Baskenland: Traditionelle Freizeitbetätigungen Holzhacken erobert die Sportlerherzen
Leitza (dpa). Hierzulande dient das Holzhacken in der Regel der Vorbereitung von Grill-Abenden oder Lagerfeuern. Im Baskenland ist das Holzhacken eine landestypische Sportart und heute bei weitem keine Männerdomane mehr.
Einen Baumstamm von einem Meter Durchmesser hackt Cristina Saralegi in weniger als drei Minuten in zwei Teile. Mit beiden Beinen steht sie auf dem Stamm, hebt die Arme, deren Verlängerung die fast drei Kilo schwere Axt ist, weit über den Kopf, fixiert mit den Augen ihr Ziel - und schlägt zu. Ein Mal, zwei Mal drei Mal - dann dreht sie sich um und versucht, den Stamm auf gleicher Höhe von der anderen Seite zu treffen.
Cristina ist 25 Jahre alt und Aizkolari. So heißen die baskischen Sportler, die beim Thema Holzhacken nicht an Kaminfeuer und Späne, sondern an Wettkämpfe auf baskischen Dorfplätzen und den Jubel der Zuschauer denken. Nur drei von ihnen sind Frauen. Denn lange Zeit waren die typischen Sportarten der Basken eine Männerdomäne. Sie entwickelten sich aus der Arbeit der Bauern, denen das Holzhacken, Häuserbauen und Mähen doppelt so viel Spaß machte, wenn sie um die Wette arbeiteten.
Um das Spektakel für Zuschauer interessanter und für wettende Fans gerechter zu machen, wurden Regeln für das Holzhacken, Steinestemmen, Sensenmähen und Strohballenwerfen erfunden. Diese gelten - obwohl jahrhundertealt - meist heute noch. Genauso wie es auch im Sommer 2000 kein Dorffest ohne Herrikirolak geben wird. „Herrikirolak“ ist baskisch. „Herri“ heißt Volk und „kirolak“ Sport. Worte, die Cristina stolz machen.
Der stämmigen jungen Frau liegt das Holzhacken im Blut. „Für mich ist es leicht“, sagt sie, „aber eigentlich ist es schwer, denn man muss Kraft haben und Lust auf diese Art von Sport.“ Ihr Vater war ein engagierter baskischer „Volkssportler“, und alle ihre Brüder haben sich dem Sport verschrieben. Ihr 32 Jahre alter Bruder Migeltxo ist Harrijasotzailea - Steinestemmer. Und seit sieben Jahren Weltmeister. Im Steinestemmen. Kugeln, Quader und Zylinder aus Quarz, bis zu 327 Kilogramm schwer, stemmt er auf seine Schulter.
„Mit unserem Sport wollen wir die baskische Kultur unserer Vorfahren bewahren. Das ist unsere nationale Pflicht“, sagt Migeltxo. In seiner Familie wird baskisch gesprochen. Die baskische Kultur geht ihm über alles. Die baskische Politik dagegen lässt die Saralegis kalt. Zumindest wollen sie nicht darüber reden. Auch an ihrem Hof in Leitza bei San Sebastian in Nordspanien hängt kein Plakat der militanten baskischen Separatisten - anders als an den Balkonen der meisten Häuser im Dorf. „Das einzige, was die meisten Menschen vom Baskenland kennen, ist die Gewalt“, bedauert Migeltxo. „Aber wenn wir zeigen, dass es etwas ganz Besonderes gibt, etwas Altes, das schon lange vor der Gewalt existierte“, dann, so hofft er, „sehen die Menschen das andere Gesicht des Baskenlandes.“
Für dieses andere Gesicht seines Landes trainiert Migeltxo jeden Tag. Er arbeitet in einem Sportstudio und stemmt vor und nach der Arbeit Gewichte, um seine Rückenmuskulatur zu kräftigen. Zwei Mal pro Woche trainiert er „am Stein“ und trägt dazu sein Harrijasotzailea- Trikot: Ein Wams aus zwei bis drei Zentimeter dickem Leder, eine Hose mit dicken Lederkissen, die auf die Oberschenkel aufgenäht sind und den acht Meter langen Stoffgürtel, den er sich um die Hüfte wickelt. Der Stein, den er gleich heben wird, liegt vor ihm, auf einem Kissen. Er wurde, wie die Lederpolster des Trikots, mit Harz eingerieben, um griffiger zu werden. Gehoben wird er in fünf Etappen: Erst auf die Oberschenkel, von dort mit einer Kante auf den Gürtel, auf dem Brustkissen zwei Mal pumpen und dann - hopp - auf die Schulter.
Migeltxo war zwölf Jahre alt, als er beim berühmten Stadtfest „Sanfermines“ in Pamplona zum ersten Mal einen Stein anhob. Der war 75 Kilo schwer, und Migeltxo fand es „einfach und spaßig“ ihn zu stemmen. Um Herrikirolak richtig bekannt zu machen, fing er an, immer spektakulärere Steine zu stemmen. „Wenn ein Zuschauer kommt und den Stein, den ich auf die Schulter hebe, nicht einmal rollen kann, dann ist er beeindruckt“, meint Migeltxo. „Oder wenn Cristina eine Axt schwingt, die die meisten Frauen kaum richtig halten können.“ Er hat Recht und so viele Fans, dass die Familie schon acht Mal in den USA war, um ihren Sport vorzuführen. „Wir sind eine Attraktion“, weiß Migeltxo. „Hier im Dorf kennt uns jeder.“ Normalerweise würde ihm, dem Bauernjungen aus Leitza, das genügen. „Aber inzwischen fühlen wir uns längst als Botschafter der baskischen Kultur.“