Mozart statt Böhse Onkelz ZDF soll weitere Besten-Show frisiert haben

Mainz · Der Skandal um manipulierte Ranking-Listen geht weiter. Bereits 2007 hat der Sender einem Bericht zufolge ein Voting verändert.

ZDF soll weitere "Unsere Besten"-Shows manipuliert haben
Foto: dpa, cas kde

Beim ZDF droht sich ein Glaubwürdigkeitsproblem zu einer massiven Vertrauenskrise auszuwachsen. Nachdem der Sender eingeräumt hatte, dass die Ranglisten für die Sendungen "Deutschlands beste Männer" und "Deutschlands beste Frauen" manipuliert wurden, enthüllte der Berliner "Tagesspiegel" weitere Eingriffe bei Voting-Shows. So sollen bereits 2007 die Ergebnisse der ZDF-Sendung "Unsere Besten - Musikstars aller Zeiten" manipuliert worden sein.

Damals konnte das Publikum aus einer Vorschlagsliste seinen Kandidaten auswählen, aber auch eigene Vorschläge einbringen. Dabei schaffte es die wegen ihrer teils fremdenfeindlichen Texte umstrittene Rockband Böhse Onkelz auf den ersten Platz. Dies erschien den Verantwortlichen wohl als zu inkompatibel mit der Zielgruppe, und so kürten sie andere Künstler zum Sieger: Wolfgang Amadeus Mozart, Herbert Grönemeyer und Udo Jürgens. Die Böhsen Onkelz landeten auf Platz 25.

Fangruppen herausgefiltert

Im "Tagesspiegel" bestätigte ZDF-Sprecher Alexander Stock den Vorfall und begründete ihn damit, dass man so den Vorteil von Fangruppen, die geschlossen für ihre Band oder ihren Künstler votieren, ausgleichen wolle. "Die früheren Shows stützen sich nicht auf repräsentative Umfragen, sondern auf Online-, Post- und Telefonbefragungen", sagte Stock dem Blatt zufolge. "Dabei wurde darauf geachtet, dass offensichtliche Blockvotings etwa von Fangruppen herausgefiltert wurden. Das betraf auch die genannte Band in der Musiksendung." Der Vorgang wurde allerdings nicht öffentlich thematisiert, sondern das vorhandene Material in der Redaktion neu berechnet beziehungsweise bewertet.

Das lässt nach den aktuell zugegebenen Manipulationen aufhorchen. Für viele Kritiker scheint sich der Verdacht zu erhärten, dass Methode hinter den Manipulationen stecken könnte. Das ZDF hatte in den zwei Shows "Deutschlands Beste!" am 2. und 3. Juli die angeblich nach Umfragen beliebtesten 50 Frauen und Männer vorgestellt. Eingeflossen waren demnach die Ergebnisse aus einer repräsentativen Forsa-Befragung, einem Online-Voting sowie einem "Hörzu"-Leseraufruf. Am vergangenen Freitag räumte der Sender ein, dass die Redaktion die Listen gezielt manipuliert und sich nicht an den eingegangenen Daten orientiert habe. Eingeladene Gäste der Shows seien im Ranking nach oben gestuft worden.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen

Programmdirektor Norbert Himmler wertete das als "groben Verstoß gegen die Programmrichtlinien des ZDF". Derzeit werden arbeitsrechtliche Konsequenzen geprüft. Möglicherweise werden diese noch in der laufenden Woche getroffen. In der Kritik steht vor allem Unterhaltungschef Oliver Fuchs. Himmler entschuldigte sich öffentlich für das frisierte Ergebnis. Unter anderem wurden die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble von Platz sechs auf Platz elf und Ursula von der Leyen von Platz vier auf Platz sechs heruntergestuft, während Frank-Walter Steinmeier (SPD) von Platz zehn auf Platz sechs aufstieg. ZDF-Nachrichtenmoderator Claus Kleber kletterte von Platz 39 auf Platz 28, Peter Kloeppel von RTL verlor Platz 27 und fiel auf 39.

Moderator Jörg Pilawa (48), zu Jahresbeginn vom ZDF zur ARD gewechselt, hat sich gestern auch in die Debatte eingeschaltet und seinen alten Sender kritisiert. "Die scripted reality ist jetzt auch in der Unterhaltung angekommen", sagte er. Das Fernsehen entferne sich auf diese Weise vom Zuschauer. Unter "scripted reality" versteht die Branche TV-Beiträge, die dokumentarisch wirken, aber von Drehbuchautoren verfasst werden.

Fernsehrat involviert

Der Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats, Ruprecht Polenz, schlug inzwischen vor, bei künftigen Shows mit Umfragen Experten mitwirken zu lassen. "Zu möglichen strukturellen Konsequenzen könnte gehören, dass bei jeder Sendung, in die Zuschauer per Umfrage repräsentativ einbezogen werden sollen, eine Stelle mitwirkt", teilte Polenz in Mainz mit. Dies solle eine Institution sein, die mit derartigen Befragungen Erfahrungen habe, "wie zum Beispiel die ZDF-Medienforschung oder die Forschungsgruppe Wahlen".

Der Fernsehratsvorsitzende hatte in einem Schreiben an die Mitglieder des Kontrollgremiums erklärt, der Vorfall habe die Glaubwürdigkeit des ZDF beschädigt. Es müsse Konsequenzen geben, damit sich so etwas nicht wiederhole. Zunächst soll der Pogrammausschuss Programmdirektion die Manipulationen untersuchen und dem Fernsehrat für seine Sitzung am 19. September unter anderem eine Empfehlung geben, wie solche Fälle künftig verhindert werden können.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort