Herrscher und ihre Haustiere Wieso Hunde und Katzen eine Rolle im US-Wahlkampf spielen
Meinung · „Cat Lady“ Kamala Harris, Hundebesitzer Joe Biden und Donald Trump, der Einwanderer als Haustierfresser beschimpft. Der beste Freund des Menschen ist längst Teil der Macht im Weißen Haus. Nur ein US-Präsident hat diese Tradition gebrochen – das sollte zu denken geben.
Jetzt müssen sogar die Samtpfoten dran glauben. US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat im jüngsten TV-Duell gegen Kamala Harris nicht nur mit der Behauptung, Einwanderer würden Haustiere essen, den Wahlkampf auf einen neuen Tiefpunkt gebracht. Schon zuvor hatte er gegen kinderlose „Katzenfrauen“ gewettert, um damit seine Kontrahentin zu beleidigen. Dass beide Aussagen eigentlich von seinem Vize-Kandidaten J.D. Vance stammen, muss man der Vollständigkeit halber dazu sagen, was eher als weiterer Beweis für Trumps Einfältigkeit betrachtet werden darf. Vize Vance jedenfalls, Senator im Bundesstaat Ohio, behauptete bei einer Veranstaltung in der dortigen Stadt Springfield jüngst, dass Haustiere entführt und von Menschen gegessen würden, „die nicht in diesem Land sein sollten.“ Angesichts der Migrationsdebatte, die in den USA den Wahlkampf bestimmt, eine willkommene Gelegenheit für Trump – auch, wenn die Behauptung jeglicher Fakten entbehrt.
Auf perfide Art werden nun niedliche Kätzchen- und Welpenfotos von Republikanern in Sozialen Netzwerken gepostet mit dem Aufruf: Rettet die Tiere, wählt Trump! Das spielt nicht nur auf die rassistische These an, sondern ist auch noch unglaubwürdig. Schließlich ist Donald Trump der einzige Präsident in der Geschichte der USA, der sich das Weiße Haus nicht mit einem flauschigen Mitbewohner teilte. In den rund 200 Jahren vor seiner Amtszeit leisteten Dutzende Haustiere ihren herrschenden Herrchen Gesellschaft. Meistens waren es Hunde, aber George Washington etwa, der erste US-Präsident, hatte davon nicht nur 14 Stück, sondern außerdem Pferde, einen Esel und Papageien. Zumindest die Rösser waren damals allerdings weniger Haus- als Nutztiere und dienten vor allem zur Fortbewegung.
Aber auch für Prestige und Ansehen hielt sich manch einer exotische Tiere im Weißen Haus, besonders zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das der Fall. Einer Zeit, in der Tigerbabys mitunter als Gastgeschenke aus fernen Ländern geschätzt wurden. So hielt sich Präsident Thomas Jefferson etwa zwei Bärenbabys, John Quincy Adams besaß einen Alligatoren und Benjamin Harrison hatte zwei Opossums. Erst im 20. Jahrhundert mit Theodore Roosevelt wurde es dann wieder bodenständiger: Der 26. Präsident der Vereinigten Staaten soll auch die meisten Haustiere gehalten haben – darunter Pferde, Ponys, Hasen, Hunde, Katzen, Meerschweinchen, eine Schlange und eine Eidechse.
Während in vorherigen Jahrhunderten auch schon präsidiale Tierfotos veröffentlicht wurden, war die gewünschte Außenwirkung noch eine andere: Es ging um Tiere als Exklusivware, meist nicht einmal das. Schließlich waren die meisten Tiere nicht käuflich zu erwerben oder für viele nicht erschwinglich. Exotisches gab es höchstens in Zoos, die im 19. Jahrhundert zunächst unter dem wissenschaftlichen Fokus entstanden und erst später zu Stätten der Erholung und Naturkunde wurden. Herrscher repräsentierten mit ihren Tiersammlungen also einen Status, ihre internationale Vernetzung, manchmal auch einen Sinn für Ästhetik und/oder Naturwissenschaften. Mit der Haustierhaltung von Präsidenten im 21. Jahrhundert hat das wenig zu tun.
Dass Dwight Eisenhower einen Weimaraner und einen Wellensittich hielt oder John F. Kennedy gleich ein ganzes Rudel, sollte eher das Gegenteil unterstreichen: ihre Bodenständigkeit, ihre Nähe zum Volk, ihre Fähigkeit zur Fürsorge. Seit Richard Nixon (1969 bis 1974) bewohnten fast ausschließlich Hunde und Katzen den Amtssitz, und sie hießen, wie Haustiere in Durchschnittshaushalten eben heißen: Buddy, Lucky, Peggy, Socks oder Rex. Ausgerechnet Joe Biden, zuletzt als „sleepy Joe“ in den Schlagzeilen, war bei der Namensgebung kreativer. Seine drei Schäferhunde hießen Champ, Major und Commander. Anders als etwa Machthaber Putin, übernehmen Bidens Hunde aber keine Funktion als Drohgebärde für unliebsame Staatsgäste – wie es einst Angela Merkel im Kreml mit Putins großem, schwarzem Labrador erleben musste, der um ihre Beine schlich.
Die Hunde von Joe Biden, besonders die Hunde der Obamas einst, ergänzen die stark erscheinenden Staatslenker um weiche Faktoren: Zugänglichkeit, Empathie, Verspieltheit. Sie sind Teil des durch Marketing perfektionierten Gesamtbildes, das durch die Tierbeziehung dann doch etwas Menschliches, Individuelles bekommt. Für viele Hunde- und Katzenbesitzer mag das sogar mit wahlentscheidend sein – ein Nachteil ist Tierliebe sicher nicht. Donald Trump hat das Thema bisher ausgelassen, was insofern ehrlicher ist, als dass ein Präsidententerminkalender sicher nicht ausreichend Zeit für einen Vierbeiner lässt. Der Fakt, dass er kein Haustier ins Weiße Haus holte, macht ihn trotzdem unsympathischer als seine Vorgänger. Da wird auch seine Migranten-Behauptung in vermeintlicher Tierrettungsmission wenig dran ändern. Schlussendlich hat er dann auch sämtliche Katzenbesitzer(innen) gegen sich aufgebracht, als er Kamala Harris‘ Kinderlosigkeit mit der Katzenfrau-Bemerkung herabwürdigen wollte. Bei den „Simpsons“ mag es die „Crazy Cat Lady“ zwar als Klischee einer frustrierten Frau geben, deren Haustier als Kinderersatz herhalten muss. In der Realität sind Katzen ein Mainstreamhaustier von Normalos.
Im Sinne der Tiere und Menschen in den USA bleibt zu hoffen, dass der haustierlose Trump nicht erneut ins Weiße Haus einzieht. Die mächtigste Cat Lady der USA, Taylor Swift, hat dafür ihre Stimme erhoben. Und mit ihrer Signatur die Bedeutung der Vierbeiner für den US-Wahlkampf betont. Sie schrieb:„In Liebe und mit Hoffnung, Taylor Swift, kinderlose Katzenlady.“