Der große Jahresrückblick Harte Kündigungen mit Happy End

Düsseldorf (RPO). Ein Müllmann, der ein weggeworfenes Kinderbett aus einem Altpapiercontainer nahm, ein Netzwerkadministrator, der seinen Elektroroller für 1,8 Cent in der Firma auflud: Bagatellkündigungen gab es auch 2010 wieder so einige. Mit einem Unterschied zum Vorjahr: Oft entschieden die Gerichte am Ende für den Arbeitnehmer.

Verwunderliche Kündigungs-Urteile
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Foto: ddp

So urteilte das baden-württembergische Landesarbeitsgericht in Mannheim im Februar zugunsten von Müllmann Mehmet G.. Er war im Dezember 2008 nach achtjähriger Betriebszugehörigkeit fristlos entlassen worden, weil er aus einem Altpapiercontainer ein Kinderreisebett mitgenommen hatte. Der Vorwurf: Diebstahl. Mehmet G. habe zwar einen Pflichtverstoß begangen, das rechtfertige jedoch keine Kündigung, meinte das Gericht. Da das Bett außerdem im Müll lag, seien "die wirtschaftlichen Interessen der Firma nicht berührt" worden.

Im Mai hob das Arbeitsgericht Reutlingen den Rauswurf eines Mannes auf, dem wegen der unzulässigen Verwendung einer Essensmarke im Wert von 80 Cent fristlos gekündigt worden war. Der 35-jährige Sachbearbeiter hatte mit der Marke eines Kollegen ein Mittagessen für seine Lebensgefährtin eingelöst und damit gegen eine Unternehmensvorgabe verstoßen. Der Arbeitgeber hätte ihren Angestellten zunächst abmahnen müssen, anstatt ihm gleich zu kündigen, entschied das Gericht.

Im Juni befasste sich dann das Bundesarbeitsgericht (BAG) in letzter Instanz mit dem Fall "Emmely", der 2009 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Die Kassiererin war nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit wegen der Unterschlagung von zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro fristlos entlassen worden.

Das BAG hob ihre Kündigung auf, nachdem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Berlin die Kündigungsschutzklage der Frau abgewiesen hatten. Die Begründung: Eine über lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer werde nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört.

Das Urteil des BAG hatte Folgen. So nahm der Düsseldorfer Stahlhersteller Schmolz + Bickenbach unter Verweis auf das "Emmely"-Urteil die fristlose Kündigung eines 58-jährigen Mitarbeiters zurück und wandelte sie in eine Abmahnung um. Dem Mann war vorgeworfen worden, eine Tüte Milch gestohlen zu haben. Das "Diebesgut" wurde allerdings nie bei dem Beschuldigten gefunden, der bereits seit 30 Jahren in dem Unternehmen arbeitete.

Im September hob das Landesarbeitsgericht Hamm eine weitere spektakuläre Bagatellkündigung auf. Weil er seinen Elektroroller in der Firma mit Strom im Wert von 1,8 Cent aufgeladen hatte, war ein Netzwerkadministrator Neunkirchen (Kreis Siegen-Wittgenstein) vor die Tür gesetzt worden. Auch eine Bahn-Mitarbeiterin hatte Glück. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erklärte ihre fristlose Kündigung wegen einer falschen Quittung für unwirksam. Der einmalige Fehltritt nach 40 Dienstjahren rechtfertige keine fristlose Kündigung, urteilten die Richter.

Auch ein Diebstahl von drei Schrauben reicht nicht für Kündigung, befanden die Richter des Arbeitsgerichts Bonn im Oktober. Weil er die Schrauben im Wert von 28 Cent gestohlen hatte, sollte ein Arbeitnehmer nach mehr als 30 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos entlassen werden. Das Arbeitsgericht Bonn erklärte die Kündigung für unwirksam und folgte nach eigenen Angaben ausdrücklich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im "Fall Emmely".

(Agenturen, mais/mais)
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