertanen drohte sie erst nach Prinzessin Dianas Unfalltod zu verspielen.

Elizabeth II.: Ein Leben für das Königreich
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Solch einen Wecker besitzt nur eine Königin: Morgens um neun Uhr spielt unter ihrem Fenster ein Dudelsackspieler. Dann gibt es eine Tasse Earl-Grey-Tee, Elizabeth II. spricht ein paar Worte mit ihren Corgis. So beginnt ein Tag im Leben der dienstältesten Monarchin Europas. Vermutlich auch an ihrem 85. Geburtstag. Gefeiert wird dieser Ehrentag jedoch immer am 17. Juni. Der Grund: das unberechenbare englische Wetter. Eine Königin lässt ihre Untertanen, die ihr zuwinken und gratulieren, schließlich nicht in einem Aprilschauer stehen.

Seit 1952 ist Elizabeth II. an der Spitze eines einstigen Weltreiches. Sie ist die 40. Monarchin seit Wilhelm, dem Eroberer. Sie gilt als das am weitesten gereiste Staatsoberhaupt der Geschichte — dabei besitzt sie noch nicht einmal einen Pass. Seit ihrer Krönung hatte sie es mit 13 Premierministern zu tun. Nächstes Jahr feiert sie ihr Diamantenes Thronjubiläum. Nur Queen Victoria trug noch länger die Krone, 63 Jahre lang. Und noch ist keine Amtsmüdigkeit bei "Lilibet", so ihr Spitzname als Kind, zu spüren. Mehr Queen als sie geht nicht.

Dabei verdankt sie die Krone nur der Liebe eines Briten zu den USA. Elizabeth' Onkel, König Edward VIII., verzichtete nämlich 1936 auf seinen Thron, weil er sich in die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson verliebt hatte. Sein Bruder Albert folgte ihm als George VI., die zehnjährige Elizabeth wurde Thronfolgerin und übernahm 1952 nach dem Krebstod ihres Vaters die "Firma", das Haus Windsor.

Ihre Firma führt die Queen mit Fleiß, Kalkül und Pflichtbewusstsein. "Sie mag keine Emotionen", schreibt Biograf Graham Turner. Ihre vier Kinder litten unter dieser Kälte, besonders der Erstgeborene Charles. Zu verletzlich, zu kompliziert, zu sehr mit sich selbst beschäftigt — alles Eigenschaften, die sie nicht ausstehen kann. Für die Eltern Elizabeth und Philip muss es eine Enttäuschung sein, dass es Charles schon als Kind überfordert hat, sich in das minutiös arrangierte Leben eines Thronfolgers einzufügen. Stattdessen jammerte er fortwährend.

Die Queen ignoriert lange, dass der grüblerisch-traurige Junge mit den Segelohren sich längst zu einer Gefahr statt zum Garanten der Monarchie entwickelt hatte. Seine Ehebruchs-Geständnisse und wirren Wünsche, sich in einen Hygieneartikel zu verwandeln, dürften die Mutter nicht amüsiert haben. Um der Pflicht willen akzeptierte die Königin schließlich sogar Camilla, und seitdem läuft es besser. Zwar redet Charles noch immer mit Pflanzen, hegt spleenige Vorstellungen von Architektur und schreibt kryptische Briefe an die wechselnden Premierminister, doch als Vater von William und Harry macht er eine gute Figur.

Pflichterfüllung steht im Vordergrund

Bei Elizabeth dreht sich alles um die Pflicht zu dienen. Schon vor ihrer Krönung sagte sie in einer Radioansprache 1947, sie wolle ihr Leben dem Dienst am Empire widmen, "der großen imperialen Familie, der wir alle angehören". Sie versieht ihr Amt ohne große Aussetzer und verfügt über eine robuste Konstitution: Die Zeremonie zur alljährlichen Parlamentseröffnung hat sie in all den Jahren nur zweimal verpasst. Wegen Schwangerschaften — auch das ein Dienst am Land.

Die Queen, die sich im Zweiten Weltkrieg im Frauenhilfsdienst als Kfz-Mechanikerin ausbilden ließ, passt zu Großbritannien. Sie ist unprätentiös, schlagfertig und verfügt über eine große Portion Humor und Selbstironie. Als sie bei einer Gartenparty mit einem Paar ins Gespräch kam und das Handy der jungen Frau klingelte, sagte sie: "Sie sollten rangehen, es könnte jemand Wichtiges sein." Ihr eigenes Antlitz bezeichnete sie als unausweichliche Folge ihrer Hannoverschen Abstammung. Seit Jahrzehnten trägt sie dieselbe Frisur, damit sie ihrem Abbild auf Geldscheinen, Münzen und Briefmarken ähnelt. Ein großes Opfer für eine Frau.

Die Königliche schüttelt bürgerliche Hände (natürlich nur mit Handschuh!), eröffnet Kindergärten und besucht Militärstützpunkte. Jedes Jahr absolviert sie bis zu 500 Termine. Trotz ihrer Dauerpräsenz bleibt sie ein Mysterium. Selbst Hofberichterstatter haben noch kein persönliches Wort mit ihr gewechselt. Sie gibt keine Interviews, kommentiert nichts Privates. Für sie steht an erster Stelle das Königreich, nicht ihre Person.

Als Charles drei Jahre alt war, ging sie mit Philip auf eine sechsmonatige Dienstreise. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie zunächst einmal Akten durch. Erst vier Tage später ging sie zu ihrem Sohn, der sich in der Obhut eines Kindermädchens befand, und sah nach ihm. Ihre Kinder, die bei Besuchen um einen offiziellen Termin nachsuchen und sich anmelden müssen, dürfen die Monarchin nicht mit Mutter anreden. Sie sagen Ma'm — und das ist schon ein Zugeständnis. Ihre eigene Mutter bestand auf der Anrede Queen.

Zigaretten für den Einbrecher

Elizabeth II. ist ein Pflichtmensch. Nichts scheint sie aus der Fassung zu bringen. Als ein arbeitsloser Monarchist 1982 nachts in ihrem Schlafgemach im Buckingham Palace auftauchte, wurde sie nicht hysterisch, sondern bot ihm Zigaretten an. Dann informierte sie das Wachpersonal. Ihr Motto lautet: "Don't complain, don't explain" — jammere nicht, erkläre nicht. Diese Haltung half ihr gewiss dabei, private Katastrophen besser zu verwinden.

1992 war ihr schwärzestes Jahr: Prinz Andrew und Sarah Ferguson trennten sich, ebenso Prinzessin Anne und Mark Phillips. Dann folgten noch Prinz Charles und Diana. Die Ehen dreier ihrer vier Kinder sind gescheitert, Prinz Edward galt damals als ewiger Junggeselle, er heiratete erst 1999 (und die Ehe hält bis heute).

Sie selbst ist seit mehr als 60 Jahren mit Prinz Philip verbunden. Die Ehe seiner Eltern verstehe man wohl nur, gab Prinz Andrew zu Protokoll, wenn man ihre oberste Prämisse kenne: "Dieses Unternehmen hatte als einziges Ziel, ein Leben lang zusammenzubleiben." Die Schwärmerei der 13-jährigen Lilibet für den attraktiven Leutnant Philip Mountbatten, den sie 1939 kennenlernte, wäre kein Fundament gewesen, um als erste englische Königin diamantene Hochzeit zu feiern.

Mit dem früheren Prinz von Griechenland und Dänemark hatte sich die Thronfolgerin einen Problem-Kandidaten ausgesucht: Er stammte aus dem deutschen Adelshaus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (er nahm 1947 die britische Staatsangehörigkeit und den Namen Mountbatten an), seine Schwestern waren mit Nazi-nahen deutschen Adeligen verheiratet; keine von ihnen wurde zur Hochzeit eingeladen.

Umtriebiger Prinzgemahl

Philip ließ zudem von Anfang an durchblicken, dass er kaum stumm und folgsam im Windschatten seiner Frau laufen würde, wozu ihn das Protokoll eigentlich verpflichtet. In jüngeren Jahren wurden ihm neben einem Militär-Fimmel und Trinkfestigkeit auch Affären nachgesagt. Philip schlug nie derart über die Stränge, dass er die "Firma" gefährdet oder die Queen bloßgestellt hätte.

Sie leidet auch nicht unter seinem Drang, mit verschrobenem und politisch höchst unkorrektem Humor zu glänzen. Sei es bei der spöttischen Begrüßung Helmut Kohls ("Guten Tag, Herr Reichskanzler!"), folkloristischem Interesse auf Auslandsreisen ("Werft ihr immer noch Speere aufeinander?") oder kulinarischen Weisheiten ("Wenn es vier Beine hat und kein Stuhl ist, werden es die Kantonesen essen.") — privat soll Elizabeth den Sarkasmus Philips durchaus teilen.

Viele Briten kennen ihr Land nicht ohne die Queen. Eine ältere Dame, die ihre Handtasche ans Handgelenk rutschen lässt, wenn sie sich langweilt. Das ist das diskrete Zeichen für ihre Mitarbeiter: Holt mich hier raus! Das Volk murrt über Apanagen, stellt jedoch nie ernsthaft die Monarchie in Frage. Erst der Tod Prinzessin Dianas 1997 trieb zum ersten Mal einen Keil zwischen Königin und Untertanen. Das trauernde Volk war erzürnt, als das Königshaus keinerlei Reaktion zeigte und sich auf Schloss Balmoral abschottete.

In London nahm die Trauer hysterische Ausmaße an, die Ex-Schwiegermutter sah nicht ein, sich zu äußern. Schließlich gehörte Diana nicht mehr zur Familie. Elizabeth und Philip schlug in London offene Aggressivität entgegen. Premier Tony Blair, erst wenige Wochen im Amt, drängte sie zu reagieren. Elizabeth hielt daraufhin eine Rede, die das Volk wieder ein wenig mit ihr versöhnte. Sie sprach als Königin — und als Großmutter, deren Sorge zuerst den Prinzen William und Harry galt. Sie würdigte Diana als Mutter. "Ich habe sie bewundert für ihre hingebungsvolle Liebe zu ihren Söhnen", sagte eine Frau, die in der Öffentlichkeit normalerweise keine Gefühle zeigt. Sie verbeugte sich vor Dianas Sarg, die "Revolution" war abgewendet.

Das Symbol des Empires

Für die Welt verkörpert Elizabeth II. nicht nur symbolisch England, sie ist England. Es ist die königliche und nicht die britische Luftwaffe, die über Libyen fliegt, es war die königliche und nicht die britische Marine, die die Falkland-Inseln zurückeroberte. Die weltpolitische Bedeutung der Queen ist größer als ihre innenpolitische Macht. Die größte politische Leistung Elizabeth II. ist es, die Staaten des einstigen Empires im "Commonwealth of Nations" zusammengehalten zu haben. In 16 dieser 54 Staaten ist die Queen Staatsoberhaupt.

Ihre große Liebe gehört Tieren. Biograf Turner schrieb: "Sie mag — und zwar in dieser Reihenfolge — Hunde, Pferde, Männer und Frauen." Früher ritt sie jeden Tag durch den Park von Schloss Windsor. Morgens liest sie eine Zeitung über Galoppsport. Sie besitzt vier Corgis und zwei Dorgis, eine Mischung aus Dackel und Corgis. Der royale Mix entstand, als einer ihrer Corgis auf den Dackel ihrer Schwester Margaret traf. Ob freiwillig oder nicht — es war nicht das erste Mal, dass die 85-Jährige mit Folgen amouröser Triebe in ihrem Umfeld fertig werden musste. Aber sie machte es. Aus Pflichtgefühl.

(RP)
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