Alice Schwarzer schlug verbal zurück Die Männerwitze aus der "Emma"

Köln · Fünf Jahre lang veröffentlichte Alice Schwarzers "Politisches Magazin von Frauen" alle zwei Monate, was es für die besten Männerwitze hielt. Zwischen 1995 und 1999 übte sich die Zeitschrift darin, "verbal zurückzuschlagen".

Das ist Alice Schwarzer
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Foto: dpa/Henning Kaiser

In Mainz sind sie nach der Sexismus-Debatte tief verunsichert: Darf Friedrich Hofmann als Till in der "Mainz bleibt Mainz"-Bütt noch über den Faltenwurf von Angela Merkels Kleid und Gesicht witzeln? Ist das bloß schlecht aus Tradition, weil Mainz eben Mainz bleibt? Wo sie in diesem Jahr einen anti-jüdischen Beschneidungs-Witz im Programm hatten? Oder ist es etwa bereits, was Deutschland derzeit wirklich empört — sexistisch?

Solche Zweifel hatten sie in Köln 1995 nicht. Als Reaktion auf die damals grassierenden Blondinen-Witze schoss Alice Schwarzers "Emma" mit "Männerwitzen" zurück. Für die gerechte Sache war den Damen in Schwarzers Redaktion kein Witz zu flach (Heft 2/1996: "Wann ist ein Mann eine Mark wert? Wenn er einen Einkaufswagen schiebt") und keine Pointe zu dünn (Heft 6/96: "Was ist ein Mann in Salzsäure? Ein gelöstes Problem."). Bis heute glauben Schwarzers alte Kameradinnen im Bayenturm, wenig habe die Nation so erregt wie Emmas Männerwitze aus den Jahren 1995 bis 1999.

Zugegeben, sie waren nicht alle schlecht: "Wie viele Männer braucht es, um einen Schokoladenkuchen zu backen? Fünf. Einer rührt den Teig, und vier schälen die Smarties." Solche Witze wie in Heft 6/98 kann man auch heute noch erzählen, und manche aktuelle Promi-Trennung könnte sich ja wirklich so abgespielt haben wie dieser Witz aus Heft 6/99: "Er: ,Ich mache dich zur glücklichsten Frau der Welt!' Sie: ,Ich werde dich vermissen.'"

Wenn zwei das Gleiche erzählen, ist es offenbar nicht dasselbe

Wenn zwei das Gleiche erzählen, ist es offenbar nicht dasselbe. Als Harald Schmidt vor zwei Jahren bei Sat.1 von dem früheren WDR-Nachrichtensprecher Charly Hübner "Klassiker des Herrenwitzes" in ausgesucht zotigem Vokabular vorlesen lies, ging das als Satire durch. Und Emma fand in Heft 4/96 diesen hier so gut, dass er bis heute in der Besten-Liste des Magazins steht: "Er fragt sie nach dem ehelichen Verkehr: ,Liebling, warum lässt du mich nie wissen, wenn du einen Orgasmus hast?' Sie: ,Das würde ich ja gern, aber du bist ja dann nie zu Hause.'" Ein Heft später erklärte das "politische Magazin für Frauen" den Unterschied zwischen einer Klitoris und einer Kneipe: "Die Kneipe finden die Männer auf Anhieb." Wir lernen: Ein zotig oder sexistischer Witz ist dann nicht zotig oder sexistisch, wenn er in Emma steht.

Am besten fand die Emma-Redaktion Witze, in denen es Männern aufgrund ihres Geschlechts an den Kragen geht oder sie einfach so diffamiert werden. Heft 1/96: "Was macht frau, wenn ein Mann im Zickzack durch ihren Garten läuft? Weiterschießen." Heft 4/97: "Was ist der Unterschied zwischen einer Krawatte und einem Kuhschwanz? Der Kuhschwanz bedeckt das ganze Arschloch." Heft 3/97: "Was ist ein Mann im Knast? Artgerechte Haltung." Das Bezeichnende an Emmas "besten Männerwitzen", die meist wiederverwertete Gags aus den unteren Schubladen des beleidigten Randgruppen-Witzes waren, ist, dass sie überwiegend einem für Frauen untypischen Humor entsprungen sind.

"Gelächter der Geschlechter"

Als die Soziolinguistin Helga Kotthoff in den 90er Jahren "Das Gelächter der Geschlechter" untersuchte, kam sie zu dem Ergebnis, dass Jungen zu einem "auftrumpfend-sarkastischen" Witz voller "verbaler Kampfkraft" neigen, wogegen der Mädchen-Witz "feinsinnig" und "kooperativ" geprägt sei. Dass sich auch der weibliche Humor zusehends verhärte und gegen Männer richte, sei allerdings folgerichtig: "Die Frauen haben ja auch genug Grund, verbal zurückzuschlagen", sagte Kotthoff damals dem Spiegel.

Und das taten die Emma-Redakteurinnen genüsslich. Heft 2/95: "In welcher Zeitung steht: ,Mann warf seine Frau aus dem Fenster'? In der Bild-Zeitung. Und in welcher Zeitung steht: ,Frau warf ihren Mann aus dem Fenster?' In ,Schöner Wohnen'." Heft 4/95: "Wie viele Männer sind nötig, um eine Rolle Klopapier auszuwechseln? Das weiß niemand. Es ist noch nie vorgekommen." Heft 2/99: "Was macht eine Frau, wenn ihr Mann beim Kartoffelholen die Kellertreppe runterfällt und sich das Genick bricht? Nudeln."

Ist das nicht alles furchtbar? Und gemein? Und ungerecht? Kommt darauf an. Wenn man am Freitagabend anhören musste, wie in Mainz Lars Reichow als närrischer Nachrichtensprecher den verloren im Publikum hockenden Rainer Brüderle beglückwünschte, dass er bei "dieser Sternschnuppe" nicht habe landen können ("Ich hab mir die im Internet mal angeguckt, da haben Sie wirklich Glück gehabt"), doch beim FDP-Vorsitz hätte er beherzter zugreifen sollen — dann möchte man spontan zum Emma-Heft 1/98 greifen: "Was dauert länger — einen Schneemann bauen oder eine Schneefrau bauen? Einen Schneemann. Es dauert so lange, den Kopf auszuhöhlen." Mainz bleibt eben Mainz. Es ist zum Heulen.

(RP/felt)
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