Nur ein Junge sichert die Thronfolge Japan: Warten auf das kaiserliche Baby

Tokio (rpo). In den nächsten Tagen soll das sehnlichst erwartete Baby der japanischen Kronprinzessin zur Welt kommen. Jahrelang hatte das ganze Land auf einen Erben des Chrysanthemen-Thron gewartet. Jetzt wird gehofft und gebangt, dass das Kind auch das richtige Geschlecht hat, denn nur ein Junge sichert die Thronfolge.

Den Eltern, Kronprinz Naruhito und Prinzessin Masako, bleibt in dem von shintoistischen Riten und strengem Zeremoniell bestimmten Kaiserhof von Tokio allerdings nur eine Statistenrolle: Bei der Wahl des Namens für ihr Kind dürfen sie nicht mitreden, und selbst das erste Bad des Neugeborenen nehmen andere vor.

Seit der Hochzeit Naruhitos mit der früheren Diplomatin vor acht Jahren hofft das Land auf einen Erben für den Chrysanthemen-Thron. Über den genauen Termin der Geburt wird in der Presse heftig spekuliert. Eine Boulevardzeitung legte sich unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen auf den 22. November fest. Der Palast selbst äußerte sich bislang kaum. Es hieß lediglich, das Baby werde Ende November oder Anfang Dezember zur Welt kommen.

Siebentägige Zeremonie für das Neugeborene

Als Naruhito 1960 als Sohn des damaligen Kronprinzen Akihito und dessen Frau Michiko geboren wurde, berichteten Rundfunksender und Zeitungen ausführlich. Fotos des Babys erschienen allerdings erst mehr als zwei Wochen nach der Geburt. Dieses Mal dürfen sich die Japaner wahrscheinlich schon früher ein Bild des kaiserlichen Nachwuchses machen: Es gilt als sicher, dass Fernsehkameras die Zeremonien aufzeichnen werden, die wenige Stunden nach der Geburt beginnen und mit dem Bad und dem Namensgebungsritual am siebten Tag ihren Höhepunkt finden.

Im Beisein von Naruhito und Masako wird ein Diener das Baby baden, während zwei Gelehrte in traditionellen Roben die Saiten hölzerner Bogen schlagen, um böse Geister zu vertreiben. Dazu wird der Protokollchef des Kaiserhauses aus den Japanischen Chroniken rezitieren, einem Text aus dem achten Jahrhundert, der als ältestes Schriftstück des Landes gilt. Anschließend wird Kaiser Akihito dem Haushofmeister den Namen des Kindes enthüllen sowie einen Prinzentitel. Der Haushofmeister überbringt die Nachricht dann dem Elternpaar.

Nach dem Abebben der ersten Euphorie könnte sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit dann wieder Masako zuwenden, glauben Beobachter. Die Medien ließen die 37-Jährige in den letzten Monaten in Ruhe. Denn nach einer Fehlgeburt der Prinzessin 1999 hatte die Presse heftige Kritik geerntet. Der heute 41-jährige Kronprinz beklagte öffentlich, dass die Medienberichterstattung Masako zu sehr unter Druck gesetzt habe.

Dilemma bei Geburt eines Mädchen

Nach der Geburt könnte die Frage wieder in den Mittelpunkt des Interesses rücken, ob es Masako - einer erfolgreichen Diplomatin, die sich im internationalen Geschäftsleben auskennt und fünf Sprachen fließend spricht - gelingt, das traditionsbewusste Kaiserhaus behutsam zu öffnen. Denn bislang ist alles, was sich hinter den geheimnisumwitterten Palastmauern abspielt, für die Öffentlichkeit tabu. Die Angehörigen der Kaiserfamilie gelten noch immer als "Menschen über den Wolken".

Bislang hat sich allerdings vor allem Masako selbst verändert. Seit sie ihre Stelle im japanischen Außenministerium aufgab, um Naruhito zu heiraten, lebt sie völlig zurückgezogen. In der Öffentlichkeit hält sie sich zurück und achtet darauf, immer einige Schritte hinter ihrem Mann zu gehen, von dem sie im übrigen nur als "der Prinz" spricht. "Die Leute waren enttäuscht darüber, dass Masako den Palast nicht gleich ein bisschen aufgemischt hat", sagt Fernsehkommentator Naoki Inose. "Als Mutter hat sie jetzt eine neue Chance: Sie kann ihr Kind auf ihre Art aufziehen und auf eine Öffnung dringen, oder sie kann den überholten Palastsitten folgen."

Gefahr droht der seit 1.500 Jahren bestehenden Monarchie möglicherweise, wenn das Neugeborene ein Mädchen ist. Denn obwohl die Kaiserfamilie der Mythologie zufolge direkt von der Sonnengöttin Amaterasu abstammt, lässt die Nachkriegsverfassung des Landes keine Kaiserin zu. Die letzte regierende Kaiserin in Japan war Gosakuramachi, die 1762 den Thron bestieg. Der letzte männliche Spross der Familie war der 1965 geborene Prinz Akishino, Naruhitos jüngerer Bruder. Die letzten sieben Geburten in der Kaiserfamilie, darunter auch Akishinos zwei Töchter, waren Mädchen. Ministerpräsident Junichiro Koizumi hat allerdings erklärt, er erwäge eine Gesetzesänderung, die Frauen die Thronfolge gestatten würde. Einem solchen Gesetz müsste das Parlament zustimmen.

(RPO Archiv)
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