Fall Peggy Foltervorwürfe gegen Ermittler

Bayreuth · Vor 13 Jahren ist die damals neunjährige Peggy verschwunden. Der geistig behinderte Ulvi K. wurde als Mörder des Mädchens verurteilt. Später wurden Zweifel an seiner Schuld laut. Nun wird der Prozess neu aufgerollt.

Der neue Prozess gegen den geistig Behinderten Ulvi K. wegen Mordes an der neunjährigen Peggy hat mit schweren Vorwürfen gegen Polizei und Staatsanwaltschaft begonnen. "Mein Mandant ist während der Vernehmung auch gefoltert worden", sagte Verteidiger Michael Euler gestern vor dem Landgericht Bayreuth. Ermittlungspannen, Falschaussagen und fehlerhafte Ergebnisse hätten dazu geführt, dass Ulvi K. im April 2004 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde — dabei sei bis heute keine Leiche gefunden worden.

Am 7. Mai 2001 war die Schülerin Peggy im oberfränkischen Lichtenberg spurlos verschwunden. Der Fall muss neu aufgerollt werden, weil beim ersten Prozess nicht bekannt war, dass die Ermittler eine Tathergangshypothese angefertigt hatten — sie war dem späteren Geständnis von Ulvi K. verblüffend ähnlich. Zudem widerrief ein wichtiger Belastungszeuge seine Aussage. Er hatte behauptet, Ulvi K. habe ihm den Mord an Peggy gestanden. Dies sei jedoch eine Lüge gewesen, räumte er später ein. Euler hält seinen heute 36 Jahre alten Mandanten für ein Justizopfer: "Denn es ist nur schwer zu glauben, dass ein geistig Behinderter das perfekte Verbrechen begangen haben soll. Ohne Leiche. Ohne Spuren." Ein Polizist habe damals mit seinem Daumen in den Rücken des Angeklagten gedrückt und ihm Schmerzen zugefügt, sagte der Verteidiger.

Die Staatsanwältin Sandra Staade wies den Folterverdacht zurück und warf Euler vor, sich im Ton vergriffen zu haben. Ulvi K. habe bei seinen damaligen Vernehmungen insgesamt vier völlig widersprüchliche Geständnisse abgelegt, sagte Euler. Er zitierte aus einem psychiatrischen Gutachten, wonach Ulvi K. die Begabung habe, selbst Lügengeschichten äußerst fantasiereich zu erzählen. Die Geständnisse seien solche Fantasiegeschichten gewesen. K. nannte den Ermittlern verschiedene Orte, wo er Peggys Leiche angeblich verschwinden ließ. Doch an keiner Stelle wurde das Mädchen gefunden.

Sein Mandant habe aus panischer Angst vor dem Gefängnis die Geschichten erzählt, sagte Euler. Die Beamten hätten ihn teils mit Schokolade zu Aussagen überredet. Immer wieder sei ihm eingeredet worden, er müsse nicht ins Gefängnis, wenn er nur die Wahrheit sage. Der Gastwirtssohn, der damals das geistige Niveau eines Zehnjährigen gehabt habe, sei nach den Befragungen immer "fix und fertig" gewesen. Er habe gezittert und mit Medikamenten beruhigt werden müssen. "Selbst jemand, der nicht geistig behindert ist, gibt in so einer Situation vieles zu", sagte Euler.

Vor Beginn des Prozesses begrüßte die Mutter von Peggy Ulvi K. mit Handschlag. Staatsanwalt Daniel Götz verlas zum Auftakt die gleiche Anklageschrift wie beim ersten Prozess vor zehn Jahren. So sehen es die Regularien vor. Die Strafkammer am Landgericht Hof war 2004 davon überzeugt, dass Ulvi K. die Schülerin zunächst auf einem Feldweg verfolgte und ihr dann so lange Mund und Nase zuhielt, bis sie sich nicht mehr rührte. Mit diesem Mord habe er einen vier Tage zuvor begangenen sexuellen Missbrauch an Peggy vertuschen wollen, hieß es im Urteil. Staatsanwältin Staade entgegnete Euler, er habe nur die für seinen Mandanten entlastenden Fakten aus den Ermittlungsakten erwähnt. Für das Verfahren sind zehn Verhandlungstage angesetzt.

(dpa)
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