Anke Engelke im Interview "Ich habe noch nie einen Horrorfilm gesehen"

Köln · Die Komödiantin und Schauspielerin Anke Engelke hat eine Reportage über Angst gedreht. Sie selbst ist allerdings ein sehr furchtloser Mensch, erzählt sie im Interview mit unserer Redaktion.

 Lampenfieber hatte Anke Engelke noch nie, für sie ist das ein schönes Gefühl. Trotzdem ist sie nicht ganz frei von Ängsten - etwa um ihre Familie. (Archiv)

Lampenfieber hatte Anke Engelke noch nie, für sie ist das ein schönes Gefühl. Trotzdem ist sie nicht ganz frei von Ängsten - etwa um ihre Familie. (Archiv)

Foto: dpa, hka gfh wie sab

Ängstlich wirkt Anke Engelke eher nicht. Trotzdem oder gerade deshalb hat sie eine Reportage gedreht zum Thema Angst. Mit Glück und Selbstoptimierung hat sie sich bereits filmisch auseinandergesetzt. Das journalistische Arbeiten ist ihr offenbar wichtig. Wie sehr, zeigt der Auftakt des Gesprächs. Die 51-Jährige geht gleich in die Offensive.

Wir wollen über Angst sprechen.

Anke Engelke Haben Sie den Film schon vorab geguckt?

Ja, habe ich.

Engelke Und was haben Sie für einen Eindruck?

Ich fand's interessant.

Engelke Haben Sie was gelernt?

Wer stellt hier eigentlich die Fragen?

Engelke Mich interessiert das wirklich sehr, was das mit dem Zuschauer macht. Ich befinde mich ja als Beteiligte in einem Vakuum und weiß nie genau, ob ich im Film etwa zu persönlich war oder zu weit weg.

Am Ende hätte ich mir mehr Botschaft an den Zuschauer gewünscht.

Engelke Ich glaube, wenn man zu missionarisch oder didaktisch wird, tut das so einem Film nicht gut. Man hofft ja immer, dass der Zuschauer sich sein eigenes Bild macht. Ich verstehe Ihren Ansatz. Doch ich halte den Zuschauer immer für mündig.

Schürt die Politik auch Angst, um sie sich zunutze zu machen?

Engelke Um jetzt mal mit unserer Sprachwissenschaftlerin zu sprechen: Ja. Das hat mir die Augen geöffnet und mich erschreckt, aber ich bilde mir immer noch ein, dass ich erkenne, wann ich manipuliert werde. Aber natürlich ist das ein wenig naiv zu behaupten, dass man den Durchblick hat und gefeit ist vor allen sprachlichen und rhetorischen Fallen. Grundsätzlich würde ich Ihre Frage bejahen.

Sie selbst sind ein furchtloser Mensch, das bescheinigen Ihnen im Film Wissenschaftler, die Sie untersuchen. Ist das schon immer so gewesen? Hat das vielleicht auch damit etwas zu tun, dass Sie schon als Kind auf Bühnen standen?

Engelke Ist eine Henne-Ei-Frage, oder? War ich schissfrei und bin raus auf die Bühne oder bin ich auf die Bühne und habe Schiss bewältigt? Es ist mir nie schwer gefallen, etwas vor anderen zu erzählen. Das mag mit meiner Kindheit in Kanada zu tun haben. In den Schulen und Vorschulen in Nordamerika wird man schon sehr früh angehalten, frei zu sprechen, es gibt jede Woche kleine Bühnensituationen, die Kinder können üben. Das ist hier anders. Mit zehn bin ich hier in einen Kinderchor gegangen. Die Auftritte haben mir mehr Spaß als Angst gemacht. Auch heute kann ich mir höchstens vorstellen, dass man auf der Bühne ein wenig Lampenfieber hat.

Haben Sie aber auch nicht.

Engelke Nee, hatte ich auch noch nie. Aber Marcel, unser Tonmann bei der Doku, hat mir bei den Dreharbeiten zu unseren drei Filmen zwei- dreimal gesagt, was ist denn mit dir los, dein Herz schlägt plötzlich ganz schön schnell. Etwas seltsam, dass er weiß, was in mir los ist, und ich kriege es nicht mal selber mit. Nicht, dass ich abgestumpft wäre, aber wenn man konzentriert ist bei der Arbeit, kriegt man das gar nicht mit. Ich habe aber nach der Diagnose des Professors in der Doku auch gedacht, das kann doch gar nicht sein, ich bin doch nicht komplett abgestumpft.

Es heißt im Film, Sie haben überhaupt keinen Adrenalinausstoß. Da passiert nichts bei Ihnen.

Engelke Ha, ha, was bin ich denn für ein kalter Stein? Nein, nein, nein, das kann nicht sein. Ich kenne das Gefühl des Lampenfiebers, aber das ist doch etwas Schönes. Ich bin auch immer heiß, da rauszugehen. Der Spaß und die Vorfreude sind viel viel größer als die Angst.

Trotzdem ist es etwas Besonderes, so angstfrei zu sein. Viele Ihrer Kollegen stehen auch auf großen Bühnen und zittern vor jedem Auftritt.

Engelke Was ich kenne, ist eine gewisse Unsicherheit, etwas nicht gut hinzubekommen. Ich habe hohe Ansprüche an mich selbst, und denen möchte ich genügen. Ich möchte gerne so gut sein wie jemand, der vor mir auf der Bühne steht, wenn ich im Publikum sitze. Das ist das sogenannte Zielfoto-Training: Was möchte ich für Gesichter sehen, wenn die Veranstaltung vorbei ist? Lachende, beeindruckte, zufriedene, entspannte? Dieses Zielfoto sollte man sich vorher vorstellen und daraufhin zuarbeiten.

Das sind alle Ihre Ängste?

Engelke Nein, ich habe natürlich die klassischen Ängste, dass man sich Sorgen macht um die Menschen, die man liebt. Also Familie an erster Stelle, und dann kommt aber auch ganz schnell dieser Planet.

Kennen Sie denn auch Lust an der Angst, schauen Sie etwa Horrorfilme, um sich zu gruseln?

Engelke Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben einen Horrorfilm gesehen. Das ist für mich das schlimmste Genre der Welt.

Weil es Ihnen Angst macht, oder weil Sie es einfach doof finden?

Engelke Das ist eine lustige Mischung aus beidem, glaube ich. Ich kann damit nichts anfangen, gar nichts. Ich liebe Dokus und französische Arthouse-Filme. Auf der Berlinale schaue ich mir jedes Mal 30 Filme an. Horror und Thriller findet bei mir nicht statt, da können Sie schön alleine reingehen.

Ins Kino würde ich nicht gehen, aber "Walking Dead" schaue ich schon.

Engelke Aber warum? Warum? Dass dieses Genre so erfolgreich ist, das raffe ich nicht. Ich respektiere, dass es das gibt, das gehört zur Vielfalt. Aber ich verstehe es nicht. Genausowenig wie Ballerfilme. Ich verstehe nicht, dass wir uns für Amnesty International stark machen, für Frieden und gegen Krieg sind, und dann schaut man freiwillig Filme, in denen Menschen getötet werden. Kapier ich nicht.

Haben Sie denn in Ihrer Doku etwas gelernt über Angst?

Engelke Ja, natürlich. Manchmal denke ich, ich mache die Filme nur, damit ich am Ende etwas raffe. Ich mache mir jetzt andere Gedanken über Social Bots, über Sprache in der Politik und über Ängste, die man nicht sieht. Wenn jemand fröhlich wirkt, heißt das nicht, dass es ihm gut geht. Ich spüre nach diesen Filmen einen Dankbarkeitsgewinn, habe also mehr Respekt vor Dingen. Ich verfalle danach auch immer kurz in ein Demutskoma, brauche Zeit, um mich zu sammeln und mich zu fragen, habe ich mich richtig verhalten gegenüber den Menschen, mit denen wir drehen. Vieles hat mich auch verstört. Wenn einer twittert "Angst vor morgen", das kann einen doch nicht kalt lassen.

(jis)
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