Stets im Spiel mit dem Sog des Bösen Der Regisseur Roman Polanski wird 80

Düsseldorf · Er hat Klassiker wie "Rosemaries Baby" gedreht und in "Der Pianist" seine Erfahrungen als von den Nazis verfolgter Jude verarbeitet. Wegen Verführung einer Minderjährigen wurde er in den USA angeklagt - und floh nach Europa.

Das ist Regisseur Roman Polanski
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Foto: ddp

Neugierig wie ein forsches Kind streift Mia Farrow durch die herrschaftliche Wohnung in einem dieser imposanten alten Gebäude von New York. Sie ist frisch verheiratet, sucht mit ihrem Mann die erste geräumige Bleibe. Die junge Frau trägt ein gerades weißes Kleid, die blonden Haare zum braven Pagenkopf gestutzt - ein reines Wesen. Neun Monate später wird dieses unschuldige Mädchen den Teufel zur Welt bringen. Und "Rosemaries Baby" wird das Publikum so eindringlich das Gruseln lehren, dass dieser Film heute zu den Klassikern des Horrorfachs zählt.

Roman Polanski liebt dieses Genre. Er kann darin sein Lebensthema umspielen: Schutzlosigkeit. Stets geraten bei ihm Unschuldige, Ahnungslose, Machtlose in den Sog des Bösen, sind verloren, ehe sie es ahnen - und könnten ohnehin nichts dagegen tun.

Als Kind hat er Todesangst erfahren

Es liegt nahe, dieses filmische Motiv auf Polanskis Leben zu beziehen, auf die schrecklichen Erfahrungen, die er als jüdischer Junge während der Nazi-Zeit machen musste. Als Sohn eines Bildhauers wuchs er im polnischen Krakau auf. Als die Nazis Polen besetzten und die Judenverfolgung begann, musste seine Familie ins Ghetto ziehen. Seine Mutter wurde, im sechsten Monat schwanger, ins KZ Auschwitz deportiert und ermordet. Der Vater überlebte die Lagerhaft im KZ Mauthausen. Polanski selbst konnte 1943 aus dem Ghetto fliehen und überlebte getarnt als katholischer Pole bei einer Familie, die er für diesen Dienst bezahlen musste.

Erst spät, 2002, hat er diese Erfahrungen direkt in einen Film verwandelt, als er in "Der Pianist" die Lebensgeschichte des Klaviervirtuosen Wladyslaw Szpilman nachzeichnete. Polanski hat im Ghetto willkürliche Erschießungen miterlebt. Er hat als Kind Todesangst erfahren und sich als Zehnjähriger alleine durchgeschlagen. Damals kam ihm sein Glaube abhanden, hat er später gesagt. Er verlor das Gefühl von existenzieller Sicherheit.

Ein Meister des Bedrohlichen

In seinen Filmen aber kann er es inszenieren. Liebevoll, feinsinnig, fast zärtlich schildert Polanski in seinen Thrillern Unbeschwertheit, Geborgenheit, das Glück, lässt Mia Farrow die neue Wohnung umgestalten, mit ihrem Mann über die seltsamen Nachbarn giggeln. Doch man weiß dann schon, dass all dieses bürgerliche Zutrauen in die Welt zerbrechen wird. Und dann gebiert Mia Farrow den Teufel, und Nastassja Kinski tötet in "Tess" ihren Bedränger, und Sharon Tate wird in "Tanz der Vampire" beim Bade von den Fledermäusen überrascht.

Alles zarte junge Frauen, unschuldige Geschöpfe, die er zu inszenieren wusste. Dass er auch die Nähe zu diesem Typus suchte, sich nicht an die Regeln hielt, die erwachsene Männer sehr jungen Frauen gegenüber einhalten müssen, sollte ihm zum Verhängnis werden.

Polanski ist ein Meister des Bedrohlichen. Das hat er schon in seinem ersten großen Spielfilm gezeigt, "Das Messer im Wasser", den er Anfang der 60er Jahre noch in Polen drehte. Ein junges Paar lädt einen Anhalter ein auf sein Segelboot. Der Kerl ist hübsch, ungestüm und hat ein Messer. Eine Frau, zwei Männer, der begrenzte Raum eines schwankenden Schiffes und der bedrohlich coole Jazz von Krzysztof Komeda - das ergibt einen Psychothriller, der mit eleganter Präzision an die Nerven geht.

Vom Geheimdienst beschattet

Der Kulturbehörde des kommunistischen Polen war der Film auch unheimlich und der junge Filmemacher suspekt. Fortan wurde Polanski vom Geheimdienst beschattet. 1963 machte er dem ein Ende, emigrierte nach England, drehte dort "Tanz der Vampire", zog 1968 weiter in die USA, setzte dort "Rosemaries Baby" in die Welt.

Seine Karriere lief glänzend. Polanski war mit der schönen Sharon Tate liiert, das Paar erwartete ein Kind. Doch kurz nach der Premiere von "Rosemaries Baby" 1969 wurde seine Frau von Anhängern der rassistischen Charles-Manson-Bande ermordet. Polanski fühlte sich schuldig an diesem Tod, der wie aus seinem Film geboren zu sein schien. Schwer zu sagen, wie all das sich niederschlug in Polanskis Leben in den USA. 1977 jedenfalls wurde er wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen angeklagt. Er hatte eine 13-Jährige verführt, ging 42 Tage ins Gefängnis, dann sollte es einen Vergleich geben. Als die Richter sich damit nicht begnügen wollten, floh Polanski nach Europa.

Polanski betrachtet sich als Opfer

2009 holte ihn diese Vergangenheit ein. Als er zu Festspielen nach Zürich reiste, wurde er festgenommen und unter Hausarrest gestellt, bis die Schweiz den Auslieferungsantrag der USA 2010 wegen Formfehlern ablehnte. Seither lebt er wieder in Frankreich. Doch die Bilder vom gefallenen Star mit elektronischer Fessel sind in der Welt. Sie gehören nun auch zu diesem Genie, das am Sonntag 80 wird, weiter Filme dreht und aussieht, als gäbe es für einen Mann mit solch wechselhaftem Leben kein Altern.

Polanski sieht sich als Opfer des US-Justizsystems - und auch der amerikanischen Prüderie. Er hat auf die Ereignisse in Filmen geantwortet, drehte "Der Ghostwriter", in dem Ewan McGregor in die undurchsichtigen Spiele der CIA gerät und lange auf einer Insel festsitzt - auch so ein Ahnungsloser, der dem Unheil nicht entfliehen kann. Dann "Der Gott des Gemetzels" - die große Schlacht der Heuchelei.

(pst)
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