Manfred Krug hat Grund zum Feiern Deutschlands Liebling wird 75

Berlin · Schauspieler Manfred Krug machte in der DDR und in der Bundesrepublik TV-Karriere. Aber ob als Anwalt Robert Liebling oder Kommissar Paul Stoever, Krug spielte vor allem sich selbst. Seiner Beliebtheit schadete das nicht.

Einer, der sich nie verstellt, scheint für den Beruf des Schauspielers denkbar ungeeignet. Nicht so Manfred Krug. Er hielt, wie er selbst bekannte, nie besonders viel von der Kunst der Verwandlung, lieferte in seinen Rollen vor allem Varianten des Krug'schen Wesens — bärbeißig, schlitzohrig, herzensgut.

Brigadeführer Balla in "Spur der Steine", Fernfahrer Franz Meersdonk in "Auf Achse", Anwalt Robert Liebling in "Liebling Kreuzberg" und Kommissar Paul Stoever im "Tatort", Krugs bekannteste Figuren, sind trotz ihrer unterschiedlichen Alltagswelten allesamt Seelenverwandte, das künstlerische Spiegelbild eines lebensklugen Charakterkopfes. Am Mittwoch feiert dieser famose Selbstdarsteller seinen 75. Geburtstag.

In den vergangenen zehn Jahren ist es deutlich ruhiger um Krug geworden. Der Schauspieler schreibt nun Geschichten, etwa über einen arbeitslosen Kollegen, der sich als Kuckuck in einer überdimensionalen Kuckucksuhr verdingt. Seinen Beruf hat Krug selten verklärt, sondern meist unter pragmatischen Aspekten gesehen. Anspruchsdenken füllt keine Mägen.

Weil er sich vor dem Volkstümlichen nie scheute, das Angenehme zu schätzen wusste und das Geld für eine Familie mit drei Kindern verdienen musste, machte Krug sowohl in der DDR als auch später im Westen Karriere. Eine "Optimismusmaschine" hat er sich selbst genannt, einen, der nicht politisch gebunden war, sondern "frank und frei".

Dass das einer sagt, der freiwillig in die DDR ging, spricht für sich. Mit 14 zog Krug aus Duisburg in den Osten, wo sein Vater das Stahlwerk Brandenburg leitete. Unglücklich war er da nicht, arbeitete, handfest schon damals, als Stahlkocher, tauchte dabei ein in die Gedankenwelt des sogenannten "einfachen Mannes".

Nach drei Jahren Maloche wechselte er auf die Schauspielschule und mimte unter der Regie von Bertolt Brecht, ohne dass der ideologische Funken übersprang. Krug zog den Film dem Theater vor, spielte lieber Schwerenöter und singende Husaren, bloß nichts politisch Ballastreiches. Er sympathisierte mit dem System, auf seine pragmatische, lebensbejahende Weise, richtete sich ein. "Wir brauchen viele Krüge", soll Honecker über den Defa-Star gesagt haben.

Die erste, für Krug in der Rückschau heute auch einzige anspruchsvolle DDR-Rolle bereitete den Bruch vor. "Spur der Steine" (1966), eine Art Arbeiter-Western, thematisierte unter anderem die Nöte einer Zimmermannsbrigade. Die SED schloss den Film weg, Krug war stinksauer, seine Ehre verletzt. 1976 unterschrieb er eine Resolution gegen die Verbannung des Sängers Wolf Biermann — und musste, wie viele andere auch, selber ausreisen. Die Willkommensparty im Westen fiel müde aus. Krug, motiviert und angstfrei, erarbeitete sich über die Trucker-Vorabendserie "Auf Achse" die Gunst des bundesrepublikanischen TV-Publikums.

Von da an ging es fast nur bergauf. Der 1,90 Meter große, grobschlächtige, dabei aber feinfühlige Typ kam auch hierzulande an. Krugs bester Freund, Jurek Becker, schrieb ihm die Rolle des listigen wie fintenreichen Anwalts Robert Liebling auf den Leib, und der Schauspieler avancierte damit vom "Liebling Kreuzberg" zum Liebling Deutschlands.

Das zahlte sich aus. Krug verkaufte sein Gesicht an die Werbung, riet zu Bier, Sparkassen und Telekom-Aktien. Nach deren Niedergang an der Börse entschuldigte er sich öffentlich dafür, Anlegern, die seiner Empfehlungen gefolgt waren, Verluste beschert zu haben. Er selbst habe auch Lehrgeld gezahlt.

Als Kommissar Stoever im "Tatort" durfte er gemeinsam mit Partner Charles Brauer einer anderen Leidenschaft nachgehen — der Musik. Dabei hatte eine Gesangslehrerin schon früh Krugs Stimme mit einem großen, aber hässlichen Gebäude verglichen. Natürlich hielt ihn das nicht davon ab, mehrere Platten aufzunehmen, Jazz zumeist, aber auch deutsche Schlager und amerikanische Evergreens.

Krugs Schaffensdrang war nur schwer zu stoppen, er drängte in seiner raubeinigen, direkten Art immer nach vorne und fühlte sich schnell ausgebremst, von Kritikern genauso wie von langsameren Fahrern auf deutschen Straßen. Weil er einen von ihnen tadelnd am Ohr zog und als "Arschloch" titulierte, musste Krug zahlen: 25 000 Mark wegen Beleidigung und Nötigung.

Erst ein Schlaganfall brachte den Schauspieler 1997 aus dem Tritt. Krug musste alles neu lernen, erholte sich zwar, verabschiedete sich ein paar Jahre später aber trotzdem aus der Öffentlichkeit, zog sich zurück ins Privatleben mit seiner Frau Ottilie. "Es ist gut gegangen", sagt er in dem ihm eigenen lakonischen Witz über seine Ehe. Drei gemeinsame Kinder hat das Paar.

Sein Rentnerleben, erzählte Krug einmal dem "Spiegel online", bestehe hauptsächlich aus "lecker Essen, ohne Wecker schlafen, Freunde treffen, rumschlaubergern, mit Ärzten gutstellen, hier und da öffentlich was vorlesen oder singen". Dazu gibt's abends drei Gläschen Wein und ein Zigärrchen. Wehmut leistet sich ein Manfred Krug nicht. "Und wenn die Zeit abgelaufen ist, muss man auch mal tschüss sagen."

(RP/pst/csr)
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