Dubiose Geschichten um WM-Turniere Die zehn größten Verschwörungstheorien des Fußballs
10. Hat Italien die Sperre von Torsten Frings für das WM-Halbfinale 2006 forciert?
Das Sommermärchen – lang ist es her, groß war die Euphorie. Besonders sensationell bleibt der Sieg im Elfmeterschießen über die Argentinier in Erinnerung. Und auch die anschließenden Rangeleien auf dem Platz. Mittendrin auch der immer so ruhig und ausgeglichen wirkende Torsten Frings, der als Ballverteiler im Mittelfeld den Rhythmus der deutschen Mannschaft bestimmt hatte.
Tage nach dem Argentinien-Spiel, als das Halbfinal-Spiel gegen Italien unmittelbar bevorstand, tauchten plötzlich Bewegtbilder eines italienischen TV-Senders auf, die Frings im Tumult bei einem vermeintlichen Faustschlag gegen den Argentinier Julio Cruz zeigen. Frings wurde für das Halbfinale gegen Italien gesperrt und für Deutschland war nach einem 0:2 das Sommermärchen vorbei.
Die Entrüstung über die für unfair befundenen Methoden der Italiener war hierzulande groß. Boulevardzeitungen riefen dazu auf, Pizzerien zu boykottieren und viele Deutsche leisteten Folge. Verschiedene Fifa-Funktionäre behaupten, die Bilder seien ihnen nicht zugespielt worden, sie hätten sie selbst entdeckt.
9. Stahl Bobby Moore vor der WM 1970 ein Smaragd-Armband aus einer Hotellobby?
Kurz vor dem Turnier in Mexiko geschah Ungeheuerliches: Der Kapitän des englischen Titelverteidigers, der Inbegriff eines britischen Gentlemans auf und neben dem Rasen, ja, der große Bobby Moore war in Kolumbien verhaftet worden. Er soll ein mit Smaragden besetztes Armband im Wert von damals 5300 D-Mark aus einer Hotellobby entwendet haben. Vom Ehrenmann zum Dieb? Das konnte doch gar nicht sein, dachte sich die britische Öffentlichkeit.
In jenem Hotel in Kolumbien war das englische Nationalteam für ein Freundschaftsspiel gegen die kolumbianische Mannschaft untergebracht. Dort gab es einen Juwelierladen. Moore schaute sich bei seiner Ankunft nach einem Geschenk für seine Frau um, kaufte aber nichts. Doch als er den Laden verließ, hielt ihn die Verkäuferin auf und sagte, sie habe gesehen, wie Moore sich ein Armband eingesteckt habe.
Weil Aussage gegen Aussage stand, konnte Moore das Spiel gegen Kolumbien und ein weiteres gegen Ecuador bestreiten, doch bei der Abreise wurde er am Flughafen in Bogotá erneut festgehalten und stundenlang verhört. Offenbar wollte eine weitere Person gesehen haben, wie Moore das Armband gestohlen habe. Weil sich sogar die britische Regierung einschaltete, kam Moore zwar nicht ins Gefängnis, stand aber die folgenden vier Tage unter Hausarrest, seine Teamkameraden waren längst abgereist. Schließlich wurde er aus Mangel an Beweisen freigelassen, sieben Tage vor WM-Start.
Die britische Presse mutmaßte in den folgenden Wochen, dass der kolumbianische Geheimdienst dahinterstecken könnte, um die englische Mannschaft zu demoralisieren. Weitere Spekulationen waren, dass die Besitzer Werbung für ihren Juwelierladen machen oder dass sie Geld erpressen wollten, aber nicht wussten, dass sie es mit einer Berühmtheit zu tun hatten. Vielleicht aber erlaubte sich einer von Moores Teamkameraden auch nur einen Scherz. Oder aber Moore hat das Armband tatsächlich geklaut.
8. Haben die Argentinier die Brasilianer bei der WM 1990 unter Drogen gesetzt?
Es gibt vermutlich kaum ein Fußballspiel, das bedeutungsgeladener ist als Argentinien gegen Brasilien. Der Ausgang dieser Partie reicht noch Wochen später weit in alle Lebensbereiche hinein: Stimmung, Kaufkraft, Politik. Beide Nationalteams wollen ihr Land Stolz machen – um jeden Preis. So ereignete sich beim Achtelfinalspiel jener Paarung bei der WM 1990 in Italien das, was sie in Brasilen heute „Watergate“ nennen. Während einer Trinkpause leerte der Brasilianer Branco eine Flasche, die ihm von einem argentinischen Betreuer gereicht wurde. Im Anschluss bekam er keinen Fuß mehr neben den anderen und war mit dafür verantwortlich, dass Argentinien neun Minuten vor Schluss das Siegtor erzielte. Branco sagte nach dem Spiel öffentlich, wohl von Argentiniens Personal gedopt worden sei, aber niemand glaubte ihm. Er wurde von den Brasilianern zum Sündenbock gemacht.
Doch 2004 enthüllte ausgerechnet der großartige Diego Maradona im argentinischen Fernsehen, wie er Masseur Miguel di Lorenzo bei der feigen Vergiftung aus nächster Nähe beobachtet und wie Branco danach „keinen Ball mehr getroffen“ habe. Die zwei Trinkflaschen, die Lorenzo den brasilianischen Spielern reichte, sollen angeblich Rohypnol enthalten haben – ein Schlafmittel, das häufig von Vergewaltigern benutzt wird, um ihre Opfer gefügig zu machen. Angeordnet hatte das offenbar Argentiniens Trainer Carlos Bilardo, wenngleich er das bis heute bestreitet. Dabei zeigte Bilardo schon als Spieler, dass ihm jedes Mittel recht ist, wenn er Gegenspielern auf dem Platz mit Nähnadeln zusetzte.
7. Haben die Schiedsrichter bei der WM 2002 Südkorea ins Halbfinale gepfiffen?
Die erste Weltmeisterschaft im neuen Jahrtausend sollte in Japan und Südkorea stattfinden und schrieb die Geschichte des kleinen Südkoreas, das bei seiner Heim-WM sensationell bis ins Halbfinale vordrang. Doch ging bei diesem Märchen wirklich alles mit rechten Dingen zu? Es gab eine Reihe sonderbarer Schiedsrichterentscheidungen bei diesem Turnier, insbesondere bei den Spielen der Südkoreaner.
Im Achtelfinale gegen Italien gab der ecuadorianische Schiedsrichter Byron Moreno früh einen Elfmeter an Südkorea, der keiner war. In der Nachspielzeit entschied Moreno dann das Spiel: Francesco Totti wurde klar im Strafraum gefoult, doch statt des fälligen Elfmeters für Italien stellte der Ecuadorianer Totti mit Gelb-Rot wegen einer angeblichen Schwalbe vom Platz. Wenige Minuten später erzielte der Italiener Damiano Tommasis das Golden Goal für Italien, doch wieder war Moreno zur Stelle und pfiff Abseits, das keines war. Stattdessen machte Südkorea das Tor, Italien schied aus dem Turnier aus und verklagte die Fifa.
Auch im Viertelfinale zeigten sich Auffälligkeiten. Das Schiedsrichter-Gespann aus Trinidad und Tobago – nominiert von Skandal-Funktionär Jack Warner – erkannte Spanien zwei reguläre Tore ab und pfiff die Begegnung vor einem spanischen Eckball eine Minute zu früh ab – Südkorea gewann im Elfmeterschießen. Der Ecuadorianer Moreno, der zuvor hoch verschuldet gewesen sein soll, lebte nach der WM plötzlich ein erfülltes Leben. Seine kriminelle Energie zeigte sich, als er 2010 am John F. Kennedy-Flughafen in New York mit sechs Kilogramm Heroin aufgegriffen wurde.
Der britische Enthüllungsautor und Fifa-Insider Andrew Jennings behauptete in seinem Buch „Omertà: Sepp Blatter's Fifa organised Crime Family“, der damalige Fifa-Präsident Sepp Blatter habe dafür gesorgt, dass Südkorea als Gastgeber im Turnier weit kommt, damit sich den TV-Zuschauern volle Stadien bieten und die TV-Rechte an der WM für künftige Turniere ihren Wert behalten würden. Irgendwann soll es ihm dann selbst zu bunt geworden sein, weshalb Blatter kurzfristig den Schweizer Referee Urs Meier für das Halbfinale nominierte. Deutschland gewann 1:0 und zog ins Finale ein.
6. Hat Argentinien den WM-Sieg des Nationalteams 1978 mit Getreide erkauft?
Die WM 1978 in Argentinien stand im Zeichen der mordenden und folternden Militärjunta, die zwei Jahre zuvor an die Macht gekommen war und das Turnier für ihre propagandistischen Zwecke missbrauchte. Die Euphorie um das Turnier ließ sogar den deutschen Kapitän Berti Vogts frohlocken: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“ Um der guten Stimmung nicht ein jähes Ende zu bereiten, sollte Argentinien natürlich auch das Turnier gewinnen, dachten sich wohl die Admiräle. In der zweiten Gruppenrunde qualifizierten sich nur die beiden Gruppenersten für das Finale und Argentinien brauchte im letzten Gruppenspiel gegen Peru einen Sieg mit vier Toren Unterschied.
Argentinien gewann mit 6:0. Doch dieser Sieg war wohl teuer erkauft, wie die britische „Sunday Times“ rund zwei Jahrzehnte später aufdeckte. Demnach gingen damals umgerechnet 50 Millionen Euro an Perus politische Führung ebenso wie 35 Tonnen Getreide. Die Zeitung berief sich auf zwei anonyme argentinische Fußballfunktionäre und einen argentinischen Beamten. Im Spiel hatte Peru eine Reihe von Chancen vergeben, mit vier Reservespielern gespielt sowie einem Verteidiger im Sturm.
5. Hat die Bild-Schlagzeile über eine Nacktparty die Holländer den WM-Titel 1974 gekostet?
Wenige Tage vor dem WM-Finale 1974 in München zwischen den alles dominierenden Niederländern und Gastgeber Deutschland platzte die Bombe: „Cruyff, Sekt, nackte Mädchen und ein kaltes Bad“, titelte die „Bild“-Zeitung und versetzte damit eine gesamte Nation kollektiv in Aufruhr.
Was war geschehen? Guido Frick, ein Journalist der „Stuttgarter Nachrichten“ hatte in Münster-Hilltrup ins Luxus-WM-Quartier „Waldhotel Krautkrämer“ der Niederländer eingecheckt, indem er sich als schwäbischer Spätzlevertreter ausgegeben hatte. Just an dem Tag, als das Team mit einem Sieg gegen die DDR so gut wie im Finale stand.
Über die Einladung des Junior-Hotelchefs landete Frick inmitten einer feucht-fröhlichen Oranje-Party, bei der sich die Spieler Johan Cruyff, Rob Rensenbrink, Piet Schrijvers und Pleun Strik mit drei deutschen Damen vergnügten. Die Feier wurde alsbald in den Hotelpool verlagert, wo die ausgelassene Gesellschaft dann die Kleider von sich geworfen und nackt mit Champagner weitergefeiert haben soll. So schilderte es Frick jedenfalls in seinem Artikel fünf Tage vor dem Finale und am nächsten Tag noch einmal – in der „Bild“-Zeitung.
Als die Geschichte auch die Niederlande erreichte, soll Cruyffs Ehefrau Danny getobt und ihrem Mann mit der Scheidung gedroht haben. Nächtelang habe er sie am Telefon beruhigen müssen und kaum geschlafen, berichten Mitspieler. Bondscoach Rinus Michels wie auch weite Teile der niederländischen Öffentlichkeit witterten eine Kampagne der deutschen Medien, um den Finalgegner zu diffamieren und sprach vor dem Finale von „Krieg“. Insbesondere nachdem es verloren ging (1:2) und Cruyff nicht sein bestes Spiel gezeigt hatte, machten sogar Gerüchte die Runde, Frick sei von DFB-Funktionären gekauft worden, um gezielt Unruhe ins holländische Team zu bringen.
Johan Cruyff selbst bestreitet in seiner Autobiografie die komplette Geschichte. Er sei weder Teil einer solchen Poolparty gewesen noch habe er danach mit seiner Frau Danny telefoniert. Sie sei zu der Zeit im Ferienhaus der Cruyffs in Andorra gewesen, wo es noch keine Telefonverbindung gegeben habe. „Kompletter Stuss“ sei es auch, dass er wegen der Berichte im Finale schlecht gespielt habe. Zeit seines Lebens sprach Cruyff, trotz mehrerer Versuche Fricks, nie wieder mit dem deutschen Journalisten. Mitspieler Wim Rijsbergen sagte vor einigen Jahren der „Bild“: „Selbst nach 40 Jahren fragen unsere Frauen noch: Was ist damals wirklich passiert?“ Ja, was denn nun?
4. Haben Frankreich und Zidane den WM-Titel 1998 durch Epo-Doping geholt?
Die 90er-Jahre gelten als Hochphase des Epo-Dopings im Spitzensport. Epo, das ist ein Medikament, das eigentlich für Dialysepatienten entwickelt wurde, und dem Körper ein Hormon zuführt, mit dem die Sauerstoffaufnahme im Blut massiv gesteigert wird. Der gleiche Effekt wird noch heute mit Blutinfusionen erzeugt.
Bei der Heim-WM 1998 wurde von Frankreich nichts anderes als der Titel erwartet. Als 1997, kurz nach Weihnachten, Dopingkontrolleure des französischen Sportministeriums unangekündigt im Trainingscamp der französischen Nationalmannschaft auftauchten, war die Aufregung groß. Trainer, Verband, Fans, Medien und Politiker machten sich über Sportministerin Marie-George Buffet her, die die Kontrolle angeordnet hatte. Wie konnte sie nur die Vorbereitung der kommenden Weltmeister stören, so der Tenor. Die Konsequenz: Bis zum späteren Titelgewinn im Juli 1998 wurde jede Dopingkontrolle fortan vorher angekündigt.
Beim Turnier selbst soll der skandalumwitterte Präsident des Weltverbands Fifa, João Havelange, jegliche Dopingtests beim Training untersagt haben, mit den Worten an Buffet: „Madame, wir haben Ihnen die WM gegeben, also nerven sie nicht weiter mit ihren Kontrollen und Ärzten.“ Alle Ergebnisse der Proben, die nach den Spielen genommen wurden, gingen zunächst an die Fifa, dann erst ans französische Sportministerium. Nach dem Turnier zerstörte die Fifa hastig die Proben statt sie einzufrieren. Erst Jahre später konnte Epo-Doping überhaupt nachgewiesen werden. Als keine Proben mehr da waren.
Und warum sollen ausgerechnet die Franzosen gedopt haben? Bei der anschließenden Tour de France wurde rund um den Festina-Rennstall die größte Dopingaffäre der Neuzeit aufgedeckt. Alle Radfahrer sagten anschließend dem Richter gegenüber aus, dass auch Fußballern der französischen und italienischen Nationalmannschaft dieselbe Behandlung zuteilwurde. Der Richter sollte später erklären, dass er sich vor einer Untersuchung gegen die Fußballweltmeister gescheut habe, weil er mit enormen politischen Widerständen rechnete.
Besonders um den Star der französischen Mannschaft, Zinedine Zidane, der das Finale mit zwei Toren im Alleingang entschied, ranken sich zahllose Erzählungen: Ein späterer Teamarzt führte abnorm hohe Blutwerte im Vorfeld der WM an, mit denen jeder Wintersportler oder Radfahrer nicht bei einem Wettkampf hätte starten dürfen. Bei Zidanes damaligem Verein Juventus Turin wurde systematisches Epo-Doping bewiesen. Ein Festina-Fahrer behauptete zudem, Zidane gesehen zu haben, als er wie Lance Armstrong für Blutbehandlungen beim italienischen Dopingarzt Michele Ferrari zu Besuch war.
Zweimal holte sich Zidane bei einem WM-Spiel eine Rote Karte ab: 1998 gegen Saudi-Arabien sowie im WM-Finale 2006 mit seinem berühmten Kopfstoß. Beide Male drückte er sich auf diese Weise vor einer Dopingprobe. Letzteres enthüllte Schriftstellerin Besma Laouri in der Zidane-Biografie „Ein geheimes Leben“. Sie sprach für ihr Buch mit verschiedenen Personen, die Zidanes Karriere begleitet hatten. Vor der Veröffentlichung 2008 wurde es gruselig: Das Manuskript des Buchs war auf zwei Laptops gespeichert, dem einer befreundeten Journalistin und dem eines Lektors. Bei beiden wurde zu Hause eingebrochen und die Laptops entwendet. Zufall?
3. Hat Nike den fast gestorbenen Ronaldo gezwungen, im WM-Finale 1998 zu spielen?
Bei jener WM 1998 gab es einen weiteren merkwürdigen Vorgang, der für unzählige Verschwörungstheorien sorgte. Genau genommen ging es um Ronaldo Luís Nazário de Lima, den Star des Titelfavoriten Brasilien, und seine schattenhafte Performance während des WM-Finales gegen Frankreich. Dabei grenzte es an ein Wunder, dass er an jenem 12. Juli 1998 überhaupt auf dem Rasen des Stade de France stand.
Denn am Mittag, sieben Stunden vor dem Endspiel, hatte er im Hotelzimmer einen Anfall bekommen. Er krampfte und hatte Schaum vor dem Mund. Zimmernachbar Roberto Carlos schlug Alarm: „Hilfe, Ronaldo stirbt!“ Ronaldo kam in eine Klinik, die Mannschaft dachte zwischenzeitlich offenbar tatsächlich, dass er tot sei, und fuhr ohne ihn zum Stadion. Die französischen Ärzte untersuchten Ronaldo auf Herz und Nieren und sagten später der Öffentlichkeit, sie hätten nichts Bedenkliches gefunden, Stress könnte es gewesen sein.
40 Minuten vor dem Anpfiff stand plötzlich ein sehr bleicher, aber lebendiger Ronaldo in der brasilianischen Kabine, er hatte offenbar eine Erklärung unterschrieben und sich auf eigene Verantwortung aus dem Krankenhaus entlassen. Er wollte unbedingt spielen. Und obwohl Trainer Mario Zagallo seine Zweifel hatte, stellte er Ronaldo auf. „Hätten wir ohne ihn verloren, hätte ich zum Nordpol ziehen müssen“, sagte er später gegenüber einem Untersuchungsausschuss des brasilianischen Senats, der Umstände um das Finale aufklären wollte. Aber gerade weil er spielte, hatte Brasilien gegen Frankreich nicht den Hauch einer Chance – Ronaldo schlich über den Platz und brachte keinen Pass an seine Mitspieler, verschuldete zudem das Führungstor, als er Zidane ohne eine Regung an sich vorbeihuschen ließ.
Danach kochten die Spekulationen in Brasilien hoch: Auch der damalige Verbandschef Ricardo Teixeira, der mittlerweile der Korruption überführt wurde, war bei der Entscheidung, Ronaldo spielen zu lassen in der Kabine. Bekannt ist auch, dass er einen Zehnjahres-Deal mit Nike ausgehandelt hatte, der dem Verband von 1996 an astronomische 330 Millionen Dollar in zehn Jahren einbrachte, dafür aber weitreichende Rechte am Nationalteam an den US-Konzern abgegeben wurden.
So glauben viele Brasilianer bis heute, dass in diesem Vertrag eine geheime Klausel enthalten gewesen sei, dass Ronaldo im WM-Finale spielen müsse, und dass Teixeira, ihn gedrängt habe, diese Klausel einzuhalten. Das behauptete jedenfalls Ronaldos Stürmerkollege Edmundo Monate später. Teixeira persönlich hatte auf den Antrag, der Ronaldo kurz vor Anpfiff zurück in die Aufstellung brachte, geschrieben, er sei lediglich „zum Röntgen des Sprunggelenks“ in der Klinik gewesen. Ronaldo dementierte später vor dem Ausschuss alle Gerüchte.
Doch wie wurde der Anfall überhaupt ausgelöst? Schon das ganze Turnier über spielte Ronaldo mit Kniebeschwerden, wurde vor jeder Partie fit gespritzt. 15 Minuten vor seinem Anfall soll er mal wieder das Schmerzmittel Xilocain verabreicht bekommen haben. So wird eine allergische Überreaktion seines gebeutelten Körpers für wahrscheinlich gehalten, ebenfalls möglich, dass der Teamarzt versehentlich eine Vene getroffen hat. Xilocain steht auf der Dopingliste. Auch das könnte erklären, warum Ronaldo unbedingt spielen sollte. Um Ermittlungen aus dem Weg zu gehen.
2. War das „Wunder von Bern“ nur dank der Nazi-Droge Pervitin möglich?
Er gilt bis heute als nationaler Mythos, der den Weg in ein wiedererstarktes Deutschland ebnete: der 3:2-Sieg der deutschen Nationalmannschaft im WM-Finale 1954 über die eigentlich unbezwingbaren Ungarn. Doch womöglich haben nicht die Schraubstollen von Adidas-Gründer Adolf Dassler der deutschen Elf Standfestigkeit im Schlamm des Berner Wankendorfstadions verschafft, sondern aufputschende Spritzen, die vor dem Spiel injiziert worden sein sollen. Später fand der Schweizer Platzwart versteckte, zerbrochene Kanülen in der deutschen Kabine. Mannschaftsarzt Frank Loogen beteuerte bis zu seinem Tod, dass er lediglich Traubenzucker-Kuren verabreicht habe.
Doch könnten die Spritzen auch Pervitin enthalten haben? Das Aufputschmittel, das vor allem die deutsche Wehrmacht als „Panzerschokolade“ im Krieg tagelang Angst, Schmerz und Müdigkeit vergessen ließ und ein Vorgänger der Droge Crystal Meth ist. Der damals beste Fußballer der Welt, der Ungar Ferenc Puskas, äußerte nach der Finalniederlage den Verdacht, die Deutschen hätten gedopt. Er durfte bis 1964 kein deutsches Stadion mehr betreten. 2004 bestätigte diese Version der deutsche Co-Trainer Albert Sing in einer ZDF-Doku: Arzt Loogen habe Herberger überredet, den Spielern „flüssige Drogen“ zu geben. 2010 veröffentlichte die Berliner Humboldt-Universität eine staatliche finanzierte Studie, die hinreichende Hinweise dafür fand, dass die deutsche Sportmedizin bereits seit Ende der 40er-Jahre Pervitin großflächig im Leistungssport einsetzte. Die Wissenschaftler halten es deshalb für wahrscheinlich, dass auch Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit Pervitin gedopt wurden.
Gesichert wird sich aber wohl nie sagen lassen, ob der Weltmeistertitel 1954 mithilfe leistungssteigernder Substanzen oder einzig mit Blut, Schweiß und Tränen errungen wurde. Wohl aber, dass Teamarzt Loogen dafür verantwortlich ist, dass alle neun Kicker, die sich die „Vitamine“ haben spritzen lassen, wenige Monate nach dem Triumph an Gelbsucht erkrankten. Loogen hatte nicht genug sterile Nadeln auftreiben können, weil er kurzfristig von Herberger nominiert worden war, und verwendete stattdessen bereits gebrauchte.
Mehrere der WM-Helden starben noch vor dem Rentenalter an den Folgen der Hepatitis. Das „Ärzteblatt“ brachte 2010 ausgerechnet Siegtorschützen Helmut Rahn als Überträger ins Spiel. Er hatte sich vor der WM mit seinem Heimatverein Rot-Weiß Essen auf Südamerikareise begeben, wo die Krankheit weit verbreitet war. Das jüngste Opfer war Stürmer Richard Herrmann, der im Alter von 39 Jahren starb. Seine Witwe bekam vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) 3000 Mark, „damit sie mal in den Urlaub fahren kann“.
1. Hat das Satiremagazin "Titanic" das Sommermärchen nach Deutschland geholt?
Am dubiosesten aber sind die Vorgänge rund um die Vergabe der WM 2006, die im Sommer 2000 über die Bühne ging. Die Wahl zwischen Deutschland und Südafrika war überaus knapp: Mit 12:11 Stimmen gewann schließlich die deutsche Bewerbung. Entscheidend war dabei die Enthaltung des neuseeländischen Exekutivkomitee-Mitglieds Charles Dempsey, der eigentlich Südafrika seine Unterstützung zugesichert hatte. Hatten die ominösen Telegramme, die acht Fifa-Funktionäre in der Nacht vor der Abstimmung per Fax erhalten hatten, damit zu tun?
Im ersten wurde versprochen, der DFB werde sich im Falle einer Stimme für Deutschland erkenntlich zeigen, im zweiten dargelegt wie: Ein deutscher Wurstpräsentkorb mit Schwarzwälder Schinken und Kuckucksuhr sollte es sein. Dahinter steckte ein Coup des Satiremagazins „Titanic“, das die Bestechungspraxis bei WM-Vergaben persiflieren versuchte. Die Fifa ermittelte, der DFB war erbost und drohte der „Titanic“ mit einer Multi-Millionen-Klage. Auch die „Bild“-Zeitung machte Stimmung gegen das Magazin. Sie ermutigte sogar ihre Leser, in der Redaktion anzurufen, und ihrem Unmut freien Lauf zu lassen. „Sie sind ein ganz großer Nestbeschmutzer, wie sie den Beckenbauer diffamieren“, erzürnte sich ein Anrufer Berichten zufolge.
Jahre später kommt raus: Beim Sommermärchen ging tatsächlich nicht alles mit rechten Dingen zu und auch Kaiser Franz war in dubiose Geldumherschieberei verwickelt, die bis heute nicht gänzlich aufgeklärt ist. Thomas Kistner von der „Süddeutschen Zeitung“ beschreibt in seinem Buch „Fifa-Mafia“ weitere Auffälligkeiten: Hielt außer den europäischen Vertretern zunächst niemand zu Deutschland, änderte sich das unmittelbar vor der Abstimmung: Alle vier asiatischen Exekutivkomitee-Mitglieder stimmten für die Deutschen. In die Zeit der Vergabe fallen zwei Wirtschaftsdeals: Daimler, Partner des DFB, investierte 800 Millionen Euro in Hyundai. Der Sohn des südkoreanischen Firmengründers war Exekutivkomitee-Mitglied, ebenso der Saudi Abdullah al Dabal. Acht Tage vor der Vergabe hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Waffenlieferung von 1200 Panzerfäusten unterzeichnet. An: Saudi-Arabien.
Doch es bleibt dabei: Dempsey war das Zünglein an der Waage. Er nannte nachher „nicht tolerierbaren Druck durch einflussreiche europäische Interessensgruppen“ als Grund für seine Entscheidung, sich zu enthalten. Gegenüber dem TV-Sender CNN soll er zudem gesagt haben: „Dieses letzte Fax hat mir das Genick gebrochen.“ Dabei hielt er einen braunen Umschlag in die Kamera. Die Nachricht im Innern soll der inszenierte Bestechungsversuch der „Titanic“ gewesen sein.