Nach dem Tod von Silvia Seidel Die Last des frühen Ruhms

Düsseldorf · Der Höhenflug eines Kinderstars kommt schnell – und ist oft ebenso schnell wieder vorbei. Das ist für viele schwer zu verkraften. "Anna"- Darstellerin Silvia Seidel zerbrach offenbar daran. Die Polizei geht von einem Suizid aus.

Die gescheiterten Kinderstars
9 Bilder

Die gescheiterten Kinderstars

9 Bilder

Der Höhenflug eines Kinderstars kommt schnell — und ist oft ebenso schnell wieder vorbei. Das ist für viele schwer zu verkraften. "Anna"- Darstellerin Silvia Seidel zerbrach offenbar daran. Die Polizei geht von einem Suizid aus.

Wenn ein Chinese "Erfolg in jungen Jahren" wünscht, ist das keineswegs wortwörtlich gemeint. Es ist vielmehr ein Fluch. Diesen Fluch haben viele Kinderstars erleben müssen, deren Karrierebeginn auch gleichzeitig ihr Karrierehöhepunkt war. Jüngstes Beispiel ist die Schauspielerin Silvia Seidel, die in der vergangenen Woche tot in ihrer Küche aufgefunden wurde, neben ihr ein Abschiedsbrief. Die Polizei geht von einem Selbstmord der Schauspielerin aus.

Ihretwegen wollte Ende der 80er beinahe jedes kleine Mädchen Balletttänzerin werden. Durch die ZDF-Weihnachtsserie "Anna" wurde Seidel — damals gerade 17 Jahre alt, zart und zerbrechlich — über Nacht zum Teenie-Idol. Sie spielte eine vorübergehend gelähmte Ballerina, deren großer Traum dann doch noch in Erfüllung geht.

Nachdem gut zwölf Millionen Zuschauer die Serie verfolgt hatten, gab es einen "Anna"-Kinofilm, der schon nicht mehr so gut lief. Auch danach konnte Seidel nicht mehr an den großen Erfolg anknüpfen. Das Teenie-Idol kämpfte mit Niederlagen und Arbeitslosigkeit. Der Kinofilm "Ballerina" und die Sat.1-Serie "Quer durch die Galaxie und dann links" floppten. Hinzu kamen Schicksalsschläge: 1992 nahm sich ihre depressive Mutter das Leben. Die Presse unterstellte ihr daraufhin ein ausschweifendes Leben und dass sie sich nie um ihre Mutter gekümmert hätte. Bereits damals wäre Seidel beinahe zerbrochen und brauchte lange, um sich zu fangen. Später sah man sie nur noch in Nebenrollen von Serien wie "Forsthaus Falkenau" oder "Die Rosenheim Cops". Im Herbst hätte eine Theatertournee beginnen sollen.

Der "Bunten" erzählte Seidel 2007: "Nach ,Anna' stand ich unter Schock, wie nach einem Unfall. 15 Jahre hat es gedauert, bis ich aufgewacht bin. Es passierte damals einfach zu viel in zu kurzer Zeit. Seitdem habe ich einen Großteil meines Lebens damit verbracht, ,unberühmt' zu werden." Zuletzt war die 42-Jährige so "unberühmt", dass nur noch die Wirtin ihrer Stammkneipe im Münchener Glockenbachviertel sich um sie sorgte: "Sie ist tagelang nicht gekommen", sagte Maria Mukalovic. "Da habe ich mir Sorgen gemacht — ich dachte, es muss etwas passiert sein."

Silvia Seidel ist nicht der einzige Kinderstar, bei dem der große Erfolg schnell kam — und schnell wieder vorbei war. Auch Patrick Bach, der neben Seidel in "Anna" spielte, wurde sehr früh berühmt. Schon mit drei Jahren war er im Fernsehen zu sehen. Doch nach anfänglichem Rummel wurde es bald ruhiger um den heute 44-Jährigen. Er war in einigen Serien zu sehen ("Nicht von schlechten Eltern", "Die Wache") und ist auch heute noch ab und zu als Schauspieler tätig, der wirklich große Ruhm ist nie gekommen. Heute arbeitet Bach als Synchron- und Hörspielsprecher. Für die deutsche Fassung der "Herr der Ringe"-Trilogie hat er den Hobbit Sam gesprochen. Er kann Seidels Tod nicht fassen: "Wir sind in einem Alter, wo man eigentlich noch reichlich vor sich haben kann."

Eine ähnliche Karriere wie Bach hat Radost Bokel hinter sich. Mit elf Jahren spielte sie sich 1986 als "Momo" in die Herzen der Fernsehzuschauer. Dafür gab es eine Bambi-Auszeichnung und die Prophezeiung einer steilen Karriere. Doch die blieb aus. Erst in der RTL-Show "Ich bin ein Star — Holt mich hier raus" rückte sie Anfang dieses Jahres wieder ins Rampenlicht. Derzeit spielt sie bei den Karl-May-Festspielen in Elspe die Rolle von Winnetous Schwester Nscho-tschi.

Auch Julia Biedermann, die 1983 durch ihre Rolle als Tochter Tanja in der ZDF-Serie "Ich heirate eine Familie" bekannt wurde, brachte sich erst durch das "Dschungelcamp" und eine Fotostrecke im Playboy wieder ins Gespräch.

Thomas Ohrner (47) ist eines der wenigen Beispiele, dass auch aus einem Kinderstar ein ausreichend beschäftigter Fernsehschauspieler werden kann. Ohrner wurde als "Timm Thaler — der Junge, der sein Lachen verlor" und "Manni — Der Libero" mit wallender Lockenmähne berühmt. Heute ist er immer noch regelmäßig im Fernsehen zu sehen und moderiert Radiosendungen bei Bayern 1.

(RP/sap/das)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort