Hohe Zahl an Verkehrstoten setzt Polizei in Alarmbereitschaft Frankreich macht gegen Verlehrssünder mobil
Paris (AP). "Wir haben hier in Frankreich die schlechtesten Autofahrer in Europa", stellt der Vorsitzende des Verbandes für Verkehrssicherheit, Jean Flory, verbittert fest. Die hohe Zahl von Verkehrstoten an den vergangenen zwei Wochenenden hat die französischen Behörden in Alarmbereitschaft versetzt. Der zuständige Minister Jean-Claude Gayssot zog die Konsequenz: Ein Großaufgebot an Polizei und Gendarmerie wird in den kommenden Tagen im Einsatz sein. "Frankreichs Straßen im Belagerungszustand", kommentierte der Fernsehsender TF1.
Über Ostern starben 90 Menschen bei Verkehrsunfällen; am 1.-Mai-Wochenende gab es sogar 98 Tote. Fast 2.000 Personen wurden verletzt. "In 90 bis 95 Prozent der Fälle", so schätzt Flory, "verursacht falsches Fahrverhalten das Unglück." An oberster Stelle stehen dabei Alkohol am Steuer sowie zu schnelles Fahren. Informationskampagnen der Regierung verhallten ohne Wirkung. Dabei hatten erst Anfang des Jahres vom Verkehrsministerium in Auftrag gegebene Fernsehspots wegen ihrer sehr drastischen Bilder von Unfallopfern und trauernden Angehörigen für Aufregung in Frankreich gesorgt.
"Wenn man uns mit den Nachbarländern vergleicht, stellt man fest: Wir haben die gleichen Autos, wir haben eine ebenso gute Infrastruktur, wir haben die gleichen Verkehrsregeln", meint Flory. "Der Unterschied ist der Fahrer." Von "Arroganz am Steuer" spricht Christiane Cellier, Präsidentin einer Stiftung für Unfallopfer. "Die Franzosen glauben, dass Unfälle immer nur anderen passieren können", sagte sie der Zeitung "Le Figaro".
Mit 8.487 Verkehrstoten war Frankreich 1999 Spitzenreiter in Europa, was die Zahl tödlicher Autounfälle betrifft. Auf die Einwohnerzahl hochgerechnet, schnitten nur Griechenland und Portugal schlechter ab als die "Grande Nation". Grund genug für Minister Gayssot, jetzt ein Exempel statuieren zu wollen: Am bevorstehenden verlängerten Wochenende - das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai ist in Frankreich Feiertag - werden mehr als 20.000 Polizisten auf den Beinen sein. "Ich würde lieber überzeugen als zwingen", sagte Gayssot vor Journalisten. "Aber angesichts der hohen Unfallzahlen muss nun eben die Angst vor Bestrafung unverantwortliche Autofahrer dazu bringen, sich vernünftig zu verhalten. Ich will am kommenden Wochenende nicht schon wieder 100 Tote haben."
Verkehrsverstöße als Kavaliersdelikt
Verkehrssünder sollen die ganze Härte des Gesetzes zu spüren kriegen - etwas, woran es in Frankreich bislang oft haperte. Verstöße gegen die Verkehrsordnung werden gerne als Kavaliersdelikte betrachtet. "Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit gelten häufig als Einschränkung der individuellen Freiheit", klagt Flory. Dabei, so betont die Beauftragte der Regierung für mehr Sicherheit auf den Straßen, Isabelle Massin, seien die Gesetze zur Ahndung von Verkehrsverstößen ausreichend. "Aber die Toleranz ist zu groß", sagt sie.
Ein Urteil des französischen Kassationshofes scheint dies zu bestätigen. Mit mehr als 200 Stundenkilometern auf der Autobahn zu fahren - die Geschwindigkeitsbegrenzung beträgt dort 130 Kilometer - sei nicht zwangsläufig eine Gefährdung des Lebens Dritter, entschieden Richter am Freitag. Die Verurteilung des betreffenden Autofahrers - zwei Monate Gefängnis auf Bewährung und sechs Monate Führerscheinentzug - wurde aufgehoben und der Fall an das zuständige Gericht in Montpellier zurückverwiesen.