Strafmaß für Tennis-Ikone Boris Becker zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt

London · Der frühere Tennisstar Boris Becker ist von einem Londoner Gericht wegen Insolvenzverschleppung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der 54-Jährige muss mindestens die Hälfte der Strafe absitzen.

 Boris Becker Anfang des Monats in London.

Boris Becker Anfang des Monats in London.

Foto: dpa/Alberto Pezzali

Es ist der Absturz einer Tennislegende: Boris Becker ist zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Der 54-Jährige erschien am Freitagmorgen im grauem Anzug, mit weißem Hemd und einer Krawatte in den Wimbledon-Farben Lila und Grün vor dem Southwark Crown Court in London. Bis nach der Mittagspause musste er warten, um sein Schicksal zu erfahren. Becker war Anfang April von einer Geschworenenjury in vier Fällen von Insolvenzverschleppung schuldig gesprochen worden. Drei Wochen später zeigte die Richterin Deborah Taylor wenig Gnade bei der Verkündung des Strafmaßes: Sie verurteilte den ehemaligen Wimbledon-Sieger zu zweieinhalb Jahren Haft. Mindestens die Hälfte dieser Zeit muss er absitzen. Die Strafe fiel höher aus als erwartet, britische Rechtsexperten waren zuvor nur von einer Haftzeit von bis zu 18 Monaten ausgegangen. Doch Beckers fehlende Reue – er hatte während des Prozesses sämtliche Anschuldigungen zurückgewiesen – fiel ebenso ins Gewicht wie seine vorherige Verurteilung in Deutschland wegen Steuerhinterziehung. Die Insolvenzbehörde hatte zudem seinen Fall zuvor bezeichnet als eine „klare Warnung an alle, die glauben, sie können ihr Vermögen verbergen und damit davonkommen“.

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Beckers Absturz begann vor knapp fünf Jahren, am 21. Juni 2017, als er von einem Londoner Gericht für insolvent erklärt worden. Er hatte Außenstände von mehreren Millionen Pfund bei der Privatbank Arbuthnott, die er nicht mehr bedienen konnte. Fortan galten für ihn gesetzliche Pflichten und Auflagen: Er musste eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufstellung all seiner Vermögenswerte und Verbindlichkeiten vorlegen, durfte nicht mehr als Direktor eines Unternehmens agieren und keinen Kredit über mehr als 500 Pfund aufnehmen, ohne zu enthüllen, dass er insolvent war. Die Insolvenzbehörde kam bald zu dem Schluss, dass Becker seinen Pflichten nicht ordentlich nachkam, und sah sich im November 2019 gezwungen sah, Beckers Auflagen bis zum Oktober 2031 zu verlängern und ihn wenig später anzuklagen. In seinem dreiwöchigen Prozess wegen Insolvenzverschleppung wurden Becker insgesamt 24 Anklagepunkte vorgeworfen. In vier Fällen wurde er für schuldig befunden.

Die Jury sah es als erwiesen an, dass das Sportidol Eigentum beiseite geschafft, in zwei Fällen Vermögen nicht offengelegt und schließlich Schulden verschwiegen hat. Dazu zählen neun Überweisungen, die Becker zwischen dem 22. Juni 2017, also dem Tag nach seiner Insolvenzerklärung, und dem 28. September 2017 vorgenommen hat in einer Gesamthöhe von 426 930,90 Euro. Unter anderem gingen diese Zahlungen an seine beiden Ex-Ehefrauen Lilly und Barbara. Zudem verschwieg Becker einen Kredit über 825 000 Euro bei einer Liechtensteiner Bank und unterließ, den Besitz von 75 000 Aktien der Firma Breaking Data Corp ebenso anzugeben wie den Umstand, dass ihm sein Elternhaus in Leimen gehört. Diese Tatbestände von aktiver Vermögensverschleierung und Vermögensübertragung wogen bei der Festsetzung des Strafmaßes schwer.

Becker hatte vor Gericht sämtliche Anklagepunkte zurückgewiesen und sich als unschuldig bezeichnet. Sein Anwalt Jonathan Laidlaw bemühte vor allem eine zentrale Verteidigungslinie: Der Deutsche sei in Finanzsachen weltfremd und naiv gewesen. „Hoffnungslos mit Geld“, so hatte es Laidlaw ausgedrückt, und in der Vernehmung Beckers die Jury informiert, dass der Tennisspieler nicht wusste, wie viele Bankkonten er hatte, Verträge nur querlas, sich Bargeld von seiner Entourage hat geben lassen und seine eigene Aufgabe nicht darin sah, sich um Geschäftliches zu kümmern, sondern darin, fleißig zu trainieren, gut zu spielen und möglichst oft zu gewinnen. Diese naive Einstellung gegenüber Finanzen habe sich auch nach dem Ende seiner Tenniskarriere nicht geändert, so hatte Laidlaw argumentiert. Becker sei stets von seinen Beratern und Finanzverwaltern, denen er vertraut habe, abhängig gewesen. Becker wäre, führte Laidlaw an, nicht ordentlich darüber beraten worden, welche Pflichten er nach seiner Insolvenz hatte. Es läge aber keine Schuld darin, sich täuschen zu lassen.

Der Absturz des Tennisstars, der während seiner Karriere sechs Grandslam-Titel und 49 Turniersiege ansammelte, wurde während der Verhandlung nachgezeichnet. Er habe rund 25 Millionen Dollar durch Preisgelder verdient, sagte Becker, und noch einmal soviel durch Werbeverträge. Doch nach seinem Rückzug vom aktivem Spiel 1999 wären die Einnahmen „dramatisch reduziert“, während die Ausgaben anstiegen. Besonders seine zwei Scheidungen hätten ihn viel Geld gekostet. Das luxuriöse Leben ging trotzdem weiter, unter anderem mit einer Wohnung in London, die rund 22000 Pfund an Miete monatlich kostete. Finanziell hat ihn dann ein Privatkredit über 1,2 Millionen Pfund das Genick gebrochen, bei dem er 25 Prozent Zinsen zahlen musste.

„Dieser Angeklagte hat wirklich alles verloren. Boris Becker hat nichts mehr, nichts!“, beschwörte Anwalt Laidlaw in seiner letzten Rede vor dem Urteil die Richterin, Milde zu zeigen. „Seine Karriere ist zerstört. Er wird keine Arbeit mehr finden. Er wird auf die Gutmütigkeit anderer angewiesen sein, um zu überleben.“ Doch Richterin Taylor ließ sich von den bewegenden Worten nicht umstimmen. „Ich habe die Einwände, die für Sie vorgetragen wurden, in Betracht gezogen“, sagte sie. „Aber Sie machten persönlich Gebrauch vom Firmenkonto. Sie haben Eigentum unterschlagen, verborgen. So viel Geld ging verloren.“ Direkt nach der Urteilsverkündung musste Becker seine Haftstrafe antreten. Sollte er sich entscheiden, Berufung einlegen zu wollen, muss er das aus dem Gefängnis heraus tun.

(RP)
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