Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes „Männer haben leider oft keine Wahrnehmung für Sexismus“

Interview | Düsseldorf · Collien Ulmen-Fernandes hat sich für das ZDF auf eine Zeitreise begeben: Von den 50er Jahren aus arbeitet sie die Rolle der Frau in der deutschen Gesellschaft chronologisch bis ins Hier und Jetzt auf. Ihr Fazit: „So sehr haben wir uns nicht weiterentwickelt.“

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Das ist Collien Ulmen-Fernandes

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Foto: dpa/Henning Kaiser

Frau Ulmen Fernandes, in Ihrer neuen Doku-Reihe „laut.stark.gleich.berechtigt.“ schauen Sie zurück in die Vergangenheit der Frauen. Was hat Sie am meisten beeindruckt?

ULMEN-FERNANDES Mal chronologisch festzuhalten, wo wir heute stehen, war spannend. Erstaunt hat mich, dass das Lehrerinnenzölibat in Baden-Württemberg gesetzlich vorschrieb, dass Lehrerinnen weder Kinder bekommen, noch ehelichen durften, weil sie sich entweder um die eigenen Kinder kümmern sollten oder um die, die sie unterrichteten. Auch, dass es gesetzlich festgeschrieben war, dass Männer als Familienoberhaupt das Letztentscheidungsrecht hatten und somit das Arbeitsverhältnis ihrer Frau kündigen konnten, fand ich krass. Aber was ich wirklich nicht glauben konnte ist, dass die Fußballfrauen 1989 zum EM-Sieg anstelle von Geld ein Kaffeeservice geschenkt bekommen haben. Das ist doch unfassbar.

Wie weit sind wir denn heute davon entfernt?

ULMEN-FERNANDES Im Grunde haben wir uns seit den 50ern gar nicht so sehr weiterentwickelt. Viele Dinge sind zwar rechtlich nicht mehr festgeschrieben, finden im Privaten aber weiterhin statt. Ich habe schon das Gefühl, dass es lieber gesehen wird, dass die Frau, nachdem sie ein Kind bekommen hat - wenn überhaupt - in Teilzeit arbeitet. Und irgendwie wird dann doch viel latenter Druck ausgeübt, sodass man am Ende genau in dieser am weitesten verbreiteten Konstellation – Mann Vollzeit, Frau Teilzeit – landet. Aber selbst, wenn beide Partner voll arbeiten, wendet die Frau meist einen wesentlich größeren Zeitanteil für Kindererziehung und Hausarbeit auf. Die Zuständigkeit dafür liegt noch ganz klar bei der Frau, da sollte sich dringend etwas tun.

Wie kann man dieser sozialen Zuständigkeitsverteilung entgegenwirken?

ULMEN-FERNANDES Im Privaten kann es keine politischen Maßnahmen und somit auch keine Statistiken über die Aufgabenverteilung geben. Da kann niemand an der Tür klingen und sagen: „Guten Tag Herr Meier, haben Sie schon die Spülmaschine ausgeräumt oder lassen Sie das Ihre Frau machen?“ Daher haben die Experten aus früheren Dokumentationen zu dem Thema empfohlen, mit dem Partner in die Nachverhandlung zu gehen, wenn man das Gefühl hat, dass die Aufgabenverteilung ungerecht ist. Es geht allerdings auch um Rollenbilder. Als ich mit meiner Tochter im Spielwarengeschäft war, gab es in der Mädchenabteilung ein ganzes „Cook and Clean“-Regal mit Kinderbügeleisen, Kinderbabypuppen und Kinderküchen. Bei den Jungs gab es das Regal nicht. Gendermarketing führt dazu, dass wir bereits als Kinder lernen, dass Frauen für all diese Dinge zuständig sind.

Machen sich diese Rollenbilder für Sie auch im Beruf bemerkbar?

ULMEN-FERNANDES Die Geschlechterverteilung merkt man immer wieder. Wenn du als Frau eine Showmoderation angeboten bekommen hast, warst du lange Zeit immer der Co-Host neben einem männlichen Haupt-Gastgeber. Der hat dann kurz vor der Werbung zur Frau in den Backstagebereich geschaltet, die in einem Glitzerkleid die Telefonnummer für ein Gewinnspiel vorlesen durfte. Wenn sich solche Beobachtungen und Angebote häufen, gewinnt man den Eindruck, dass Senderchefs systematisch entscheiden, dass die Frau nach hinten gehört. Bei Viva war die Themensetzung auffällig. Sendungen, in denen es um Frisuren und Make-up ging, wurden von Frauen moderiert, derbere Themen wie Hip-Hop-Festivals, bei denen man durch den Schlamm stapfen musste, übernahmen die Männer. Dabei hätte Klaas als gelernter Friseur super über Frisuren und Haarstyling sprechen können.

Stecken Sie ein oder diskutieren Sie?

ULMEN-FERNANDES Ich sage gar nicht erst zu. Ich glaube inzwischen, dass sich eine Karriere nicht nur aus den Dingen zusammensetzt, die man macht, sondern auch aus dem, was man nicht macht. Wenn ich zu viel diskutieren muss, nehme ich den Job lieber gar nicht erst an.

Kommt es bei Aufträgen, die vernünftig erscheinen, trotzdem zu Debatten?

ULMEN-FERNANDES Natürlich, es gibt so viele kleine Baustellen, man muss ständig kämpfen. Ich habe einmal eine Rolle gespielt, da habe ich dann mit der Kostümbildnerin vereinbart, dass meine Rolle eher eine etwas schräge, pragmatische Frau ist, die einfach immer total schlecht und merkwürdig angezogen ist. Wir fanden das ganz toll - dann kam allerdings die Bemerkung vom Sender, eine Frau müsse doch schön und gut angezogen sein, es handle sich ja immerhin um eine Hauptrolle. Bei Männern, siehe Christian Ulmen, ist das anders. Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder in Filmen sind so stereotyp. Deshalb arbeite ich bewusst dagegen an: Einmal hatte ich eine Rolle, bei der mein Filmpartner und ich beide Vollzeit arbeiteten. Und wer sollte den kleinen Wagen fahren? Die Frau! Der Mann hatte einen SUV. Da habe ich einfach gefragt: Wieso kann ich nicht den SUV haben?

Ihre Überlebensstrategie beim Thema Sexismus?

ULMEN-FERNANDES Ihn bewusst wahrnehmen und darauf aufmerksam machen. All das, was ich gerade beschreibe, ist Sexismus. Und wenn sich durch den Austausch mit anderen Frauen abzeichnet, dass sie dieselben Erfahrungen machen, während Männer sie nicht machen, hat das eben doch mit dem Frau- oder Mannsein zutun. Männer haben leider oft keine Wahrnehmung dafür, sie halten es für eine persönliche Anekdote.

Wie reagieren Sie denn privat auf sexistische Witzchen?

ULMEN-FERNANDES Ich bin dann doch eher die Spiel- und Spaßverderberin. Ich diskutiere grundsätzlich immer, aber natürlich gibt es Tage, an denen man nur noch durch und müde ist und es einem zu anstrengend ist, zu diskutieren.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Frauen?

ULMEN-FERNANDES Dass ihre Rolle nicht mehr so festgelegt ist. Vor nicht allzu langer Zeit lag ich im Krankenhaus und wurde von fünf verschiedenen männlichen Ärzten gefragt, wer sich denn nun um unser Kind kümmern würde. Als ich geantwortet habe, dass mein Mann das tut, waren die Ärzte besorgt, ob es denn auch gut versorgt sei. Wenn die Männer das bei einem Besuch im Krankenhaus künftig auch gefragt werden, habe ich kein Problem damit. Aber diese Einseitigkeit muss aufhören.

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