Influencerin Anne Wünsche Seht her, ich plane eine Abtreibung

Meinung | Düsseldorf · Eine Influencerin macht bei Instagram öffentlich, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch plant. Damit soll das Thema sichtbar werden und kein Tabu mehr sein. Warum ihre Aktion nicht wirklich gelungen ist, sondern einen faden Beigeschmack hat.

 Zwei Striche auf diesem Teststreifen zeigen eine Schwangerschaft an.

Zwei Striche auf diesem Teststreifen zeigen eine Schwangerschaft an.

Foto: dpa-tmn/Mascha Brichta

Influencer wollen nah an ihrer Community sein, teilen fast alles aus ihrem Alltag. Dass diese Offenheit bei manchen keine Grenzen kennt, zeigt nun ein neuer Instagrambeitrag von Anne Wünsche, bekannt aus der Reality-Seifenoper „Berlin – Tag und Nacht“. Neben Urlaubsbildern von Sansibar und Rezepttipps teilt die dreifache Mutter ihren 1,1 Millionen Followern mit, dass sie wieder schwanger sei. So weit, so normal für Influencerinnen. Dass sich Wünsche aber gegen die Schwangerschaft entscheidet und für sie feststeht: „Ich kann es nicht behalten“, ist dagegen ungewöhnlich. Ein Schwangerschaftsabbruch, wie Wünsche ihn plant, ist in der Öffentlichkeit weiterhin ein Tabu-Thema. Kaum eine Frau macht ihn öffentlich, erst recht keine Influencerin mit einem Millionenpublikum. Und schon gar nicht, wenn sie sich gerade dazu entschieden hat und der Abbruch noch aussteht.

Dabei ist Wünsche nicht allein mit ihrer Entscheidung. Die Zahl der Abtreibungen ist zuletzt wieder gestiegen, 2022 waren es in Deutschland knapp 104.000. Darunter mehrheitlich auch Mütter, die sich gegen ein weiteres Kind entschieden hatten. Die Gründe dafür sind individuell und müssen nicht vor anderen gerechtfertigt werden: Frauen sollten in letzter Konsequenz selbst über ihren Körper entscheiden. Wünsche, die im vergangenen Sommer ihr drittes Kind bekommen hat, begründet ihre Entscheidung so: „4 Kinder! 4!!! Es würde einfach nicht funktionieren und ich muss mir selbst eingestehen, dass das einfach nicht mein Leben wäre.“

Ist Anne Wünsche damit ein Vorbild? Spricht sie aus, was viele andere Frauen durchmachen? Lockert sie das Tabu um das Thema Abtreibung? Immerhin gehe sie offen mit der Situation um, weil „viele Frauen diesen Weg unter Tränen wählen müssen.“ In ihrer Community hat sie in jedem Fall eine Debatte ausgelöst: Über 13.000 Mal kommentierten Menschen Wünsches Entscheidung bei Instagram innerhalb von nur 20 Stunden; zahlreiche Medien berichten über sie. Die Vorbildfrage muss trotz des Engagements verneint werden.

Zwar sprechen ihr manche Userinnen Mut zu und bedanken sich für die Sichtbarkeit des Themas. Viel häufiger findet sich aber Kritik. Nicht nur zur Entscheidung als solche. Sondern auch zum Umgang mit diesem sensiblen Thema, das für viele in dieser Form nicht in die Öffentlichkeit gehört. Etwas plump wirkt etwa die Frage, wie es zur Schwangerschaft kam („Wir haben doch aufgepasst…“), fast berechnend der Zeitpunkt der Ankündigung. Schon länger wisse sie von der Schwangerschaft, war danach noch im Urlaub und habe nun einen Termin zur Abtreibung. Weil sie sich nicht nur, aber auch aus Zeitgründen gegen das Kind entschieden habe, ist die fast schon beiläufige Ankündigung neuer Projekte und Kooperationen in den kommenden Tagen besonders unangebracht.

Wünsches Entscheidung für oder gegen das Kind gilt es zu respektieren. Insgesamt wirkt die öffentlichkeitswirksame Verkündung ihrer Abtreibung eher wie ein Medienstunt als eine Bestärkung von Frauen und das Brechen eines Tabus.

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