Schwalbach Hatte der Serienmörder einen Komplizen?

Schwalbach · Der mutmaßliche Serienmörder aus Hessen soll noch mehr Taten begangen haben als die bislang untersuchten sechs. Den Ermittlungen zufolge könnte er zehn Menschen getötet haben. Möglicherweise hatte er einen Mittäter.

Manfred S. war beliebt im hessischen Schwalbach. Im 15.000-Einwohner-Örtchen im Taunus galt der 67-Jährige bis zu seinem Krebstod vor zwei Jahren als hilfsbereiter, geselliger und unbescholtener Familienvater. Niemand ahnte etwas von seinem Doppelleben, das er offenbar 43 Jahre lang führte. Erst nach seinem Ableben im August 2014 änderte sich das Bild des freundlichen Nachbarn, das man von ihm in Schwalbach hatte. Nachdem seine Tochter beim Ausmisten einer Garage Leichenteile in Fässern entdeckt hatte, begannen die Ermittlungen der Polizei, die nun, zwei Jahre später, zu dem Ergebnis gekommen sind: Manfred D. war ein mutmaßlicher Serienmörder, der mindestens sechs Menschen auf bestialische Art und Weise umgebracht hat - vermutlich aber noch wesentlich mehr.

Das hessische Landeskriminalamt (LKA) teilte gestern mit, dass es als ziemlich sicher gilt, dass Manfred D. eine Prostituierte tötete, deren zerstückelte Leiche in seiner Garage gefunden wurde. Hinzu kommen zwei Morde an Prostituierten in den 90er Jahren in Frankfurt am Main, deren abgetrennte Köpfe man in einem Wald fand, sowie zwei Morde an Frauen ebenfalls in Frankfurt, jedoch schon in den 70er Jahren. "Außerdem passt der Fall des 1998 in Frankfurt-Höchst getöteten 13-jährigen Tristan ins Bild, obwohl es sich beim Opfer um einen Jungen handelte", sagte LKA-Präsidentin Sabine Thurau. Hinzu kämen mindestens vier weitere Fälle, die zumindest einzelne Ähnlichkeiten aufwiesen. Darüber hinaus gibt es laut der eingerichteten Sonderkommission "Alaska" aber noch eine ganze Reihe weiterer Delikte. Das LKA vermutet, dass S. noch deutlich mehr Menschen umgebracht haben könnte und untersucht deswegen hunderte ungeklärter Mord- und Vermisstenfälle aus ganz Deutschland.

Die Ermittler schließen nicht aus, dass der mutmaßliche Serienmörder möglicherweise einen Mittäter hatte. "Besonders eine Leiche lässt daran denken, dass hier möglicherweise zwei Täter ihre Fantasien ausgelebt haben", sagte Soko-Mitglied Frank Hermann. Bei all seinen Opfern habe der Täter sadistische sexuelle Fantasien ausgelebt. Den Opfern wurden Organe entnommen und Körperteile abgetrennt. "Das Ganze geschah post mortem, in einem Fall aber auch zu Lebzeiten. Das war die Spitze der Auslebung seiner sexuellen Fantasien", sagte Hermann. Es sei ein sehr grausames und sadistisches Vorgehen gewesen. Wieso der Täter das machte, wissen die Ermittler noch nicht - sie können bislang nur über das Motiv spekulieren. "Mal war es ein rechtes Bein, mal ein linker Arm. Rechnet man die Körperteile zusammen, könnte man sich dadurch einen neuen Körper herstellen", sagte Hermann.

Das Verletzungsbild, das bei der zerstückelten Frauenleiche in der Schwalbacher Garage festgestellt wurde, sei auch bei fünf weiteren Morden in den vergangenen Jahrzehnten nachgewiesen worden, so die Polizei. Auf dem Computer des Verstorbenen seien außerdem Dateien mit Abbildungen sexueller Gewaltfantasien gefunden worden, die "fast eins zu eins" den Verletzungen bei den mutmaßlichen Opfern entsprochen hätten.

Seine Opfer suchte er sich meistens im Rotlichtmilieu rund um den Frankfurter Hauptbahnhof. Die Frauen brachte er, so vermuten es die Ermittler, in einem Radius von 15 Kilometern um sein Wohnhaus in Schwalbach um. Darauf deuteten auch die Fundorte der Leichen und Leichenteile hin.

Eine Ausnahme bei der Wahl der Opfer sei jedoch der Fall Tristan. Der Schüler wurde am 26. März 1998 in einem Tunnel des Liederbachs nahe dem Bahnhof Frankfurt-Höchst grausam ermordet. Der Täter schnitt dem Jungen in den Nachmittagsstunden die Kehle durch. Vom leblosen Körper schnitt er Muskelfleisch und die Hoden ab und nahm beides im Rucksack des Schülers mit. "Der Fall weist deutliche Parallelen zu den Prostituierten-Morden auf", so ein Ermittler. "Auch bei Tristan hat der Täter sadistische sexuelle Fantasien ausgelebt."

Nicht nur in Schwalbach fragt man sich, wie Manfred S. so lange unbemerkt morden konnte? Die Ermittler der Soko "Alaska" haben darauf noch keine Antwort. "Er ist bis zu seinem Tod polizeilich nie aufgefallen", sagte Soko-Mitglied Hermann.

(csh)
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