Mord im Düsseldorfer Florapark Das Martyrium des Professors
Dieser Mord wird nicht nur Anwohnern des Floraparks und Polizisten, sondern wohl allen Düsseldorfern noch lange in Erinnerung bleiben. Er war einer der grausamsten, der in der Landeshauptstadt je geschehen ist.

Düsseldorf: Hier starb der "Professor"
Samstagabend, 2. August 2008, Florapark, Düsseldorf-Bilk: Hans-Joachim Will gerät mit zwei jungen Männern in Streit. Einem der beiden, Martin K., hält er ein Papier unter die Nase und sagt: "Ich bringe dich in Schwierigkeiten, das bringe ich morgen zur Polizei.” Martin K. ist genervt. Der Streit eskaliert.
Am 3. August durchsuchen Polizeibeamte den Florapark. Eine Spaziergängerin hat eine blutüberströmte Leiche mit freiem Oberkörper im Gebüsch gefunden. Sie war aufmerksam geworden, weil ihr Hund immer an dieser Stelle gebellt hat. Zunächst kann der Tote nicht identifiziert werden. Erst nach Tagen kommen die richtigen Hinweise aus der so genannten "Florapark-Szene". So nennt die Polizei die Leute aus dem Viertel, die sich regelmäßig hier treffen, Alkohol trinken und ihre Zeit miteinander verbringen. Ihnen war aufgefallen, dass am Sonntag einer fehlte, nämlich Hans - genannt "der Professor". Eigentlich war er jeden Tag hier im Park. Länger als 20 Uhr blieb er aber nie dort, sagen seine Kumpel. Am Abend ging er normalerweise nach Hause.
Am letzten Tag seines Lebens ist Will um acht Uhr noch nicht zu Hause. Irgendwann nach 21 Uhr prügeln und treten stattdessen der 20-jährige Martin K. und der 19-jährige Simon T. auf den schmächtigen Mann ein. Sie reißen eine Parkbank aus der Verankerung und werfen sie auf ihr Opfer. Ihre Begleiterin, die 17-jährige Jessica, bittet die beiden Männer, Will in Ruhe zu lassen. Die drei gehen nach Hause. Sie beratschlagen sich.
"Sie kamen dann wohl überein, dass sie nun noch schlechtere Karten hätten, wenn Will sie anzeigen würde”, berichtet Kommissar Dietmar Wixfort später aus den Vernehmungsakten. Die beiden jungen Männer haben den Mord an Hans Will gestanden. Ihre Beschreibungen erschüttern selbst Polizisten, die in ihrer Laufbahn schon viel gesehen haben. Der Tote hat ein furchtbares Martyrium hinter sich.
Simon T. und Martin K. kehren an diesem Samstagabend wieder in den Florapark zurück. Dort hat sich der verletzte Will inzwischen aufgerappelt. Er spricht noch einmal kurz mit den beiden Männern und geht dann weg. Als er die Brücke über den Florapark überquert, holen diese ihn ein und schleudern ihn über das Geländer. Einer der beiden steigt in den Teich und hält Will so lange den Kopf unter Wasser, bis er aufhört zu atmen. Sie schleifen den Bewusstlosen in ein Gebüsch am Ufer. Danach gehen sie wieder nach Hause und trocknen ihre Kleider.
Die Polizei weiß wenig über den Toten: Will war studierter Pädagoge und leitete Anfang der 90er Jahre das Wahlkreisbüro des früheren Arbeitsministers Friedhelm Fahrtmann. Später war er bei der Deutschen Angestellten Gewerkschaft beschäftigt, hatte seinen Job als Jugendbildungsreferent aber vor einigen Jahren verloren. Schon als Student hatte er Alkoholprobleme. Als er arbeitslos wurde, stürzte er ab und hauste zuletzt in einer schmuddeligen Wohnung. Jeden Tag traf er im Florapark seine Bekannten, die ihn als lieben Kerl schätzten und ihn voller Achtung "Professor" nannten. Er ging nämlich immer noch oft in die Uni-Bibliothek und träumte davon, ein Buch zu schreiben. Außerdem moderierte er beim Bürgerfunk. Seine Hilferufe am Samstag hat offenbar niemand gehört.
Was, wenn der "Professor" doch noch nicht tot ist? Martin und Simon wollen sich vergewissern und auf Nummer sicher gehen. Sie packen Handschuhe und ein Messer ein und gehen ein drittes Mal in den Park. Ihr Opfer ist inzwischen im Gebüsch wieder zu Bewusstsein gekommen. Sie stechen abwechselnd auf ihn ein. 26 Mal. Hans Will verblutet.
Am nächsten Tag, während die Polizei das Gelände durchsucht, sitzen Martin K. und einige Bekannte ein paar Schritte entfernt, spielen Karten und beobachten, was passiert. Bei ihrer Vernehmung, ein paar Tage später, gestehen die beiden die Tat. Der Staatsanwalt Andreas Stüve wirft dem Gebäudereiniger K. und seinem arbeitslosen Kumpel T. schwere Körperverletzung, versuchten Totschlag, versuchten Mord und heimtückischem Mord vor. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf Anklage gegen die Täter erhoben. Die zum Tatzeitpunkt 19- und 20-Jährigen gelten noch als Heranwachsende und kommen deshalb wohl vor die Jugendstrafkammer. Nach deutschem Recht ist es üblich, auf Personen, die noch keine 21 Jahre alt sind, das Jugendstrafrecht anzuwenden. Dann wären maximal zehn Jahre Haft möglich, beim normalem Strafrecht lebenslänglich. Ein Sachverständiger wird beurteilen, welches Recht angewendet wird.
Um den Tod von Inge Sch. wird es in der Anklage nur am Rande gehen. Um sie ging es aber bei dem Streit zwischen Hans Will und Martin K., der in dem grausamen Mord endete. Die 72-jährige Inge war im Jahr 2007 tot im Teich des Floraparks gefunden worden. Der Professor war davon überzeugt, dass dies kein natürlicher Tod war und dass seine späteren Mörder etwas damit zu tun hatten. Er hatte Aufzeichnungen angefertigt und wollte diese zur Polizei bringen. Schwierigkeiten hätten die beiden Angeklagten dadurch aber nicht bekommen, denn auch bei einer erneuten Obduktion hatte die Polizei keine Anzeichen für ein Fremdverschulden gefunden. Aber Will ging seinen Mördern damit "auf die Nerven", wie sie als "Begründung" für ihre Tat sagen.
Drei Wochen nach dem Mord wird im Florapark ein fröhliches Fest gefeiert. "So bunt wie die Welt" lautet das Motto. Mehr als tausend Besucher kommen. Es gibt Torwandschießen, eine Hüpfburg, Bastelangebote und Kinderschminken. Bezirksvorsteher Udo Figge ist der Schirmherr des Festes. Er weist auf die Bedeutung des Floraparks als die "grüne Lunge hier in Bilk" hin.
Die Politik beschäftigt sich inzwischen mit der Sicherheit des Parks. Polizei und Ordnungsdienst sollen ihm mehr Aufmerksamkeit schenken, die Eingänge werden umgestaltet und der Spielplatz saniert. Zudem sind Streetworker im Einsatz. Die Anwohner fühlen sich trotzdem unsicher. Ihre Kinder lassen die meisten hier nicht mehr spielen. Bei einsetzender Dunkelheit meiden sie den Park.
Der Prozess gegen Martin K. und Simon T. wird vermutlich in einigen Wochen beginnen, ein genauer Termin steht noch nicht fest.