Jahresrückblick 2009 Der öffentliche Umgang mit dem Tod

Düsseldorf (RPO). Als Jade Goody im März diesen Jahres aus dem Leben schied, war sie 27 Jahre alt. Sie starb an Gebärmutterhalskrebs und hinterließ ihre beiden Kinder. Sie war keine gewöhnliche Britin. Als sie starb, kannte sie die ganze Welt. Sie hatte ihren Weg in den Tod öffentlich gemacht.

Rückblick 2009: Die Toten des Jahres
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Ein Leben im Rampenlicht. Als die ehemalige Zahnarzthelferin im Big-Brother-Haus von ihrer Diagnose erfuhr, schauten alle zu. Bis zuletzt. Operationen, die Chemotherapie, die Hochzeit, der Weg aufs Sterbebett - alles wurde von der Öffentlichkeit und den Medien begleitet. Weil Goody es so wollte. Um aufzurütteln und um Geld zu verdienen: 1,1 Millionen Pfund sammelte sie so für die Zukunft ihrer Kinder.

Doch Goody war nicht die einzige, die in diesem Jahr ihren Tod öffentlich machte. Im Mai wurde im amerikanischen Fernsehen das Videotagebuch der Schauspielerin Farrah Fawcett übertragen. Die 62-Jährige hatte die Diagnose "bösartiges Analkarzinom" erhalten und war bei der Ausstrahlung nicht mehr in der Lage, die Sendung zu begreifen. Das Fernsehen zeigt den Schatten der Ikone, die sie einmal war. Die Frau, die als einer der "drei Engel für Charlie" berühmt wurde, zerbrechlich, gekrümmt, todkrank.

Zuerst sollten die Videomitschnitte eine Art Erinnerungsstütze sein, um das Kauderwelsch der Ärzte besser verstehen zu können. Sie wollte ihre Krankheit geheim halten, doch unterschätzte sie das Interesse der Medien an ihrer Person. Sie musste dulden, dass selbst ihre Krankenakte in die Hand von Klatschblättern gelang. Am Ende sahen alle zu, wie sie zugrunde ging.

Es wurde sicherlich nicht mehr gestorben in diesem Jahr. Es wurde nur öffentlicher gestorben. Michael Jacksons Fahrt ins Krankenhaus wurde im Internet dokumentiert, Millionen machten jedes Detail bei Facebook und Twitter publik, vom Notruf bis zum Todeszeitpunkt. Und danach spekulierten alle über die Hintergründe. So als ob die Würde des Menschen nach dem Zeitpunkt des Todes nichts mehr wert ist.

Auch Patrick Swayze starb in diesem Jahr, doch wollte er eigentlich vermeiden, dass sein Leiden in der Presse breitgetreten wird. Nachdem er von den Medien fälschlicherweise sogar schon für tot erklärt wurde, veröffentlichte er ein Foto von seiner Frau und sich auf der Farm in Texas. Fast bis zur Unkenntlichkeit abgemagert. Aber lebendig.

Doch es ist nicht unbedingt so, dass Personen des öffentlichen Lebens nur auf Druck der Medien derart Privates wie Gedanken an den Tod, das Leben mit ihrer Krankheit oder den Verfall ihres Körpers öffentlich machen. Der Regisseur Christoph Schlingensief veröffentlichte sein Tagebuch aus dem Kampf gegen den Lungenkrebs und sprach in diesem Jahr bei den Kerners und Beckmanns dieser Welt offen über den Verlust seines Lungenflügels, seine Träume, seine Stützen. Die Moderatorin Miriam Pielhau schrieb ebenfalls ein Buch über ihren Brustkrebs, das Buch des bekannten Spiegel-Journalisten Jürgen Leinemann "Das Leben ist der Ernstfall" handelt von seinem Leben nach der Diagnose Zungengrundtumor.

Für die Autoren ist es eine Art Therapie. Es hilft ihnen, das Erlebte zu verarbeiten. Für Schlingensief ist es noch mehr, nämlich eine "Kampfschrift für die Autonomie des Kranken und gegen die Sprachlosigkeit des Sterbens". Und alle geben in ihren Interviews zu Protokoll, dass ihre Berichte anderen Betroffenen geholfen haben sollen.

Der Tod, jahrelang tabuisiert, kehrt in die Öffentlichkeit zurück. Der Berliner Philosoph Thomas Macho spricht sogar von einer "neuen Sichtbarkeit des
Todes". Freiwillig, unfreiwillig, in jedem Fall aber tragisch. Vielleicht brauchen wir das ja am Ende eines von Terror und Krisen geschüttelten Jahrzehnts.

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