Kopenhagen Lebenslange Haft für U-Boot-Tüftler

Kopenhagen · Das Kopenhagener Amtsgericht sieht es als bewiesen an, dass Peter Madsen die Journalistin Kim Wall in seinem U-Boot gefesselt, gequält, ermordet und zerstückelt hat. Der 47-jährige Madsen geht in Berufung.

Keiner der Richter nimmt Peter Madsen die Geschichte vom tragischen Unfalltod einer Reporterin in seinem U-Boot ab. Während sie seine Verteidigung in der Luft zerreißen, sitzt der Erfinder völlig emotionslos da. Das passt zu dem Menschen, den Psychologen als emotional schwer gestört, als frei von Werten beschreiben. "Unglaubwürdig", sagt Richterin Anette Burkø. Das ist das entscheidende Wort. Das Gericht hält ihn für den kaltblütigen Mörder von Kim Wall, für einen Sexualverbrecher. Madsen bekommt die Höchststrafe: Er muss lebenslang ins Gefängnis. "Hier ist die Rede von einem zynischen und geplanten sexuellen Übergriff und Mord von besonders brutalem Charakter an einer zufälligen Frau", sagt die Richterin.

Die Geschichte, die sie nach dem Urteilsspruch noch einmal erzählt, ist eine Horrorgeschichte, die man in einem Thriller als übertrieben abgetan hätte: Lange vor der schicksalträchtigen Sommernacht vom 10. auf den 11. August 2017 habe der 47-Jährige sein Verbrechen geplant. Mehrere Frauen fragte er, ob sie mit ihm auf Tour kommen wollten. Alle lehnten ab - die 30-jährige Wall nicht. Ein zufälliges Opfer, "zur falschen Zeit am falschen Ort", sagt Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen.

Die 30-Jährige ist investigative Journalistin, hat bereits aus Uganda und Sri Lanka berichtet, schrieb für den "Guardian", die "New York Times" und das renommierte "Time"-Magazin. "Sie fand Geschichten, wo immer sie hinreiste", erzählt ihre Mutter. "Kim hatte eine einzigartige Fähigkeit, den Menschen zu sehen." Der Mensch in ihrer nächsten Story sollte Madsen sein. Vor der Tauchfahrt habe sie zwar etwas Angst gehabt, erzählte ihr Freund dänischen Medien. Doch eher wegen des beklemmenden Gefühls unter Wasser als wegen Madsen.

Niemand ahnte, welche perversen Sex-Fantasien der Erfinder hegte. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er die junge Frau im U-Boot fesselte, auf Brüste, Bauch und Geschlechtsteile einstach und sie dann tötete. Ob er sie tatsächlich enthauptete, können Mediziner nicht mehr feststellen. Die Leiche fand man in Einzelteilen Tage und Wochen später im Meer, erst Torso und Kopf, dann Beine und Arme.

Madsens eigene Erklärung, Wall sei bei einem tragischen Unfall an Abgasen erstickt, passe in vielen Punkten nicht zusammen, befand das Gericht. Genau wie seine Behauptung, dass Wall bereits tot war, als er auf sie einstach. Madsen habe sich unglaubwürdig gemacht, indem er seine Version der Geschehnisse dreimal völlig abgeändert hatte, so die Richterin. Zunächst hatte er behauptet, Wall wohlbehalten an Land gesetzt zu haben. Als Walls Torso am 21. August gefunden wurde, sagte Madsen aus, ihr sei der schwere Deckel der U-Boot Luke auf den Kopf gefallen. Als ihr Kopf dann am 6. Oktober ohne entsprechende Schäden gefunden wurde, behauptete er, Wall sei durch einen anderen Unfall im U-Boot gestorben - möglicherweise an einer Luftvergiftung durch austretendes Kohlenmonoxid, während er sich an Deck in der frischen Luft befand.

Vor dieser tragischen Sommernacht war Peter Madsen in Dänemark als ziemlich verrückter, doch genialer Wissenschaftler bekannt. Ein extremer Mensch, über den Bücher geschrieben und Dokumentarfilme gedreht wurden. Ein Mann, der mit einer selbstgebauten Rakete ins All fliegen wollte. Ein selbstfixierter Spinner im olivgrünen Arbeitsoverall, der sich mit seinen Partnern explosiv streiten konnte, im Grunde aber harmlos war.

Nach dem Prozess kann und will das niemand mehr behaupten. Vor Gericht wirkte er oft, als halte er sich für den Klügsten im Raum. Die Details, die zu Tage kamen, sind so entsetzlich und grausam, dass die Richter irgendwann baten, nur noch das Notwendigste sehen zu müssen. Madsen war fasziniert vom Tod - in seiner brutalsten Weise. Er schaute Videos, auf denen Menschen hingerichtet und enthauptet werden: echte Filme, keine Fiktion. Die Bilder sahen im Prozess nur Richter, Verteidigung und Anklage. Die Geräusche der sterbenden Menschen jedoch hörten alle.

Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen ist überzeugt, dass diese Videos Madsen sexuell erregten - und dass er sie deshalb im U-Boot nachstellte. Madsen selbst beteuert, die Filme hätten für ihn keinen sexuellen Wert. Es gehe ihm lediglich darum, emotional berührt zu werden. Doch das glaubt ihm die Staatsanwaltschaft nicht.

Weil sie Sperma in der Unterhose fand, die Madsen in der Mordnacht trug. Weil Zeugen aussagten, der Erfinder habe davon geträumt, in der "Nautilus" Snuff-Pornos zu drehen, Morde vor laufender Kamera. Bei der letzten Fahrt hatte Madsen eine Kamera an Bord, die Speicherkarte ist allerdings verschwunden. Die Tatsache, dass Madsen vor der Abfahrt mit Wall eine Säge und schwere Rohrstücke an Bord brachte, zeuge von der Vorsätzlichkeit seiner Tat. Während die Richterin nüchtern referiert, starrt Madsen leer vor sich hin.

All das seien jedoch keine Beweise, nur "Annahmen und schwache Indizien", hatte Verteidigerin Betina Hald Engmark argumentiert. Sie warnte das Gericht, sich nicht auf ein Bauchgefühl zu verlassen. Nach dem Urteilsspruch ist schnell klar: Dieser wird die Verteidigung nicht akzeptieren, sie wird in Berufung gehen.

Doch die Indizien der Anklage waren stark. So stark, dass die Richter die Höchststrafe aussprachen. Lebenslang wird in Dänemark eigentlich selten für einen einzelnen Mord verhängt - nur, wenn die Umstände extrem sind. Im Durchschnitt werden lebenslang Verurteilte nach 15 Jahren begnadigt, doch dafür hat Madsen keine Garantie. Frühestens nach zwölf Jahren kann er eine Prüfung beantragen. Es gibt Verbrecher, die bis zum Tod im Gefängnis blieben.

Neben der Haftstrafe muss Madsen die Gerichtskosten bezahlen, sein geborgenes U-Boot wird konfisziert, ebenso sein Computer, auf dem zahlreiche Hinrichtungsvideos aus dem Internet gefunden wurden, und die Folterinstrumente, mit denen er Wall quälte. 120.000 Kronen Schadenersatz (rund 16.000 Euro) muss er an Walls Lebensgefährten zahlen. Kim Walls Eltern äußerten sich nicht zum Prozess, sagten aber auf die Frage, wie sie den Alltag bewältigen: "Wir nehmen jeden Tag für sich. Was sollen wir sonst tun? Wir sind ja gezwungen jeden Morgen aufzustehen."

Psychologen halten es bei Madsen für angebracht, dass er lange im Gefängnis bleibt. Er sei eine Gefahr für die Gesellschaft, sagen sie. Es mangele dem Mann an Empathie, er sei pervers und narzisstisch. Gefühle zeige er maximal, wenn es um ihn selbst gehe. Ein einziges Mal kamen ihm im Prozess die Tränen: Als er von der SMS erzählt, die er seiner Frau nach Walls Tod schrieb. "Ich bin ein wenig auf Abenteuer mit Nautilus. Alles gut. Fahre in ruhiger See und Mondlicht. Tauche nicht. Küsse und Umarmungen für die Katzen." Es sollte ein Abschied sein.

Wall schickte kurz davor eine SMS an ihren Freund. Ihre Worte wirken grausam prophetisch: "Ich lebe übrigens noch", schrieb sie.

(RP)
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