Serie „Humbug“ Kontrollieren die USA das Wetter?

Naturkatastrophen und Gedankenkontrolle – seit Jahren experimentiert das US-Militär dazu an einer Forschungseinrichtung in Alaska. Das glauben zumindest manche Verschwörungstheoretiker. Einige sprechen sogar von einer „Erdbebenwaffe“. Was ist dran?

 180 Hochfrequenz-Antennen stehen auf dem Gelände der Anlage in Alaska.

180 Hochfrequenz-Antennen stehen auf dem Gelände der Anlage in Alaska.

Foto: dpa

Erdbeben, Hurrikane oder Überschwemmungen – für die meisten Menschen sind das unkontrollierbare Naturkatastrophen, für einige wenige dagegen der Ausdruck menschlicher Manipulation. Sie verweisen auf das Forschungszentrum HAARP (High Frequency Active Auroral Research Program) in den Wäldern Alaskas.

Was wird behauptet?

Ursprünglich finanzierte das US-Militär zu Beginn der 90er die für 300 Millionen US-Dollar errichtete Anlage. Seit 2015 wird das Gelände von der Universität von Alaska zur Grundlagenforschung der Ionosphäre genutzt, der äußersten Schicht der Erdatmosphäre. Es geht um deren Einfluss auf Funkwellen sowie um die Frage, welche Auswirkungen Sonneneinstrahlung in dieser Höhe hat. Einige Verschwörungstheoretiker halten das jedoch nicht für den wahren Aufgabe der Anlage: Sie sehen darin vielmehr ein militärisches „Geheimprojekt“, das mit den am HAARP erzeugten Radiowellen gezielt Naturkatastrophen auslöst – und außerdem die Gedanken der Menschen manipuliert.

Woher kommt der Humbug?

Eine abgelegene Forschungsstation in den Wäldern Alaskas, dazu Radiowellen und ein militärischer Hintergrund – das bietet fruchtbaren Boden für Verschwörungstheorien. 1995 brachten die beiden Autoren Nick Begich und Jeane Manning das Thema mit ihrem Buch „Angels Don't Play This HAARP“ in eine breite Öffentlichkeit. Der Buchtitel ist eine Anspielung auf die ähnliche Aussprache und Schreibweise für das englische Wort für Harfe, „harp“.

Im Buch bezeichnen die beiden die Anlage als „geophysikalische Waffe“ und nennen zahlreiche angebliche Belege, um ihr Misstrauen am offiziellen Zweck der Anlage auszudrücken. Kurz: Am HAARP experimentiere das Militär angeblich mit allem, was die Vorstellungskraft so hergibt – inklusive der Gedanken- und Wetterkontrolle sowie einer „Strahlenwaffe, um die Atmosphäre zum Kochen zu bringen“. Die Thesen fanden ihre Anhänger, 1996 erschien eine deutsche Ausgabe mit dem Titel „Löcher im Himmel – Der geheime Ökokrieg mit dem Ionosphärenheizer HAARP“.

Wie verbreitet ist der Humbug?

Kommt es irgendwo auf der Welt zu einer Naturkatastrophe, sind die Verweise auf das HAARP nicht weit. So etwas bei den Erdbeben auf den Philippinen 2006 und in Haiti 2010. Hugo Chavez, Präsident des südamerikanischen Landes Venezuela, warf den USA sogar öffentlich vor, Haiti mit einer „Erdbebenwaffe“ angegriffen zu haben. Im Netz kommt eine Erwähnung des HAARP daher zumeist nicht ohne gleichzeitigen Verweis auf die zahlreichen Verschwörungstheorien aus. Alleine der Titel des Buches „Angels Don't Play This HAARP“ führt zu über 600.000 Suchtreffern bei Google.

Was ist dran?

Verschwörungsanhänger dürften vor allem auf die Vorgeschichte des HAARP verweisen. Im Mittelpunkt steht dabei der Amerikanische Physiker Bernard Eastlund. Er soll in den 80er Jahren ein Vorläufermodell der Anlage mitinitiiert haben und stellte unter anderem die These auf, durch die Erwärmung der Ionosphäre seien die globale Kommunikation, das Wetter und menschliche Gedanken zu beeinflussen. Für eine Technologie zur Wetterveränderung meldete er sogar ein Patent an. Einige seiner Patente erwarb später der Rüstungskonzern APTI – der auch am Bau des HAARP beteiligt war. Eastland behauptete daher bis zu seinem Tod 2007, HAARP sei vor allem zur Verwirklichung seiner Patente gebaut worden.

Ganz frei von Misstrauen zeigte sich auch das Europäische Parlament nicht. 1998 führte der dortige Unterausschuss für Sicherheit und Abrüstung eine Anhörung zu dem Thema durch. Dabei hörte die Kommission als Sachverständigen ausgerechnet Nick Begich an. Danach drückte das Europäische Parlament Anfang 1999 wenig überraschend sein Bedauern über die Informationspolitik der USA bezüglich HAARP und den Bedarf nach weiteren unabhängigen Untersuchungen zu den Auswirkungen der Anlage aus.

Als Reaktion auf das schlechte Image wird mittlerweile jedes Jahr ein Tag der offenen Tür am HAARP veranstaltet. Auch Praktika werden angeboten. Ähnliche, wenn auch nicht ganz so leistungsstarke Anlagen gibt es in Norwegen und Russland.

Was sagt der Experte?

Florian Aigner ist ein österreichischer Physiker und Wissenschaftspublizist. Für ihn reicht der Blick auf die in der HAARP-Anlage produzierbaren Leistungen, um den Humbug um eine Wetterkontrolle zu widerlegen. „Dort können 3,6 Megawatt erzeugt werden. Das klingt natürlich beeindruckend, entspricht aber der Leistung von ungefähr rund 3000 Staubsaugern. Damit kann man keine Naturkatastrophen auslösen“, sagt Aigner. Messergebnisse und Daten zu HAARP seien im Übrigen auf der Homepage der Anlage nachzulesen.

 Florian Aigner ist ein österreichischer Physiker.

Florian Aigner ist ein österreichischer Physiker.

Foto: Florian Aigner

Auch physikalisch sei die Vorstellung „hanebüchen“, man könne mit elektromagnetischen Wellen die Erdkruste zu beeinflussen, da diese nicht elektrisch geladen sei. „Die Energie kann zwar absorbiert werden, aber selbst dann reicht die Leistung nicht für eine Naturkatastrophe aus“, sagt Aigner.

Und die Theorie mit der Manipulation der Gedanken? „Natürlich spielen elektrische Vorgänge in unserem Gehirn eine Rolle. Aber so wie von den Verschwörern behauptet, funktioniert unser Gehirn nicht. Wir haben keine Radioantenne, daher beeinflussen uns die Wellen genauso wenig wie der Wechselstrom in unseren Stromleitungen“, sagt Aigner.

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