Heiligsprechung in Rom Tag der vier Päpste begeistert die Gläubigen

Rom · Papst Franziskus sprach in Anwesenheit Benedikts XVI. zwei seiner Vorgänger heilig: Johannes Paul II. und Johannes XXIII. So viel Faszination gab es selten rund um Sankt Peter.

Besondere Gäste bei der Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II.
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Besondere Gäste bei der Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II.

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Dem Kardinal Stanislaw Dziwisz aus Krakau hätte Papst Franziskus kein schöneres Geschenk zum 75. Geburtstag machen können, als gestern in Rom den Mann zum Heiligen zu erklären, den Dziwisz längst für einen solchen hält. "Ich habe 39 Jahre mit einem Heiligen gelebt", sagte der Kardinal, der während des fast 27-jährigen Pontifikats mächtiger (manche behaupten: zu mächtiger) Privatsekretär des nun heiligen Johannes Paul II. war. Zuvor hatte Dziwisz dem weltberühmten Landsmann bereits als Student zu Karol Wojtylas Bischofszeiten gedient.

Bei der weltweit beachteten liturgischen Feier zur Kanonisierung von Johannes Paul II. und dem 1963 verstorbenen Konzilspapst Johannes XXIII. war neben dem aktuellen geistlichen Star der Römischen Weltkirche, Franziskus, auch "unser" deutscher Papst im Ruhestand, Benedikt XVI., für alle sichtbar. Er hatte seine selbst gewählte Klause in den vatikanischen Gärten für diesen großen Moment verlassen. Als Franziskus seinen unter den Kardinälen sitzenden Vorgänger mit einer angedeuteten Umarmung begrüßte, brandete Beifall auf. Am Altar stand der körperlich schwach gewordene 87-Jährige jedoch nicht.

Nun also Franziskus, der Menschenfischer, der neben den beiden Heiligen im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Zu seinen wöchentlichen Audienzen kommen jeweils bis zu hunderttausend Menschen. So viel Faszination gab es selten rund um Sankt Peter.

Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. - die Zeremonie
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Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. - die Zeremonie

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Foto: afp, mlm/rc

Der von Johannes Paul II. eingeführte Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit eine Woche nach Ostern war wieder so ein römischer Festtag der Hochstimmung. Franziskus am Freiluft-Altar vor der Basilika, etwa 90 Staats- und Regierungsgäste in der Nähe (zum Beispiel aus Berlin: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles mit Schleier überm Haar, aus Belgien und Spanien die Königspaare, aus Polen der Staatschef und der Premier), Repräsentanten nicht katholischer Kirchen, dazu hierarchisch geordnet etwa 140 Kardinäle, rund tausend Bischöfe und der sonstige Klerus. Und auf dem vielleicht eindrucksvollsten Platz der Welt die Pilger aus aller Herren Ländern.

Gut hunderttausend Menschen passen auf die von blitzblank gereinigten, beinahe weiß erscheinenden Kolonnaden des Baumeistergenies Bernini umfangene Piazza S. Pietro. Es waren mehrere Hunderttausende zusätzlich auf der breiten Via della Conciliazione, an der Engelsburg, auf der berühmten Piazza Navona im Centro storico, dem historischen Viertel der Stadt. Großbildschirme ließen sie alle das feierliche Geschehen, bei dem erstmals zwei Päpste heiliggesprochen wurden, verfolgen. 2000 Polizisten, 2600 Helfer des Roten Kreuzes, der Malteser, freiwillige städtische Ordnungskräfte und knapp 80 Erste-Hilfe-Stationen vervollständigten den Eindruck ungeheurer Menschenmassen; leider taten das auch die 900 schnell müffelnden Toilettenhäuschen. Heiligkeits-Gepränge, künstlerisches Welterbe ringsum hier, Notdurft-Örtchen in schäbigem Plastik dort, sogar zwischen Berninis Säulen-Wundern - auch das ist Rom, die Ewige Stadt.

Zu beiden Seiten der Mittelloggia des Petersdoms hingen Bildnisse der neuen Heiligen. Die beiden schauten hinab auf die bunten Massen. Viele hatten die Nacht zuvor in 13 römischen Kirchen gebetet, darin und davor campiert und kaum ein Auge zugemacht. Beim anbrechenden Morgen zogen sie in Richtung Petersplatz. Wie sagte einst ihr nimmermüdes Idol Johannes Paul II.: "Ausruhen kann ich noch eine Ewigkeit." Während der zwei Stunden dauernden liturgischen Feier verstummte das babylonische Sprachengewirr. Kein Geplapper, kein Kreischen und Kichern mehr, vielmehr würdige Andacht beim Gottesdienst.

Feierlichkeiten zur Heiligsprechung von Johannes Paul II.
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Feierlichkeiten zur Heiligsprechung von Johannes Paul II.

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Der Heiligsprechungs-Akt war der Eucharistiefeier vorgeschaltet. So hatte es Benedikt XVI. bestimmt. Erstaunlich, auch ein wenig befremdlich, aber eben uralte Tradition das dreimalige eindringliche Ersuchen Kardinal Angelos Amatos, des Präfekten für die Heilig-und Seligsprechungen, der Papst als oberster Entscheider möge seines Amtes walten und die Kanonisierung vornehmen. Für manche Beobachter womöglich noch irritierender: das Ausstellen zweier Reliquien der Heiligen - eine Ampulle mit Blut von Johannes Paul II. und ein Stückchen Haut von Johannes XXIII. Die Blutreliquie, eingelassen in ein silbernes Behältnis, brachte die Frau zum Papst, die am Tag der Seligsprechung von Johannes Paul II. am 1. Mai 2011 auf unerklärliche Weise von einem Gehirn-Aneurysma geheilt wurde, nachdem sie den toten Papst um Hilfe angerufen hatte.

Auch wenn laut einer Umfrage 62 Prozent der Deutschen Selig- und Heiligsprechung für ein überholtes Ritual der Papstkirche halten: Wer wie 2003 oder 2011, als Mutter Teresa von Kalkutta beziehungsweise Johannes Paul II. zu Seligen erhoben wurden, oder eben gestern die ehrliche Begeisterung besonders der vielen jungen Rom-Pilger miterlebt hat, der denkt für sich den alten Satz, wonach der Mensch nicht vom Brot allein lebt.

Das einmalige architektonische Ensemble, der Glocken-Schwall, die altehrwürdigen Litaneien und liturgischen Gesänge, die sinnenfrohe Farbigkeit, die Andächtigen auf der Piazza und vor den Großbildschirmen - man muss schon extrem nüchtern sein, um sich nicht innerlich bewegen zu lassen von so vielen Appellen an Auge, Ohr und Gemüt.

Franziskus, der nach Ende der Feiern im Jeep seine üblichen, bejubelten Petersplatz-Runden drehte, hatte vor kurzem in der Morgenmesse in Santa Marta die Christen aufgerufen, fröhlicher zu sein, das Licht der Botschaft Jesu zu sehen und nicht "wie die Fledermäuse" den Schatten zu suchen. Gestern gab es keine christlichen "Fledermäuse". Die beiden Heiligen seien mutige Männer gewesen, hätten trotz der erlebten Tragödien des 20. Jahrhunderts nicht vom Glauben abgelassen. Gerade solche Heiligen seien es, welche die Kirche voranbrächten.

Franziskus nannte Johannes XXIII., dem er sich nahe fühlt und den er unbedingt zusammen mit dem großen Polen heiligsprechen wollte, einen wichtigen Impulsgeber der Kirche. Johannes Paul II. ist für ihn jemand, der Gesellschaft, Kultur, politische Systeme "mit der Kraft eines Giganten" umgepolt habe für die Sache Christi. Und ein Papst der Familien sei er gewesen. Benedikt XVI., der beim Kanonisierungsprozess für den Vorgänger Tempo gemacht hatte, befand, Johannes Paul II. habe aus seinem Glauben mit Mut zur Wahrheit gehandelt, dabei Kritik in Kauf genommen - "aus meiner Sicht ein Kriterium erster Ordnung für Heiligkeit". Die Pilger, ob es nun 800 000 waren oder doppelt so viele, liefen während des "heiligen Wochenendes" in Rom an zig Plakaten mit den beiden kanonisierten Petrus-Nachfolgern vorbei. Darauf standen ganz schlicht zwei Wörter: "Grazie" und "Santi". Das bedeutet: Danke dafür, dass es euch Vorbilder gegeben hat.

(RP)
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