Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin

Köln · Die Gründerin der Zeitschrift "Emma" ist Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin – und bis heute auch umstritten.

Das ist Alice Schwarzer
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Das ist Alice Schwarzer

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Foto: dpa/Henning Kaiser

Die Gründerin der Zeitschrift "Emma" ist Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin — und bis heute auch umstritten.

Sie ist mindestens so streitlustig wie umstritten, dabei werden ihre Verdienste um die Gleichberechtigung allgemein anerkannt — Alice Schwarzer ist Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin. Dass junge Feministinnen mittlerweile auf Distanz zu ihr gehen, nimmt Schwarzer gelassen. Denn die Zahl ihrer Anhänger ist groß. "Alle Frauen sollten sich jeden Tag einmal kurz hinknien und sagen: Danke Alice." Das schlägt die Köchin und Autorin Sarah Wiener vor, und viele Frauen sind mit ihr der Meinung, dass sie es dem Kampfgeist von Alice Schwarzer verdanken, wenn sie heute die Wahl haben, wie sie leben wollen und nicht mehr dem Rollendiktat vom Heimchen am Herd unterworfen sind. Am Montag wird Schwarzer 70 Jahre alt.

Bei allem Respekt: Die Frauenbewegung der 70er Jahre entstand unabhängig von der späteren Wortführerin. Aus den USA schwappte sie über in europäische Großstädte, nach London, Berlin und Paris, wo die junge Journalistin und Soziologiestudentin Alice Schwarzer damit in Berührung kam. Ab sofort verschrieb sie sich dem Kampf um die Gleichberechtigung. Sie trug die Aktion "Ich habe abgetrieben" nach Deutschland, schrieb gegen den Paragrafen 218 ihr erstes Buch, dem bis heute 18 weitere folgten. Mit ihrer provokativen Schrift gegen die sexuelle Unterdrückung ("Der kleine Unterschied und seine großen Folgen", 1975) und der Gründung der Zeitschrift "Emma" (1977) wurde sie zur berühmtesten Feministin im deutschsprachigen Raum.

Alice Sophie Schwarzer wurde am 3. Dezember 1942 in Wuppertal-Elberfeld als nichteheliches Kind geboren. Sie wuchs bei den Großeltern auf: bei der energischen und politisch wachen Großmutter und dem sanften, eher mütterlichen Großvater. So erlebte sie früh, dass die Geschlechterrollen nicht bestimmend für den Charakter sein müssen. Das wurde zu einem ihrer wichtigsten Anliegen. Auch wenn sie für viele Männer zu einem Feindbild wurde: Eine Männerhasserin war Alice Schwarzer nie. Sie bekämpft nur jene Männer, die auf ihrer Vormachtstellung beharren: "Ich glaube nicht, dass Männer von Natur aus aggressiv sind. Was sie aggressiv werden lässt, ist Macht, zuviel Macht. Diese Macht korrumpiert, nicht das Geschlecht."

Als vor einem Jahr ihre Autobiografie "Lebenslauf" erschien, erfuhr die Öffentlichkeit, welch kesses junges Mädchen diese Alice war, die nach der Handelsschule aus Wuppertal nach Paris floh, zurückkam und Journalistin wurde, zuerst als Volontärin bei den "Düsseldorfer Nachrichten", danach als Reporterin bei der Zeitschrift "Pardon", bevor sie als freie Korrespondentin wieder nach Paris zog. Dort interviewte sie etwa Jean-Paul Sartre so ausführlich, dass dessen Lebensgefährtin Simone de Beauvoir nervös wurde, wie die Autobiografin nicht ohne Koketterie erzählt.

Unermüdlich kämpft Alice Schwarzer für die Sache der Frauen: gegen die frauenverachtende Pornografie, gegen die Prostitution, die ihrer Ansicht nach verharmlost wird, und gegen den Islamismus. Entgegen der allgemeinen Begeisterung über den "arabischen Frühling" hat sie davor gewarnt, dass die Fundamentalisten die Frauen um ihre Rechte bringen würden, derzeit befürchten viele, dass sie recht haben könnte.

Es gibt aber auch das andere, wenig schmeichelhafte Bild: Schwarzer als autoritäre Figur, besserwisserisch, machtbesessen — ein weiblicher Macho. Zu ihren Kritikern gehören die frühere "taz"-Chefin Bascha Mika oder auch die Journalistin Lisa Ortgies, die kurz als "Emma"-Chefin amtierte. Viele junge Autorinnen wie Charlotte Roche oder Forscherinnen halten Schwarzers Themen für nicht mehr aktuell, manche meinen, es sei Zeit abzutreten. Historikerin Miriam Gebhardt schreibt in "Alice im Niemandsland" (2012), Schwarzer sei ideologisch unbeweglich und verbreite wie eine Matriarchin immer dieselben "Wahrheiten". Schwarzer entgegnete: "Mit meiner Realität haben diese Klischees wenig zu tun."

Nach wie vor ist die Zeitschrift "Emma" ihr Sprachrohr, aber zusätzlich ist Alice Schwarzer zu einem Medienstar geworden, der in Talkshows präsent ist und vier Jahre lang auch bei "Was bin ich?" mitgeraten hat. Dass sie sich mit der "Bild"-Zeitung einließ, haben viele kritisiert, nicht erst, als sie für das Blatt den Prozess gegen Jörg Kachelmann kommentierte. 2007 stellte sie sich für die Werbekampagne zur Verfügung. "Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht" stand über ihrem Foto.

Auf ihrer Homepage verteidigte sie ihr Mitmachen bei dem Boulevardblatt: "Ganz einfach, weil ich finde, dass es nicht schaden kann, wenn in so einer Runde — von Gandhi bis Willy Brandt — auch mal eine Frau auftaucht. Und eine sehr lebendige noch dazu." Eine gewisse Eitelkeit ist der Grande Dame des Feminismus nicht abzusprechen. Es fällt auf, dass sie sich auf dem Cover ihrer Bücher gerne neben ihre prominenten Interviewpartner stellt: neben Marion Dönhoff, Simone de Beauvoir oder Romy Schneider. Dabei hat sie es längst nicht mehr nötig, sich an Berühmtheiten anzuhängen — sie ist mittlerweile selber eine.

(RP/csi)
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