Humbug! Drohen „Men in Black“ den Ufo-Sichtern?

Serie · Schwarz gekleidete Männer besuchen unschuldige Bürger, die ungewöhnliche Beobachtungen am Himmel gemacht haben: Der Verschwörungstheorie zufolge suchen die „Men in Black“ Ufo-Sichter auf und bringen sie zum Schweigen über das Gesehene. Was ist dran?

 Drei Männer posieren als übergroße „Men in Black“ in Linz.

Drei Männer posieren als übergroße „Men in Black“ in Linz.

Foto: frei

Die „Men in Black“-Filme mit Will Smith und Tommy Lee Jones sind Kult. Dass dahinter eine echte Verschwörungstheorie steckt, wissen die wenigsten. Tatsächlich glauben sogenannte Ufologen an die Existenz der in schwarz gekleideten Männer.

Was wird behauptet?

In schwarz gekleidete US-Geheimdienstmitarbeiter suchen Zeugen von Ufo-Sichtungen zu Hause auf und schüchtern sie so stark ein, dass sie niemandem von ihren Beobachtungen erzählen. Anders als im Film löschen die „Men in Black“ dabei nicht die Erinnerung der betreffenden Personen, sondern bringen sie dem Mythos zufolge mit Drohungen zum Schweigen. Alle angeblichen Zeugen solch ominöser Besuche beschreiben die Männer als hochgewachsen und schlank, zudem sollen sie sich untereinander verblüffend ähnlich sehen.

Woher kommt der Humbug?

Die „Men in Black“-Theorie ist in der Hochzeit der Ufo-Begeisterung in den 1950er-Jahren entstanden. Als Erster darüber berichtet hat der mittlerweile verstorbene Ufologe Albert K. Bender. Er behauptet, er habe im Jahr 1953 Besuch von mehreren schwebenden Wesen erhalten, die ihn davor gewarnt hätten, sein Wissen über unbekannte Flugobjekte mit der Öffentlichkeit zu teilen. Über die Begegnung mit den Außerirdischen schrieb Bender 1962 das Buch „Flying Saucers and the Three Men“ (Fliegende Untertassen und die drei Männer).

Bender war außerdem Gründer des ersten Ufo-Clubs der Welt, dem „International Flying Saucer Bureau“, den er aber bereits 1953 wieder auflöste. Ein britischer Ableger existierte jedoch bis noch vor einigen Jahren. Nach beinahe 50 Jahren der Aufzeichnung vermeintlicher Ufo-Aktivitäten schloss das Büro 2001; ein drastischer Rückgang gemeldeter Sichtungen von mindestens 30 pro Woche auf praktisch keine führte zum Ende des Büros.

Wie verbreitet ist der Humbug?

Wie verbreitet die Theorie und wie groß ihre Anhängerschaft ist, lässt sich schwer sagen. Einer YouGov-Umfrage aus dem Jahr 2015 zufolge glauben jedoch rund 56 Prozent der Deutschen an die Existenz außerirdischen Lebens, in den USA sind es 52 Prozent. Die wahrscheinlichsten Erklärungen dafür, warum bisher noch kein Beweis für außerirdisches Leben erbracht werden konnte, sind laut den Befragten dabei mit Abstand, dass die Außerirdischen so weit von uns entfernt sind, dass Kontakt bisher nicht möglich war oder dass unsere Technologie noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Jeweils mehr als die Hälfte derer, die in Deutschland an die Existenz außerirdischen Lebens glauben, zählen diese Aussagen zu den drei plausibelsten Erklärungen (Entfernung: 59 Prozent, Technologie: 51 Prozent).

Auch in den USA und in Großbritannien liegen die beiden Gründe an der Spitze. Allerdings in den USA dicht gefolgt von einer Verschwörungstheorie: Knapp jeder dritte Amerikaner (30 Prozent), der an die Existenz außerirdischen Lebens glaubt, glaubt auch, dass es doch schon Kontakt mit den Außerirdischen gab – nur die Politik die Bevölkerung im Unklaren lässt. In Deutschland und Großbritannien glaubt dies immerhin jeweils jeder Sechste (17 Prozent).

Was ist dran? Was sagen die Experten?

„Die Men in Black-Theorie ist keine einheitliche Verschwörungstheorie, sie ist eher ein Mischmasch aus verschiedenen Elementen“, erklärt Daniel Brandau, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin. Bei ihr schlüpfe die Staatsgewalt in die Rolle des Bösen und wolle die Ufologen an der Aufklärung über Ufo-Sichtungen hindern. „Da vermischt sich die gesunde Skepsis gegenüber staatlicher Macht mit Ängsten oder dem Glauben an das Böse“, sagt Brandau. Populär sei diese Vorstellung vor allem in den 90er-Jahren gewesen, was sowohl mit Erscheinen des Comics sowie der „Men in Black“-Filme zu tun habe. Aber auch „eine Konjunktur des Verschwörungsdenkens nach Ende des Kalten Krieges“ – als die Weltordnung laut Brandau undurchsichtiger wurde – habe die Verbreitung gefördert. Wie viele Anhänger der Mythos hat, könne Brandau nicht so genau sagen. „Vermutlich ist sie aber in den USA verbreiteter als hierzulande, da die Ufologie in den USA insgesamt präsenter ist und mehr Anhänger hat“, sagt der Experte.

 Der Wahrheitsgehalt der Theorie sei begrenzt. „Die amerikanische Regierung hat die Ufo-Gläubigkeit in der Bevölkerung während des Kalten Krieges mit Sorge beobachtet – weil man Angst hatte, die Sowjetunion könne dies zur psychologischen Kriegsführung ausnutzen“, so Brandau. „Aber Men in Black, die Alien-Zeugen besuchen und deren Gedächtnis löschen, sind dann wirklich eher ein Mythos.“

„Unbekannte Flugobjekte wurden zunächst gar nicht als etwas Außerirdisches wahrgenommen“, ergänzt Alexander C. T. Geppert, Weltraumhistoriker und Professor für Europäische Geschichte an der New York University in New York und Shanghai. „Der Begriff der ‚fliegenden Untertassen’ entstand auch erst rund fünf Jahre nachdem Ufos 1947 zum ersten Mal gesichtet wurden“, so der Wissenschaftler. Binnen kurzer Zeit habe sich dann aber eine Bewegung entwickelt, die die Existenz von Ufos erforschte und eine eigene Wissenschaft darum aufbauen wollte. Ufos werden zum populärkulturellen Phänomen. Es entstanden zahlreiche Mythen um angebliche Sichtungen – und verschiedene Verschwörungstheorien. Ein „Subthema“ dieser Theorien, so Geppert, sei die Erzählung der „Men in Black“.

„Wer die Men in Black aber genau sein sollen, war und ist noch immer völlig unklar“, sagt der Historiker. In den Erzählung von Alfred K. Bender waren es wohl Außerirdische, die die Erde heimgesucht haben. „Im Film ‚Men in Black’ wird der Mythos jedoch umgekehrt: Dort handelt es sich um staatliche Geheimagenten, die die Menschheit vor sich selbst schützen wollen, indem sie das Wissen um die Existenz außerirdischen Lebens von ihr fernhalten“, sagt Geppert. „Und indem sie auch die irdischen Außerirdischen unter Kontrolle zu halten versuchen, sodass die Menschen nicht merken, dass sie schon lange unter ihnen leben.“ Unterschiedliche Anschauungen lägen zwar in der Natur der Pseudowissenschaft der Ufologie. „In der ufologischen Szene wurde schon immer wahnsinnig untereinander gestritten“, sagt Geppert. „Doch mit der Umkehrung der Theorie in den Filmen wird der Mythos derart verulkt, dass er selbst für die härtesten Ufologen nicht mehr funktioniert.“ Sein Eindruck ist, dass die Theorie auch deshalb nicht besonders populär ist. Sie sei zudem nur ein kleiner Baustein im Ufo-Universum. „Die Filme greifen sie zwar auf, ironisieren die Verschwörungstheorie aber stark“, sagt Geppert. „Das ist ein sehr interessantes Phänomen, das ich in dieser Art bisher nur bei der ‚Men in Black’-Theorie gesehen habe.“

Dass Theorien über Außerirdische und Ufos vor rund 70 Jahren überhaupt entstanden sind, kann laut Geppert verschiedene Ursachen haben. „Zu den Ursprüngen gibt es breite, unspezifische Argumentationsweisen“, sagt der Professor. „Ein Erklärungsansatz ist, dass die Menschheit Angst habe, allein im Universum zu sein. Einige glauben auch, dass Außerirdische auf uns aufmerksam wurden, als wir selbst begannen, uns auf den Weg in die Galaxie zu machen, um sie zu erforschen.“ Ein andere Hypothese laute, dass es überall Außerirdische unter uns auf der Erde gebe – und dass mit der Zündung der ersten Atombomben das kosmische Gleichgewicht ins Wanken geraten sei und sie sich darauf zu erkennen gegeben hätten. Nach Gepperts Einschätzung haben die Theorien um Außerirdische und angebliche Sichtungen von Ufos in der Corona-Pandemie wieder mehr Verbreitung gefunden. Dass auch die „Men in Black“-Theorie irgendwann eine Renaissance erlebe, sei zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

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