"Hart aber Fair" mit Frank Plasberg Zehn Jahre Hartz IV: Es lebe das Klischee

Düsseldorf · Das Thema ist ein Dauerbrenner, ob in der Kneipe oder der Talkshow: Bei Frank Plasberg stritten Politiker und Betroffene über "Zehn Jahre Hartz - Agenda Aufstieg oder Agenda Armut?". Der Talk zeigte vor allem, dass die Klischees unverändert sind. Und die Probleme der Empfänger der Sozialleistung ebenfalls.

So hoch ist die Hartz-IV-Quote bei Jugendlichen
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Foto: AP

Michael Pottel, ein gebildeter Mann, der sich auszudrücken weiß, schildert "das Grauen", wie er den drohenden Rutsch in Hartz IV nennt: Man müsse alles vorlegen, die Sparbücher der Kinder auflösen, Rentenvorsorge bis zu einer gewissen Grenze nutzen, bevor man "Almosen" bekommt, schildert der Familienvater. "Das wünsche ich keinem". Pottel schaffte es schließlich aus eigenem Antrieb, eine Festanstellung zu bekommen.

Ebenso wie Christiane Weimar, alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern, gelernte Bibliotheksassistentin. Ihr jetziges Einkommen reicht eben so, einen Anspruch auf Hartz IV zur Aufstockung hat sie dennoch - nimmt ihn aber nicht wahr. Zu sehr drücke die Stigmatisierung und die Drangsalierung durchs Amt. So sei ihre Tochter, die bald das Abitur macht, regelmäßig vom Amt gefragt worden, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn sie arbeiten ginge. "Es war ein Kampf, dass sie das Abitur machen darf, seit fünf Jahren werden wir angeschrieben, warum meine Tochter nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht", beschreibt sie.

Zwei Schicksale von Menschen, denen wohl niemand vorwerfen würde, Sozialschmarotzer und arbeitsunwillig zu sein.

Clement: "Fordern und Fördern" hat sich ausgezahlt

Für Wolfgang Clement, der als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (2002 - 2005) in der Schröder-Regierung die Hartz-Reformen umgesetzt hat, sind diese beiden Beispiele aber noch mehr: nämlich positive Auswirkungen der Reform. Das "Fordern und Fördern" habe gegriffen, beide haben wieder einen festen Job. Das sieht auch Christian Lindner ( NRW-Landes- und Fraktionsvorsitzender der FDP) ähnlich. Überhaupt sei der Arbeitsmarkt in Deutschland viel robuster, als oftmals dargestellt, sei sogar Vorbild für andere Länder wie Frankreich.

Michael Pottel sieht es erwartungsgemäß anders: "Das war kein Fordern und Fördern, das war ein Weiterschieben", erklärt der heutige Controller am Flughafen. Und Ursula Engelen-Kefer, 16 Jahre lang bis 2006 Vizevorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, wirft ein: "Es ist die Frage, ob der Blick in den Abgrund so tief sein muss. Ich finde, der Abfall ist viel zu groß". Angesichts der beiden engagierten Betroffenen, die sich aus eigenem Antrieb wieder in Lohn und Brot brachten, kann man als Zuschauer nur zustimmen. Aber - das ist das Manko der Beispiele - sie sind sicher nicht repräsentativ.

Und auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtverbands "Der Paritätische," gibt zu bedenken, dass es bei Qualifizierten vielleicht noch reicht, sich selbst einen Tritt zu geben, um es dann zu schaffen. Langzeitarbeitslose benötigten jedoch vor allem Weiterbildung und auch Hilfe von Sozialarbeitern.

Oberkassel: "Müßiggänger, faul und lustlos"

Doch seit Hartz-IV im Lande ein Begriff ist, gibt es ja auch noch die andere Seite - das Klischee. Bei Frank Plasberg wurde das sehr plakativ in einer Umfrage dargestellt: Im Düsseldorfer Nobel-Ortsteil Oberkassel und im sozial eher schwachen Garath sollten die Menschen ihre Assoziationen mit Hartz-IV-Beziehern nennen. Das Ergebnis war nicht überraschend. In Garath sah man die Empfänger "an Rand gedrückt und nicht akzeptiert" oder als "Leute, die sich durchs Leben schlagen müssen". "Müßiggänger" heißen sie in Oberkassel, "denen es finanziell zu leicht gemacht" wird und die "faul und lustlos sind".

Begonnen hatte die Debatte jedoch mit dem Arbeitsmarkt in Deutschland im Allgemeinen: Es ging um Teilzeitbeschäftigte, wie Clement und Lindner sagten - geringfügig Beschäftigte nannten sie Engelen-Kefer und Ulrich Schneider. Lindner erklärte, Minijobs seien vor allem für Ehepartner und Studenten, die sich etwas dazuverdienen wollen. Clement meinte verwundert, gerade Frauen hätten doch mehr Teilzeitjobs gefordert. Da kochte bei Engelen-Kefer und Schneider die Wut hoch: "Das seien Scheinargumente, "Nebelkerzen" und "ungeheuerlich".

Erwartbare Positionen und zwei positive Beispiele von Hart-IV-Betroffenen, die es geschafft haben - wirklich weiter kam die Diskussion um die Vor- und Nachteile der Agenda 2010 auch bei "Hart aber Fair" nicht. Denn eine Möglichkeit der Verbesserung der Lage hatte keiner der Diskussionsteilnehmer angesprochen.

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