Diebstahl nicht ausgeschlossen Gehirne toter RAF-Terroristen weg

Hamburg (rpo). Spurlos verschwunden sind offenbar die Gehirne der einstigen RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Mehr als zehn Jahre lang lagen sie in der Sammlung der Uni-Klinik Tübingen.

Bisher war nur bekannt, dass das Gehirn der Terroristin Ulrike Meinhof dort untersucht und zu Forschungszwecken weitergegeben wurde. Völlig unklar ist dem Spiegel-Bericht zufolge, was nach über zehn Jahren Lagerung im Tübinger Hirnarchiv mit den Gehirnen Baaders, Ensslins und Raspes geschah. Zuletzt seien sie 1988 gesehen worden. Das Meinhof-Gehirn erhielt ein Magdeburger Forscher; es soll nun zur Bestattung den Angehörigen übergeben werden.

Die Spur der drei anderen Gehirne verlor sich dem Bericht zufolge, als 1988 der Chef der Neuropathologie des Tübinger Uni-Klinikums, Jürgen Peiffer, in Ruhestand ging. Peiffer war von der Staatsanwaltschaft Stuttgart elf Jahre zuvor mit der Untersuchung der Gehirne beauftragt worden. Dem "Spiegel" sagte er, er wisse nicht, was mit den drei Organen nach seinem Ausscheiden passiert sei. Sein Nachfolger Richard Meyermann vermutet, dass sie möglicherweise beim Aufräumen aussortiert und verbrannt wurden. Dies sei das übliche Vorgehen, um in dem Hirnarchiv Platz zu schaffen.

Einen schriftlichen Vermerk oder Anordnungen der Staatsanwaltschaft dazu gebe es nicht. Das Gehirn der 1976 gestorbenen Meinhof war im Zuge von Recherchen der Meinhof-Tochter und Journalistin Bettina Röhl aufgetaucht. Der Hirnforscher Bernhard Bogerts von der Universität Magdeburg hatte das Organ 1997 zu Forschungszwecken aus Tübingen erhalten. Röhl zeigte den Tübinger Neuropathologen Peiffer wegen Störung der Totenruhe ihrer Mutter an.

In Magdeburg stellte Hirnforscher Bogerts an dem Gehirn eine krankhafte Veränderung fest, die seiner Ansicht nach die Schuldfähigkeit von Meinhof in Zweifel zieht. Die Erkenntnisse dürfen jedoch nicht veröffentlicht werden, beschloss die Ethikkommission der Universität Magdeburg vergangene Woche. Die Angehörigen Meinhofs hatten neue Untersuchungen ausdrücklich verweigert. Die Terroristin war 1974 wegen Mordversuchs als voll schuldfähig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden.

Zwei Jahre später erhängte sie sich in einer Zelle des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim. Ihre Komplizen Baader, Ensslin und Raspe begingen 1977 in Haft ebenfalls Selbstmord, nachdem sie von der erfolgreichen Erstürmung der entführten Lufthansa-Maschine "Landshut" in Mogadischu (Somalia) erfuhren. Was mit Organen aus Gerichtsobduktionen geschieht, ist in Deutschland laut "Spiegel" zumeist nicht geregelt. Lediglich in den Bundesländern Berlin, Bremen, Hamburg und Sachsen gebe es dazu Vorschriften. Meist entscheide der einzelne Gerichtsmediziner, wie lange er Leichenteile archiviert. Pathologen fordern daher ein bundeseinheitliches Gesetz.

(RPO Archiv)
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