New Fünfjähriger erschießt kleine Schwester

New · Nach dem tödlichen Unfall im US-Bundesstaat Kentucky geraten die Waffenhersteller unter Druck. Der Schuss fiel aus einem Gewehr speziell für Kinder. Die Firma wirbt mit dem Spruch "Qualitätswaffen für Amerikas Jugend".

York Es heißt verniedlichend harmlos "Crickett", Grille – das Gewehr, mit dem ein fünfjähriger Junge in Cumberland im US-Bundesstaat Kentucky seine zwei Jahre alte Schwester erschossen hat. Auf der Internetseite des Waffenherstellers Keystone wirbt das Unternehmen mit dem nach dem schrecklichen Vorfall zynisch klingenden Spruch "Qualitätswaffen für Amerikas Jugend". Die Gewehre, heißt es dort weiter, sollten Kinder zum verantwortungsvollen Umgang mit Waffen bei der Jagd und im Schießsport animieren. Auf der Internetseite, in der Rubrik "Kinderecke", sind auch Bilder von Säuglingen und Kleinkindern zu sehen, denen Gewehre mit Zielfernrohr in den Arm gelegt wurden. Die Waffen werden in allerlei bunten Dekors angeboten, darunter auch in Pink für Mädchen.

Das Gewehr, aus dem der tödliche Schuss fiel, besaß der Junge schon ein Jahr. Er habe die Waffe der Marke "My First Rifle" ("Mein erstes Gewehr") im vergangenen Jahr geschenkt bekommen, schreibt die lokale Nachrichten-Internetseite "kentucky.com". Der Junge habe mit einem einzelnen Schuss in die Brust das zwei Jahre alte Mädchen getötet, bestätigte das Sheriffsbüro von Cumberland in Kentucky. Angeblich war die Mutter der Kinder gerade auf der Veranda und putzte, als der tödliche Schuss fiel. Sie habe einen leisen Knall gehört und sei daraufhin ins Haus gelaufen. Das Mädchen sei noch ins Krankenhaus gebracht worden, konnte dort aber nur noch für tot erklärt werden. Die Waffe hatte den Angaben zufolge in einer Ecke des Kinderzimmers gestanden, noch mit einer Kugel in der Kammer. Laut einer späteren Aussage der Eltern wussten diese nicht, dass das Gewehr geladen war.

Wie genau es zu dem tödlichen Schuss kommen konnte, war gestern noch unklar. Zunächst werde die Tat wie ein Unfall behandelt, hieß es aus dem Sheriffbüro. Die genauen Untersuchungen werden aber noch einige Tage in Anspruch nehmen. Die Waffe soll kein Luftgewehr, sondern eine scharfe Waffe im Kaliber 22 gewesen sein. Das ist ein kleines Kaliber mit 5,6 Millimetern, gleichwohl aber eine tödliche Patrone. Auch die Nato-Munition ist von ähnlichem Durchmesser, wenn auch mit deutlich höherer Treibladung und fast doppeltem Geschossgewicht. Das Unternehmen Keystone stellt nach eigenen Angaben 60 000 Waffen im Jahr (Zahlen aus 2008) her.

Erst vor drei Wochen hatten zwei Kleinkinder kurz hintereinander zwei Menschen getötet: In New Jersey erschoss ein Vierjähriger mit einem Gewehr einen Sechsjährigen. In Tennessee tötete ein ebenfalls Vierjähriger mit einer Pistole eine 48-Jährige. In beiden Fällen waren die Waffen geladen und ungesichert. Jedes Jahr töten Schusswaffen in den USA etwa 30 000 Menschen. Gut die Hälfte davon sind Suizide, etwa ein Drittel Morde.

Die Zahl der tödlichen Unfälle liegt insgesamt im unteren vierstelligen Bereich. Über die Umstände von unbeabsichtigten Todesfällen durch Schusswaffengebrauch liegt in den USA kaum Datenmaterial vor. Laut dem US-Zentrum für Krankheiten-Kontrolle starben im Jahr 2009 114 Jugendliche unter 20 Jahren an den Folgen von unbeabsichtigtem Schusswaffengebrauch. Bei 66 dieser Fälle waren die Opfer zwischen 15 und 19 Jahren alt.

In Deutschland forderten Hinterbliebene von Getöteten gestern erneut striktere Waffengesetze. "Wir wollen eine zentrale Aufbewahrung von Waffen", sagte der Vorsitzende der Stiftung gegen Gewalt an Schulen, Hardy Schober. Ein Bericht der Bundesregierung zur Waffenaufbewahrung habe gezeigt, dass in Privathaushalten viele Waffen nicht ausreichend gesichert seien. Schober, dessen Tochter beim Amoklauf von Winnenden im März 2009 erschossen wurde, räumte jedoch auch ein, dass eine Tragödie wie in Kentucky in Deutschland sehr viel schwerer möglich sei. Eine Waffenerlaubnis bekommen in Deutschland nur Antragsteller, die mindestens 18 Jahre alt sind.

(RP)
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